Hat der Hessische VGH das staatliche Wettmonopol in Deutschland bereits zerschlagen?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Über die in der letzten Ausgabe unseres Newsletters dargestellte, dem Gambelli-Urteil folgende Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) waren Sie deutlich früher informiert als die Allgemeinheit. Erst einige Tage nach dem Newsletter schlug die Gerichtsentscheidung große Wellen in den Tagesnachrichten und Tageszeitungen. Das Glücksspielmonopol sei endgültig gefallen.

Ganz so einfach ist die Sache leider nicht. In dem folgenden Beitrag stellt Rechtsanwalt Wulf Hambach die Rechtslage etwas realistischer dar.

Faktisch wird der Glücksspielmarkt in Deutschland in den nächsten zwei bis drei Jahren weitgehend aufgeteilt sein. Dafür spricht schon der Umstand, dass der erste Buchmacher Wetten auf die Frage annimmt, wann das Glücksspielmonopol fällt.

Um einen „Fuß in der Tür“ zu haben, ist eine der Lehren aus der VGH-Entscheidung: Vermittler an in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugelassenen Buchmacher sollten eine Genehmigung für diese Tätigkeit beantragen. Um für das behördliche Widerspruchsverfahren und das voraussichtlich anschließende verwaltungsgerichtliche Verfahren ausreichend „Munition“ zu haben, müssen dabei eine umfassende Sachverhaltsdarstellung und fundierte Rechtsausführungen vorgelegt werden.

Wie im letzten Newsletter ausgeführt, steht es – sportlich gesehen – nach der VGH-Entscheidung unentschieden. Eine für Buchmacher positive Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder eine neue Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu einem deutschen Fall könnte bereits das „golden goal“ bedeuten. Auf die Frage, ob und wann einen derartiges „golden goal“ fällt, werden noch Wetten angenommen.

Hat der Hessische VGH das staatliche Wettmonopol in Deutschland bereits zerschlagen?

Die in der letzten Ausgabe dargestellte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) hat zweifellos hohe Wellen geschlagen und kräftig am staatlichen Glücksspielmonopol gerüttelt.

Nicht nur in Deutschland wurden diese Wellenberge gesichtet. So berichtete „die tagesschau“ über die Entscheidung des VGH sowie viele andere Print- und Internetmedien wie z. B. die Berliner Tageszeitung taz, deren Mitarbeiter Mathias Liebing meinen Kollegen Rechtsanwalt Arendts und mich telefonisch interviewte (vgl. www.taz.de/pt/2004/03/06/a0269.nf/text).

Besonders das Ausland hat sein Augenmerk noch schärfer auf die rechtliche Entwicklung auf dem deutschen Glücksspielmarkt gerichtet. Sogar Medien in den U.S.A. berichten hierüber. So zeigte sich das größte US-amerikanische Internet- Magazin „Interactive Gaming News“ (IGN) Interesse an der deutschen Entwicklung und veröffentlichte ein Interview, das der IGN-Redakteur Robert van der Gaast mit uns führte.

Die Reaktionen in Deutschland schwanken zwischen Euphorie und Sturheit.

Während sowohl die „yahoo-news“ als auch die „Webtipp.de-News“ die Nachricht vermeldeten: „Gericht kippt staatliches Wettmonopol in Hessen“ steht der hessiche Innenminister Volker Bouffier (CDU) auf dem Standpunkt, dass er „eine Korrektur der Entscheidung im Hauptsacheverfahren erwarte“ (dieses ist laut Auskunft des Verwaltungsgerichts Kassel vom 11. März 2004 noch nicht anhängig) und zwar vor dem Hintergrund, dass die VGH-Entscheidung „anderen deutschen Gerichtsentscheidungen widersprechen“ würde.

Kaum waren die Worte der Hessischen Richter und der Presse von vielen unternehmungslustigen Wettvermittlern und Buchmachern vernommen, schwappte die Welle zurück zu den Behörden und zwar in Form hunderter „Anträge zur Vermittlung von Wetten“ (v. a. in das Ausland). Schnell breitete sich das Gerücht unter den Wettvermittlern aus, die Ordnungsbehörde müsse jedem Antragsteller nach summarischer Prüfung der Zuverlässigkeit der Antragsteller den formlosen Antrag bestätigen. Mit dieser Bestätigung könnten dann Wetten auch an ausländische Anbieter vermittelt werden.

Die alles entscheidenden Fragen lauten: Ist das Glücksspielmonopol in Hessen tatsächlich gekippt? Handelt es sich bei dem Verhalten der Behörden, derartige „Antragsbestätigungen“ zu verschicken, um eine ähnlich missverständliches und zugleich unglaublich auswirkungsreiches Verhalten wie damals die Worte des DDR– Regierungssprechers Günter Schabowski?

Rückblende: Es war der 9. November 1989. Um 18:57 Uhr DDR-Zeit stellt sich Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros, auf einer internationalen Pressekonferenz den Journalisten und verliest nervös vor laufenden Kameras „von einem Zettel, den mir jemand zugesteckt hat“, wie er später bekennt, einen Beschluss des Ministerrats, den dieser wenige Minuten zuvor gefasst habe: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Ständige Ausreisen können über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD beziehungsweise zu Berlin (West) erfolgen.“ Auf eine Nachfrage erklärt Schabowski, dies trete nach seiner Kenntnis „sofort, unverzüglich“ in Kraft. Diese Nachricht war damals von der DDR-Regierung so nicht autorisiert, verbreitet sich aber blitzartig im ganzen Honecker-Land und führte unweigerlich zum Fall der Mauer bzw. zum Sturz des „Regierungsmonopols“.

Die Antwort auf diese brisante Frage wird die durch die vorherige Schilderung beflügelte Phantasie vieler inländischer Wettvermittler und ausländischer Buchmacher wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Denn: Die Antwort heißt schlicht und ergreifend „Nein“.

Selbst wenn dieses Gerücht stimmen würde (seitens der Ordnungsbehörde Kassel sowie des Hessischen Innenministeriums wurde der oben beschriebene Vorgang mir gegenüber dementiert): Bei „Antragsbestätigungen“ handelt es sich nicht um rechtwirksame behördliche Genehmigungen zu Vermitteln von Sportwetten. In § 1 Abs. 5 des Hessischen Gesetzes über Sportwetten heißt es: „Die vom Land Hessen veranstalteten Sportwetten und Lotterien dürfen nur in den von ihm zugelassenen Annahmestellen gewerbsmäßig vermittelt werden.“ Vom „Land Hessen zugelassene Annahmestellen zur Vermittlung von Sportwetten“ sind nicht Wettvermittlungsstellen, die eröffnet werden, weil die Ordnungsbehörde einen Antrag auf Wettermittlung bestätigt hat. Hierin ist – verwaltungsrechtlich gesehen – nur eine „unverbindliche Mitteilung der Behörde“ zu sehen, die keine Rechtsverbindlichkeit entfaltet. Es liegt damit kein Verwaltungsakt (VA) im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vor, der für den Einzelfall auch Rechtswirkung entfaltet.

Dieser rechtsverbindliche Verwaltungsakt, der den Einzelfall der Erlaubnis von Vermittlung von Wetten ins Ausland regelt, kann – wie bereits in der ersten Ausgabe unseres Newsletters skizziert – nur wie folgt angestrebt werden: Da es in keinem der 16 Bundesländer eine Regelung im Landesrecht über die Zulassung von privaten Wettvermittler (respektive Wettveranstaltern) gibt, bleibt nur der Weg über die Antragstellung auf Genehmigung dieser Tätigkeit bei der jeweiligen Obersten Landesbehörde (Innenministerium) und zwar unter Berufung auf Verfassungsrecht (insbesondere die durch Art. 12 Grundgesetz gewährleistete Berufsfreiheit) und auf Gemeinschaftsrecht (die europavertraglich garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie das Diskriminierungsverbot gegenüber Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten). Um Gehör bei den Innenministerien, ist die europa- und verfassungsrechtliche Problematik des Staatsmonopols fundiert darzulegen.

Der Leiter des Europainstituts der Universität des Saarlandes, Prof. Dr. Thorsten Stein, hat in seinem Aufsatz „Die Entwicklung der europäischen Glücksspielrechtsprechung und
deren Auswirkung auf den deutschen Lotteriemarkt“, erschienen in der Zeitschrift für Europäisches Wirtschaftrecht und Steuerrecht (EWS 2002, 416, 424) diesem Weg durchaus gute Chancen eingeräumt. Er führt hinsichtlich der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus:

„Werden Rechtfertigung und Verhältnismäßigkeit verneint, muss jeder ausländische Anbieter zu im Inland zugelassenen Glücksspielen ebenfalls zugelassen werden. Wenn sie (die Front gegen die Glücksspielmarktöffnung) nachgibt, gelten die Grundfreiheiten und das Diskriminierungsverbot des Gemeinschaftsrechts uneingeschränkt auch für das Glücksspiel, was bedeutet, dass jeder ausländische Anbieter zu einem im Inland zugelassenen Glücksspiel ebenfalls zugelassen werden muss zu den gleichen Bedingungen, auch wenn die nicht im Inland ausgeschütteten Erträge oder Gewinne dann ins Ausland gehen.“

Sobald ausländische Anbieter zuzulassen sind, bedeutet dies faktisch das endgültige Ende des Glücksspielmonopols. Bis zur tatsächlichen Zulassung ausländischer Anbieter werden aber wohl noch einige „Schlachten“ vor Gericht geschlagen werden müssen.

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