OLG Hamburg: Reichweite von DDR-Lizenzen bei Sportwetten

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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In zwei Entscheidungen hatte sich das OLG Hamburg (Urt. v. 12.08.2004 – Az.: 5 U 23/04 und Urt. v. 12.08.2004 – 5 U 58/03) mit der Reichweite von DDR-Lizenzen im Bereich der Sportwetten zu beschäftigen.

In der Rechtsprechung wird kontrovers diskutiert, in welchem Umfang die kurz vor der Wiedervereinigung erteilten DDR-Sportwetten-Lizenzen rechtliche Wirkung erzielen. Ein Teil der Gerichte vertritt die Ansicht, die Genehmigung beziehe sich nur auf betreffende Bundesgebiet, während ein anderer Teil der Gerichte von einer bundesweiten Wirkung ausgeht. Vgl. dazu RA Dr. Bahr: „VG Bayreuth: Reichweite einer DDR-Lizenz für Sportwetten“.

In der ersten Entscheidung (Urt. v. 12.08.2004 – Az.: 5 U 23/04) standen sich sich der Inhaber einer solchen DDR-Lizenz als Kläger und die Anbieterin einer staatlichen Oddset-Wette gegenüber. Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger handle unlauter, weil die DDR-Lizenz in Hamburg keine rechtliche Bedeutung habe.

Dem hat OLG Hamburg eine klare Absage erteilt und das Handeln der Klägerin für rechtmäßig erachtet:

„Dabei kann allerdings nach Auffassung des Senats dahingestellt bleiben, ob die Erlaubnis der Stadt Gera, auf die die Klägerin sich für ihre Tätigkeit stützt, bundesweit gilt und ob die sonstigen Einwendungen, die die Beklagte vor allem mit ihrem letzten Schriftsatz gegen diese Genehmigung erneut erhoben hat, durchgreifen.

Denn die Klägerin genießt aufgrund der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen der VG Gera und des OVG Weimar (…)in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht weiterhin Vertrauensschutz, dass sie im Internet Sportwetten anbieten und auch in Hamburg für die von ihr veranstalteten Sportwetten werben darf.

Der Senat stützt sich für diese Beurteilung vor allem auf die Entscheidung „Sportwetten-Genehmigung“ des BGH vom 11.10.2001 (…)

Der BGH hat maßgeblich unter Bezugnahme auf den Fall der hiesigen Klägerin festgestellt, dass Fachgerichte (…) die DDR-Erlaubnisse für Sportwetten als wirksam und für bundesweit gültig beurteilt hätten und ein Gewerbetreibender nicht wettbewerbswidrig handele, wenn er sich hierauf verlasse.

Nach der Rechtsprechung des HansOLG und anderer Instanzgerichte ist in ähnlicher Weise ein wettbewerbsrechtlicher Vertrauensschutz schon dann anerkannt, mithin ein unlauteres Verhalten verneint worden, wenn ein Wettbewerber bei zweifelhafter Gesetzeslage seinem Verhalten eine Auslegung zugrunde legt, die auch von der zuständigen Behörde gebilligt wird (…).“

Und weiter:

„Seit der Entscheidung „Sportwetten-Genehmigung“ des BGH ist die Rechtslage entgegen der Meinung des Beklagten keineswegs zu Ungunsten der Klägerin geklärt. Vielmehr hat inzwischen das VG Gera im Hauptsacheverfahren erneut ausgesprochen (…) dass die Erlaubnis der Klägerin „grundsätzlich bundesweite Gültigkeit“ habe (…). Auch mit den übrigen Einwendungen des Beklagten gegen die Genehmigung vom 14.9.1990 haben sich das VG Gera und das OVG Weimar als zuständige Fachgerichte schon im Eilverfahren beschäftigt und sie nicht für stichhaltig angesehen.

Alle übrigen Gerichtsentscheidungen von Verwaltungsgerichten seit dem BGH-Urteil „Sportwetten-Genehmigung“ sind nur vorläufige Entscheidungen im Eilverfahren, die nicht nur zu Ungunsten der Klägerin ausgegangen sind. So hat das VG Stuttgart in einer Eil-Entscheidung vom 15.10.2003 nach § 80 Abs.5 VWGO in einem Verfahren wegen Schließung eines an die Klägerin vermittelnden Wettbüros in Baden-Württemberg den Streitstand um die DDR-Genehmigungen für Sportwetten ausführlich dargestellt und als noch nicht geklärt beurteilt (…). Es hat daher die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Schließung der Annahmestelle wieder hergestellt.

Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit ist auf die Entscheidung des OLG Hamm vom 5.12.2002 zu verweisen. Das OLG Hamm geht in dieser, von der Klägerin gegen einen Wettbewerber erstrittenen Entscheidung gleichfalls (…) von der bundesweiten Geltung der Erlaubnis vom 14.9.90 aus (…). Das LG Köln hat in einem Wettbewerbsprozess gegen die Beklagte des BGH-Verfahrens „Sportwetten-Genehmigung“ mit Beschluss vom 23.5.2003 festgestellt, dass sich die Lage seit der BGH-Entscheidung nicht geändert habe, die Beklagte also weiterhin auf die Zulässigkeit ihrer Tätigkeit vertrauen dürfe (…). Das LG Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 5.11.2003 (MD 04, 556) zugunsten der Klägerin festgestellt, dass die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg nicht äußern dürfe, die Klägerin dürfe in Baden-Württemberg nicht werben. Denn die Rechtslage bezüglich der Reichweite von DDR-Sportwettengenehmigungen sei noch nicht abschließend geklärt (…).

Schließlich kann sich die Klägerin auf das Gutachten des anerkannten Staatsrechtlers Ossenbühl berufen, der zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Klägerin nach Art.12, Art 5 GG berechtigt sei, aufgrund der ihr erteilten DDR-Erlaubnis in ganz Deutschland jedenfalls zu werben und mit Kunden aus ganz Deutschland Wetten abzuschließen (…).“

Das OLG Hamburg fasst damit in anschaulicher Weise die derzeitig rechtliche Situation zu DDR-Sportwetten-Lizenzen zusammen und zeigt in prägnanter Weise, dass die höchstrichterliche und oberinstanzgerichtliche Rechtsprechung zu diesem Problem sehr umstritten ist und gerade nicht so eindeutig ist wie z.T. in der rechtswissenschaftlichen Literatur behauptet (vgl. z.B. Hecker, „Der Vertrieb privater Sportwetten in Bayern bleibt weiterhin verboten“, dort zur strafrechtlichen Seite).

In der zweiten Entscheidung (Urt. v. 12.08.2004 – 5 U 58/03) standen sich eine gewerbliche Spielvermittlerin, die sich u.a. auf eine DDR-Sportwetten-Lizenz beruft, und die hamburgische Vertreterin des Deutschen Lotto-Toto-Blocks (DLTB) gegenüber. Die DLTB-Vertreterin hatte die Klägerin abgemahnt, weil diese angeblich illegale Glücksspiele in Hamburg veranstalte, da die DDR-Lizenz nur im Bundesland Thüringen und nicht im gesamten Bundesgebiet Wirkung entfalte. Gegen diese Abmahnung ging die Klägerin im Wege der negativen Feststellungsklage vor und begehrte die Unterlassung eines solchen Verlangens der Beklagten.[/i]

Das OLG Hamburg hat diesen Anspruch bejaht und die ausgesprochene Abmahnung der Beklagten für rechtswidrig erklärt:

„Das von der Beklagten (…) beanstandete Verhalten der Klägerin war nicht wettbewerbswidrig. Dementsprechend entbehrte die gleichwohl ausgesprochene Abmahnung einer hinreichenden rechtlichen Grundlage.

Ein Verstoß gegen § 284 StGB stellt sich nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (…) aber nicht notwendigerweise auch wettbewerbsrechtlich als unlauter dar.

Die Klägerin leitet ihre Befugnisse zum Vermitteln bzw. Veranstalten von Sportwetten von einer der Sportwetten GmbH G. noch zu Zeiten der DDR am 14.09.90 erteilten Erlaubnis des Magistrats der Stadt Gera ab.“

Das OLG Hamburg nimmt im Anschluss exakt die gleichen Wertungen und Abwägungen vor wie im o.g. Entschluss. Insofern auf obige Ausführungen verwiesen werden.

„Vor diesem Hintergrund stellt sich das Handeln der Klägerin, das sich auf die der Sportwetten GmbH G. am 14.09.90 erteilten Erlaubnis gründet, selbst dann nicht als wettbewerblich unlauter dar, wenn sich in straf- bzw. verwaltungsrechtlicher Hinsicht letztlich die Rechtsauffassung der Beklagten durchsetzen sollte (…).

Stellt sich das von der Beklagten vorprozessual angegriffene wettbewerbliche Verhalten der Klägerin nicht als unlauter dar, so erweist sich die am 20.05.03 ausgesprochene Abmahnung als rechtswidrig mit der Folge, dass sich die Klägerin hiergegen mit einer negativen Feststellungsklage zur Wehr setzen konnte. Denn der Unterlassungsanspruch, dessen sich die Beklagte berühmte, bestand nicht und es war aus Sicht der Klägerin zu befürchten, dass sich die Beklagte auch weiterhin dieses vermeintlichen Anspruchs berühmen wollte.“