VG Bayreuth: Reichweite einer DDR-Lizenz für Sportwetten

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Die Entwicklung in Sachen Glücksspiel-Recht in Deutschland ist seit knapp einem 3/4 Jahr außerordentlich turbulent.

Ende letzten Jahres hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 – Az.: C-243/01 – Gambelli) eine grundlegende Entscheidung in Sachen Glücksspiele getroffen („Gambelli“). Vgl. dazu den Artikel von RA Dr. Bahr: „Glücksspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung“.

Seitdem sind zahlreiche Entscheidungen deutscher Gerichte zu diesem Bereich gefallen, Pro und Contra. Vgl. z.B. den Artikel von RA Dr. Bahr „VG Karlsruhe: Glücksspiel mit europäischer Lizenz rechtmäßig“.

Nun hat das VG Karlsruhe durch einen Beschluss (Beschl. v. 09.08.2004 – Az.: B 1 S 03.939) im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine neue Facette zu diesem Thema hinzugefügt:

Inhaltlich ging es dem Antragsteller darum, die Wirksamkeit der städischen Untersagungsverfügung bis zum Ende des Hauptsache-Verfahrens außer Kraft zu setzen.
Der Antragsteller hatte für einen inländischen Anbieter, der noch aus DDR-Zeiten über eine verwaltungsrechtliche Glücksspiel-Lizenz verfügte, Sportwetten entgegengenommen. Die zuständige Stadt sah dies als nicht ausreichend an und verbot mit sofortiger Wirkung den Betrieb des Geschäftes.

Die Verwaltungsrichter lehnen das Begehren des Antragsstellers haben, da das zeitlich später durchzuführende Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben würde. Insofern sei es daher auch nicht angebracht, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zu Gunsten des Antragstellers zu entscheiden:

„Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung ist von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides auszugehen. Der Antragsgegner wird aller Voraussicht nach mit Widerspruch und Anfechtungsklage unterliegen. Der Antrag ist deshalb abzulehnen.“

Zunächst erörtern die Richter, ob Sportwetten als Glücksspiel einzustufen sind und bejahen dies mit der überwiegenden Rechtsprechung:

„Nach der (…) überwiegend in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht handelt es sich bei Oddset-Wetten um ein Glücksspiel (…). Zwar werden teilweise Einwendungen gegen diese Einordnung erhoben (…). Das Gericht hält diese Einwendungen jedoch nicht für stichhaltig. Nach allgemeiner Auffassung liegt das Wesen des Glückspiels im Sinne des § 284 StGB darin, dass die Entscheidung über Gewinn und Verlust nach den Vertragsbedingungen nicht wesentlich von den Fähigkeiten, den Kenntnissen und der Aufmerksamkeit der Spieler abhängt, sondern allein oder hauptsächlich vom Zufall (…).

Danach spricht nach Ansicht der Kammer vieles für die Annahme, dass es sich bei einer Oddset-Sportwette um ein Glücksspiel handelt, weil der Ausgang von Sportereignissen regelmäßig von Faktoren abhängt, die auch von „Experten“ nicht kalkuliert werden können, seien es Schiedsrichterentscheidungen, Verletzungen, Witterungsbedingungen etc (…).“

Dann setzt sich das Gericht mit der spannenden Frage auseinander, ob nicht die noch aus DDR-Zeiten stammende verwaltungsrechtliche Lizenz als staatliche Genehmigung ausreichend ist:

„Der Antragsteller kann sich nicht auf die (…) im Jahr 1990 erteilte Erlaubnis auf der Grundlage des Gewerbegesetzes der Deutschen Demokratischen Republik vom 06.03.1990 berufen. Diese Erlaubnis (…) besitzt keine bundesweite Geltung. Nach der in der obergerichtlichen Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung (…) fällt das Recht der Sportwetten in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder.

Damit sind die einzelnen Länder befugt, diese Materie in eigener Zuständigkeit zu regeln; die Ausübung der sich daraus ergebenden staatlichen Befugnisse steht deshalb dem Freistaat Bayern zu. (…) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (…) beschränkt sich die Verwaltungshoheit eines Bundeslandes grundsätzlich auf sein eigenes Gebiet (…). Auch Sinn und Zweck dieser Regelung bieten keinen Anlass für die Auslegung, dass Verwaltungsakte der DDR nunmehr im gesamten Bundesgebiet gelten sollten.“

Das Gericht stimmt damit mit der Rechtsansicht des OVG NRW (Beschluss v. 05.12.2003 – Az.: 16 L 2273/03), Beschluss v. 05.12.2003 – Az.: 16 L 2273/03; Beschl. v. 14.05.2004 – Az.: 4 B 2096/03) überein. Anderer Ansicht ist jedoch der BGH (Urt. v. 11.10.2001 – Az.: ZR 172/99), der entschied, dass eine landesrechtlich erteilte Genehmigung ausreicht, um im gesamten Bundesgebiet tätig zu werden. Vgl. zu diesem Streit auch den Artikel von RA Dr. Bahr „Bayern: Sportwetten-Werbespots im DSF verbieten“.

Zum Schluss der Entscheidung schließlich gehen die Richter auch auf die „Gambelli“-Entscheidung ein:

„Auch wenn im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 06.11.2003 Az. C-243/01 (Gambelli) Zweifel an der Vereinbarkeit der in Bayern geltenden Rechtslage mit Europäischem Recht bestehen könnten, sieht das Gericht keinen Anlass, den Rechtsstreit auszusetzen und das Verfahren dem EUGH zur Entscheidung vorzulegen. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist von der geltenden Rechtslage auszugehen (…)

Eine Aussetzung käme allenfalls im Hauptsacheverfahren in Betracht.“

Zwar lässt das Gericht das Ergebnis bewusst offen, jedoch ist schon alleine die Tatsache, dass es nicht von vorherein die Problematik gänzlich ablehnt, interessant.