VG Aachen: Anspruch auf Sportwetten-Lizenz für Private?

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Seit Monaten wird über die Frage kontrovers gestritten, ob eine ausländische, europäische Lizenz ausreicht, um auch in Deutschland Sportwetten anzubieten.

Nun liegt ein weiteres Urteil mit einer neuen Nuance in dieser Thematik vor.

Das VG Aachen hat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (Beschl. v. 12. November 2004 – Az.: 3 L 17/04) entschieden, dass eine Untersagungsverfügung gegen einen Sportwetten-Anbieter grundsätzlich nicht sofort vollziehbar ist.

„Die verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Bedenken, weiche der Antragsteller als privater Sportwettenvermittler unter Hinweis auf ein Konvolut von Rechtsgütachten, Fachartikeln und gerichtlichen Entscheidungen unter anderem gegen das in Nordrhein-Westfalen bestehende „staatliche Sportwettenmonopol“ vorbringt, sind nämlich nach Einschätzung der Kammer nicht von der Hand zu weisen.

Sie werfen eine Vielzahl schwieriger Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art auf, die zwar für die Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Untersagung nicht entscheidungserheblich, wohl aber in einem noch anzustrengenden behördlichen bzw. gerichtlichen Verfahren auf Erteilung einer Erlaubnis zur Veranstaltung und Vermittlung privater Oddset-Sportwetten zu klären sind. (…).“

Dann beschäftigt es sich mit der hochinteressanten Frage, ob ein privater Anbieter nicht aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit ein Anspruch auf Zulassung zum Sportwetten-Bereich hat:

„So ist es nach Auffassung der Kammer keineswegs ausgeschlossen, dass der Antragsteller unmittelbar aus Art. 12 GG ein Anspruch auf Erlaubnis der hier untersagten Tätigkeit als private Sportwettenvermittlerin erwachsen könnte.

Dieses Grundrecht verleiht ihm ein Abwehrrecht gegenüber unverhältnismäßigen Eingriffen des Gesetzgebers in die verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe wie dasjenige der Vermittlung von Sportwetten, zu betreiben. Anhaltspunkte dafür, dass die strikte Fernhaltung privater Veranstalter und Vermittler vom Sportwettenmarkt gemäß § 1 Sportwettengesetz NRW bzw. § 5 Abs. 1 und 2 des Lotteriestaatsvertrags zwischenzeitlich zu einem solchem Abwehrrecht des Antragstellers geführt haben könnte, entnimmt die Kammer den einschlägigen verfassungsrechtlichen Pflichten des Fachgesetzgebers, deren Erfüllung das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2001 für die Zukunft angemahnt hat (…)“

Wie erst kürzlich das LG Hamburg (vgl. den Aufsatz von RA Dr. Bahr „LG Hamburg: Keine Strafbarkeit bei Anbieten von privaten Sportwetten“) kritisiert das Gericht vor allem die aggressive und marktschreierische Werbung der staatlichen Monopolisten:

„Angesichts des umfangreichen Spielangebots der Westdeutschen Lotterie (…) und der begleitenden Werbemaßnahmen, wie sie täglich im Fernsehen, Rundfunk, Internet und Presse für die Kammer wahrzunehmen sind, dürfte sich der Landesgesetzgeber in Nordrhein-Westfalen nicht ohne Weiteres darauf berufen können, ihm gehe es mit dem Ausschluss privater Wettanbieter darum, das Glücksspiel einzudämmen. (…)

Gerade mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland präsentiert sich die Werbung für staatliche oder staatlich gebundene Wettanbieter derart aggressiv und umfangreich, dass sich z. B. bei Sportsendungen im Femsehen auch ein mit der Fernbedienung geübter Zuschauer ihr kaum noch entziehen kann.

Ferner hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin (…) in eindrucksvoller Weise dargelegt, wie intensiv auch die Westdeutsche Lotterie auf kleinen und großen Fußballplätzen und bei anderen Veranstaltungen in Nordrhein-Westfalen auf Plakaten, mit Luftschiffen, mit Pokalpreisen sowie mit Partnerschaften von Bundesligamannschaften Werbung betreibt. Pokale werden als Fairness-Preise von Oddset bei Fußballturnieren gestiftet. Anschließend wird dann wirkungsvoll in der örtlichen Lokalpresse darüber berichtet. (…)“

Und weiter:

„Nach Angaben der Westdeutschen Lotterie (…) gibt es in Nordrhein-Westfalen 4100 Annahmestellen, in denen Sportwetten angeboten werden. (…) in Baden-Württemberg [wurden] in den Jahren 1999 mehr als 31 Millionen Euro, im Jahr 2000 mehr als 68 Millionen Euro, im Jahr 2001 mehr als 70 Millionen Euro, im Jahr 2002 mehr als 72 Millionen Euro und im Jahr 2003 mehr als 62 Millionen Euro Spielsätze für die Oddset-Kombi-Wette getätigt. Eine ähnliche Entwicklung dürfte auch für Nordrhein-Westfalen zutreffen.

Im Übrigen sind Sportwettenannahmen über Telefon, SMS und Internet immer mehr verbreitet. Eine Annahmestelle braucht daher nicht mehr aufgesucht zu werden, so dass sich die Gelegenheiten zum Spielen nicht etwa vermindert, sondern im Gegenteil erhöhen werden.“