VG München: Glücksspiel mit europäischer Lizenz rechtswidrig

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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VG München: Glücksspiel mit europäischer Lizenz rechtswidrig

Die Entwicklung in Sachen Glücksspiel-Recht in Deutschland in den vergangenen Monaten ist außerordentlich turbulent.

Ende letzten Jahres hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 – Az.: C-243/01) eine grundlegende Entscheidung in Sachen Glücksspiele getroffen („Gambelli“).

Seitdem streiten die deutschen Gerichte munter miteinander. Vgl. zuletzt das LG Karlsruhe (Urt. v. 21. Januar 2004 – Az.: 14 O 3/04 KfH III) in unseren Kanzlei-Infos v. 15.05.2004 mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

Nun hatte das VG München (Beschl. v. 31. März 2004 – Az.: MM 22 S 04.1266) ebenfalls eine Entscheidung zu diesem Themenkomplex zu treffen.

Der Antragsteller meldete am 7. November 2003 ein Gewerbe für den Bereich „Erstellen von Internetpublikationen, Tätigkeit von im Internetbereich, Vermittlung von Aufträgen, Tätigkeit im EDV-Bereich“ beim Gewerbeamt München an. Real nahm er aber Einsätze für Sportwetten für eine österreichische Firma in Empfang, die dort über eine entsprechende Glücksspiel-Lizenz verfügt.

Die Stadt München untersagte daraufhin dem Antragsteller den weiteren Betrieb mit sofortiger Wirkung. Der Antragsteller wendete sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen diese sofortige Schließung und wollte zumindest bis zur Entscheidung in der Hauptsache sein Geschäft weiterbetreiben dürfen.

Dies hat das VG München abgelehnt:

„(…) ergibt sich, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der (…) Anordnung (…) gegenüber dem Interesse des Antragstellers, bis zur Entscheidung in der Hauptsache diese nicht befolgen zu müssen, überwiegt.“

Die Richter folgern dies insbesondere aus der Tatsache, dass aller Voraussicht nach das Hauptsacheverfahren zugunsten der Stadt München ausgehen wird. Denn der Antragsteller verstoße mit seinem Handeln gegen § 284 StGB. Dabei sei es unbeachtlich, dass die Firma, für die der Antragsteller die Einsätze sammle, über eine europäische Glücksspiel-Lizenz verfüge:

§ 284 StGB ist gemeinschaftsrechtlich unbedenklich. § 284 StGB enthält keine Diskriminierung ausländischer Wettunternehmer, weil das Erlaubniserfordernis für alle Veranstalter gleichermaßen gilt.

§ 284 StGB enthält auch keine ungerechtfertigte Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs.“

An dieser Einschätzung ändere sich auch nichts durch das Gambelli-Urteil. Bei Gambelli sei Kritikgegenstand gewesen, dass keine grundsätzliche Möglichkeit der Konzessierung bestanden habe. Dies sei aber bei § 284 StGB ja anders, da dieser im Grundsatz von einer Genehmigung ausgehe. Somit seien die Sachverhalte nicht vergleichbar. Daran ändere sich auch nichts durch die Tatsache, dass eine Zulassung von privaten Veranstaltern in Bayern grundsätzlich nicht möglich sei.

Des weiteren betone die Entscheidung ausdrücklich, dass es den nationalen Gerichten oblassen bleibe, hierüber abschließend zu entscheiden.

Dann setzt sich das Gericht mit dem Beschluss des Hessischen VGH (Beschl. v. 09. Februar 2004 – Az.: 11 TG 3060/03 = Kanzlei-Info v. 24.02.2004) auseinander, dass eine Gemeinschaftswidrigkeit bejaht hatte:

„Der HessVGH vertritt (…) die Auffassung, die (…) Einschränkungen (…) seien (…) nicht gerechtfertigt. Nach derzeitigem Sachstand könne auch § 284 StGB mit Blick auf die (…) Rechtsprechung des EuGH nicht angewendet werden.

Der HessVGH hat dabei jedoch nicht erörtert, dass § 284 StGB nicht jede Veranstaltung von Sportwetten unter Strafe stellt, sondern nur die ohne behördliche Erlaubnis durchgeführte Veranstaltung, also von der grundsätzlichen Möglichkeit der Erteilung einer Erlaubnis ausgehe.

Die Regelung der Zulassung einzelner Anbieter (…) fällt in die Gesetzgebungskompetenz der Länder, so dass allenfalls die jeweilige landesrechtliche Zulassungsregelung, die für private in- und ausländische Anbieter gar nicht die Möglichkeit der Erlaubniserteilung vorsieht, gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen könne, nicht aber § 284 StGB selber.“

Anmerkung von RA Dr. Bahr:

Die Entscheidung des VG München verwundert ein wenig. Nicht wegen des Ergebnisses, sondern vielmehr wegen der Entscheidungsgründe.

Es ist den Münchener Richtern zuzustimmen, dass § 284 StGB selber nicht gemeinschaftswidrig ist, da es die Glücksspiel-Tätigkeit unter Erlaubnis-Vorbehalt stellt. Allenfalls die landesrechtlichen Regelungen, die ausnahmslos keine Möglichkeit der Genehmigung vorsehen, könnten dies sein.

Und hier beisst sich die Katze selber in den Schwanz. So berechtigt die (dogmatische) Kritik an dem Beschluss des HessVGH ist, fragt sich der Leser, warum denn das VG bei seiner vorherigen, eigenen Prüfung nur den § 284 StGB erörtert, aber in keiner Weise auf die bayerischen Regelungen und das dortige absolute Verbot eingeht.

Angesichts dieser widersprüchlichen Argumentation ist diese Entscheidung nur wenig überzeugend.