Der Fall Antigua gegen die USA – Glücksspiel und WTO-Recht

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Über die erhebliche Bedeutung, die das Gambelli-Urteil für die Liberalisierung des Glückspielmarktes in der Europäischen Union hat, haben wir bereits mehrfach berichtet. Eine bahnbrechende Entscheidung ist nunmehr auch in einem Streitverfahren der Welthandelsorganisation WTO ergangen. In diesem, von dem Karibikstaat Antigua gegen die USA geführten Verfahren wurde festgestellt, dass das restriktive Verhalten der USA gegenüber dem grenzüberschreitenden Angebot von Glückspielen und Wetten gegen WTO-Recht verstößt. In dem folgenden Beitrag schildert Rechtsanwalt Arendts, M.B.L.-HSG, den Hintergrund dieser Entscheidung.

Ernst genommen hat auch die EU-Kommission das Gambelli-Urteil. Sie hat gegen den Mitgliedstaat Dänemark, der das Anbieten und Bewerben von Sportwetten durch ausländische Anbieter beschränkt, erste Schritte für ein Vertragsverletzungsverfahren nach dem EG-Vertrag eingeleitet. Die Kommission prüft nun, ob die dänischen Vorschriften mit der Niederlassung- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar sind. Ein ähnlicher Schritt könnte nunmehr auch Deutschland drohen, wenn es weiterhin nicht zu einer Liberalisierung bereit ist und die staatlichen Anbieter schützt.

Wenig von einer Liberalisierung hält allerdings das Bundesverwaltungsgericht in einer aktuellen Entscheidung, über die Rechtsanwalt Hambach berichtet. Mit vor allem formalen Argumenten hat eine Revision zurückgewiesen.

Der Fall Antigua gegen die USA – Glücksspiel und WTO-Recht

Der Karibikstaat Antigua und Barbuda ist mit einem 2003 eingeleiteten WTO-Streitverfahren gegen die USA mit dem Argument vorgegangen, dass die amerikanische Gesetzgebung zum Internet-Glücksspiel WTO-Recht verletzte. Der kleine Karibikstaat mit lediglich 67.000 Einwohnern berief sich dabei auf die erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, die Internet-Casinos und andere Online-Glücksspielangebote für ihn hätten (laut dem Außenminister von Antigua ca. 3.000 Arbeitsplätze in der Glücksspiel-Industrie). Die durch das General Agreement on Trade in Services (GATS) garantierte Dienstleistungsfreiheit werde durch das Verhalten der USA und deren Bundesstaaten verletzt. Nach amerikanischer Rechtsauffassung sind nach dem 1961 erlassenen Wire Act alle Online-Glücksspiele illegal.

Während der Vorgänger der Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organisation), das alte GATT, lediglich Handelsfragen betraf, konnten mit dem GATS (einem der WTO-Übereinkommen) erstmalig auch Liberalisierungsfortschritte im Bereich des Handels mit Dienstleistungen erreicht werden. Auch das Angebot von Glücksspielen fällt in den Anwendungsbereich dieses Abkommens. Ein Grundprinzip der WTO-Übereinkommen stellt das Gebot der Inländerbehandlung dar. Dieses verpflichtet die Mitgliedstaaten (zu denen seit Anfang 1995 auch Antigua gehört), ausländische Dienstleistungen nicht schlechter zu behandeln als gleichartige inländische. Aus Sicht von Antigua verstoßen die USA mit dem Verbot, dass Amerikaner nicht in Internet-Casinos außerhalb der USA spielen dürfen, gegen dieses Grundprinzip. Glücksspielanbieter aus Antigua würden gegenüber amerikanischen Anbietern diskriminiert. Damit verletzten die USA die Art. II, VI, VIII, XI, XVI und XVII des GATS.

Mit seiner Rechtsauffassung war Antigua, das das WTO-Streitverfahren nach einem erfolglosen Vermittlungsversuch eingeleitet hatte, bislang erfolgreich. Anders als das alte GATT ermöglicht das WTO-System nämlich ein formalisiertes Streitbeilegungssystem, das sog. Dispute Settlement Understanding (DSU). Dieses sieht aus drei (ausnahmsweise fünf) WTO-Experten bestehende „Panels“ zur konkreten Streitentscheidung vor. Dieses Panel muss dann innerhalb von sechs Monaten eine Entscheidung fällen. Diese wird dem Dispute Settlement Body übermittelt, der letztlich darüber entscheidet, ob der Bericht angenommen wird oder nicht. Gegen die Entscheidung kann dann ein Rechtsmittel zu dem Appelate Body als Berufungsinstanz eingelegt werden.

Bislang gibt es im Fall Antigua lediglich einen eigentlich vertraulichen (und noch nicht offiziell veröffentlichten) „Interim Report“ des Panels. Dieser stellt laut den Presseberichten einen Verstoß der USA gegen WTO-Recht fest. Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung (nicht nur für die USA, sondern auch für die anderen WTO-Mitgliedstaaten wie Deutschland) wurde über diese Entscheidung mehrfach berichtet.

Schon jetzt ist absehbar, dass der Streit in der Berufungsinstanz weitergehen wird. Eine entsprechende Ankündigung war aus den USA nach Bekanntwerden der Entscheidung zu hören. Auch ist fraglich, ob sich die USA an eine für sie negative Entscheidung der Berufungsinstanz halten werden (wie auch in anderen Fällen, in denen ein Verstoß der USA festgestellt wurde). Antigua könnte zwar dann zu Sanktionen ermächtigt werden (was allerdings wenig praktische Relevanz haben dürfte).

Andere WTO-Mitgliedstaaten dürften im Erfolgsfall jedoch ebenfalls verklagt werden und sich eher WTO-rechtskonform verhalten. Zwar hat der Europäische Gerichtshof eine unmittelbare Geltung von WTO-Recht in der 1999 ergangenen Entscheidung Portugal ./. Rat abgelehnt. Dennoch können sich auch Privatpersonen und Unternehmen darauf berufen, dass das einschlägige nationale Recht WTO-konform auszulegen ist (mit dem Argument, dass die mit Ratifizierung eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen umzusetzen sind). Insoweit dürfte die anstehende Grundsatzentscheidung (über die wir nach Vorliegen der Entscheidungsgründe weiter berichten werden) auch für Deutschland von erheblicher Bedeutung sein.

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