Vermittlung von Sportwetten an ausländische Veranstalter bleibt auch nach dem BVerfG-Beschluss vom 26.08.2004 rechtswidrig

Rechtsanwalt Dr. Manfred Hecker
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
CBH - Rechtsanwälte
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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 26.08.2004 (Az.: 1 BvR 1446/04) entschieden, dass der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14.05.2004 (Az.: 4 B 858/03), mit dem das Begehren auf Erteilung einer Erlaubnis für die Vermittlung von Sportwetten an einen österreichischen Sportwettveranstalter zurückgewiesen wurde, eine Verletzung des Antragstellers in seinen Rechten aus Art. 19 Abs. 4 GG darstellt. Das BVerfG hat sein Urteil aber alleine darauf gestützt, dass das OVG den Antrag aus rein formalen Gründen beurteilt und nicht die tatsächliche Rechtslage geprüft hat. Die weitergehende Verfassungsbeschwerde dahingehend, dass dem Beschwerdeführer die begehrte Erlaubnis erteilt werde, hat das BVerfG ausdrücklich abgewiesen und somit festgestellt, dass ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG insofern nicht vorliegt.

Im Einzelnen:

Die 2. Kammer des Ersten Senats rügt, dass das OVG das vom Beschwerdeführer vorgelegte umfangreiche Tatsachenmaterial nicht gewürdigt hat. Dies wäre aber wegen der Dauer des Beschwerdeverfahrens zu begründen gewesen, meinen die Verfassungsrichter.
Der Entscheidung liegt ein im Jahre 2002 begonnener Rechtsstreit zugrunde. Der Beschwerdeführer vermittelte zunächst Sportwetten aufgrund eines Vertrages mit einem Berliner Wettbüro, das über eine Genehmigung für die Veranstaltung von Sportwetten nach dem Gewerberecht der Deutschen Demokratischen Republik verfügte. Angesichts der Tatsache, dass bereits eine Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen eine Wirkung dieser Genehmigung in anderen Bundesländern als demjenigen, in dem die Erlaubnis erteilt wurde, verneint haben (vgl. Nds. OVG GewArch 2003, 247; OVG NRW, GewArch 2003, 162, 164; BayVGH, Urteil vom 30.08.2000; VGH Bad.-Württ. GewArch 2004, 161; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24.09.2002, Az.: 3 L 3677.02; VG Dresden, Beschluss vom 06.11.2003, Az.: 1 K 2609/02; vgl. auch Dietlein, BayVBl. 2002, 161, 167), wurde dem Beschwerdeführer unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Vermittlung von Sportwetten untersagt, „soweit sich diese auf die Annahme bzw. Vermittlung von Sportwetten erstreckt, die durch ein in Nordrhein-Westfalen nicht zugelassenes Sportwettunternehmen veranstaltet werden.“ Die dagegen unternommenen gerichtlichen Schritte blieben erfolglos. Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Beschwerde gegen die letztinstanzliche Entscheidung des OVG ausdrücklich ab (BVerfG, Beschluss vom 16.05.2003, Az.: 1 BvR 466/03). Auch insoweit ist es bei der gefestigten Rechtsprechung geblieben.
Der Beschwerdeführer verlegte sich deshalb auf die Vermittlung von Sportwetten an einen österreichischen Veranstalter und beantragte beim Verwaltungsgericht (VG) nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO, den früheren Beschluss des VG aufzuheben. Begründet wurde der Antrag mit der Argumentation, durch den neuen Vertragspartner habe sich die Sachlage und durch das Urteil des Europäischen Gerichtshof in der Sache Gambelli (EuGH, Urteil vom 06.11.2003, GewArch 2004, 30 ff) die Rechtslage wesentlich geändert.

Nachdem das VG den Antrag abgelehnt hatte, äußerte das OVG, dass im Hinblick auf die Entscheidung Gambelli das Werbeverhalten des staatlichen Wettanbieters zu überprüfen sei. Weil das OVG sich jedoch außer Stande sah, diese Prüfung in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmen und den Beschwerdeführer auf das Hauptsacheverfahren verwiesen hatte, hat das BVerfG die Sache nunmehr an das OVG zur „sofortigen“ Prüfung zurückverwiesen. Wörtlich heißt es:

„Das Oberverwaltungsgericht begründet nicht ausreichend, weshalb es nach mehr als einjähriger Prüfung zu der Einschätzung gelangt, die ‚gebotene Prüfung’ des Verhaltens der staatlichen Wettanbieter könne ‚der Senat in dem auf eine lediglich summarische Überprüfung ausgerichteten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht’ vornehmen.“
Das BVerfG hat deswegen keinerlei Stellung dazu genommen, ob nach seiner Ansicht durch die Entscheidung Gambelli eine staatliche Monopoli-sierung von Sportwetten zulässig sein könnten. Es verlangt vielmehr vom OVG eine Prüfung des vorgelegten Tatsachenmaterials betreffend die Werbemaßnahmen der Landeslotteriegesellschaft anhand der Kriterien des Gambelli-Urteils.

Die Erfolgsaussichten für die neue nunmehr anstehende Entscheidung des OVG dürften jedoch eher gering sein: So hat bereits das Bayerische Verwaltungsgericht München am 19.02.2004 (Az.: M 22 S 04.542) entschieden, dass eine Untersagungsverfügung wegen einer Beihilfe zum illegalen Glücksspiel rechtmäßig und insbesondere § 284 StGB gemeinschaftsrechtlich unbedenklich ist. Das Urteil Gambelli beinhalte „keine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH.“

Diesem zutreffenden Urteil ist auch die höchstrichterliche Rechtsprechung gefolgt (Bay. ObLG, Beschluss vom 26.11.2003, Az.: SST RR 289/03; BGH, Urteil vom 01.04.2004, Az.: I ZR 317/01 – Schöner Wetten mit Hinweis auf BVerwG, NJW 2001, 2648 f.):

An der Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten an Veranstalter im Ausland nach §§ 284, 27 StGB hat sich folglich auch durch die Gambelli-Entscheidung nichts geändert. Verbietet aber das nationale Verwaltungsrecht eine entsprechende Tätigkeit ohne behördliche Erlaubnis, dürfte auch ein darauf gestütztes behördliches Verbot – ohne Änderung der bestehenden Rechtslage – weiterhin rechtmäßig sein.
Im übrigen hat auch der EuGH die Entscheidung darüber, ob sich monopolartige Regelungen im Glücksspielsektor rechtfertigen lassen, ausdrücklich den Mitgliedstaaten überlassen. Es liege in ihrem Ermessen, inwieweit im Bereich von Lotterien und anderen Glücksspielen Beschränkungen zum Schutz der Sozialordnung gelten sollen (Erwägungsgrund 43 und Bestätigung der Entscheidungen Schindler, Läärä und Zenatti). In diesem Zusammenhang ist schließlich zu bedenken, dass angesichts der massiven Werbeattacken der den deutschen Markt überflutenden illegalen Glücksspielveranstalter ohne eine entsprechende Werbung für die unter staatlicher Kontrolle und ohne riskante Spielpaarungen oder besonders attraktive Quoten stattfindenden Sportwetten die erforderliche Kanalisierung des Spieltriebs nicht zu erreichen ist.