Mehr Fragen und Antworten zum Gambelli-Urteil (Teil 2)

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Editorial

Der Deutsche Lotto- und Toto-Block als staatlicher Glücksspielanbieter weitet sein Angebot und die Werbung dafür deutlich aus. Das Angebot soll auch für Wettkunden mit nicht so viel Geld attraktiver werden. So wurde der Mindesteinsatz für Kombiwetten gesenkt.

Dieses Verhalten kann man natürlich nicht mit einer „Einschränkung der Spielsucht“ in Einklang bringen. Insoweit hinkt die Argumentation etwa des Bayerischen Obersten Landesgerichts der Wirklichkeit etwas hinterher.

Rechtlich problematisch ist auch das nicht-marktkonforme Verhalten des Lotto- und Toto-Blocks als öffentliches Unternehmen im Sinne des Art. 86 EG-Vertrag. Der Block nutzt offensichtlich – wie man auch jüngst einem Spiegel-Artikel entnehmen konnte – seine marktbeherrschende Stellung aus, um die Werbung für private Anbieter möglichst zu verhindern. So soll nach Willen des Blocks für private Anbieter keine Bandenwerbung erfolgen. Dieser Versuch einer Aufrechterhaltung einer marktbeherrschenden Stellung verhindert einen unverfälschten Wettbewerb und verstößt aus unserer Sicht klar gegen Art. 86 EG.

Können sich auch Wettkunden auf die Dienstleistungsfreiheit berufen?

Ja, für Kunden gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die sog. passive Dienstleistungsfreiheit. (Potentielle) Kunden sind berechtigt, Dienstleistungen von Buchmachern mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ohne Beschränkungen in Anspruch zu nehmen (vgl. Gambelli-Urteil Rn. 55). § 285 des deutschen StGB ist insoweit wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar.

Welches Ermessen haben Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit bei Sportwetten?

Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshof können „sittliche, religiöse und kulturelle Besonderheiten“ sowie die „sittlich und finanziell schädlichen Folgen“ von Wetten berücksichtigt werden (Gambelli-Urteil Rn. 63). Insoweit haben die Mitgliedstaaten ein „ausreichendes Ermessen“. Dies heißt jedoch nicht, dass die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nach freiem Ermessen eingeschränkt werden dürfte. Vielmehr müssen auf jeden Fall die strengen europarechtlichen Voraussetzungen erfüllt sein (Rn. 64), d. h. die beschränkenden Regelungen müssen insbesondere nichtdiskriminierend, geeignet und verhältnismäßig sein.

Können die deutschen Bundesländer per Staatsvertrag vereinbaren, dass nur deutsche (staatliche) Anbieter zugelassen werden?

Aus europarechtlicher Sicht: ein klares Nein. Diskriminierende, d.h. Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten benachteiligende Regelungen sind niemals gerechtfertigt. Beschränkungen müssen unterschiedslos anwendbar sein, d. h. in gleicher Weise und mit den gleichen Kriterien für in Deutschland ansässige Wirtschaftsteilnehmer wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten (Gambelli-Urteil Rn. 70).

Bedeutet Dienstleistungsfreiheit rechtlich gesehen „Wilder Westen“?

Nein, natürlich nicht. Der Europäische Gerichtshof betont mehrfach, dass insbesondere Regelungen zur Betrugsbekämpfung zulässig sind. Diese Beschränkungen dürfen allerdings nicht über das Erforderliche hinausgehen. Dabei ist zu berücksichtigen, ob ein Buchmacher in seinem Heimatstaat Kontroll- und Sanktionsregelungen unterliegt und dort rechtmäßig gegründet ist (Gambelli-Urteil Rn. 73). Insbesondere hinsichtlich der ausreichend überwachten und an strenge Zulassungsvoraussetzungen unterliegenden österreichischen und englischen Buchmacher dürfte eine Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit alleine mit dem Argument der Betrugsbekämpfung daher nicht zulässig sein.

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