Internet – Gewinnspiele – Grundlegende Änderung der Rechtsprechung

Rechtsanwalt Dr. Martin Bahr

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Bislang war es ständige Rechtsprechung (OLG Hamburg, MMR 2000, 92 – Golden Jackpot 1; MMR 2002, 471 mit Anm. Bahr 2), dass Gewinnspiele (auch Internet-Gewinnspiele) nur dann in Deutschland rechtlich zulässig sind, wenn sie eine deutsche, behördliche Erlaubnis hatten.

Dies hatte u.a. zur Folgen, dass ein Unternehmen, dass auf eine ausländische Webseite linkte, die ihre Wett-Angebote auch in Deutschland anbot, wettbewerbswidrig handelte, da darin ein „Werben“ iSd. § 284 Abs.4 StGB lag.

Nun hat der EuGH (Urt. v. 6 . November 2003 – Az.: C-243/01 – Gambelli)3 eine wegweisende Entscheidung getroffen, die diese Rechtsprechung aller Voraussicht nach in ihr genaues Gegenteil umkehren wird.

Die EuGH-Richter hatten darüber zu entscheiden, ob eine innerstaatliche Regelung, die das Sammeln von Wetten dem Staat oder seinen Konzessionären vorbehält, mit den EU-Grundrechten der Niederlassungsfreiheit und des Freien Warenverkehrs verstößt. Ein solcher Eingriff in die EU-Grundrechte ist nur dann gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung erforderlich ist. D.h. das Hauptziel solcher Beschränkungen muss einen zwingenden sachlichen Grund haben, z.B. die Verminderung und Eindämmung von Glücksspiel. Mit der Erzielung von Glücksspiel – darauf weisen die Richter ausdrücklich darauf hin – können diese Eingriffe hingegen nicht begründet werden. Ein Staat könne sich nicht einerseits auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung berufen, andererseits aber zur Teilnahme an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten aufrufen, um daraus selber Einnahmen zu erzielen.

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass Herr Gambelli und weitere Personen von einem italienischen Strafgericht verurteilt worden waren, widerrechtlich Wetten in Italien organisiert zu haben. Dabei wurden die Wetten in Italien gesammelt und per Internet an ein Londoner Unternehmen übermittelt. Dieses Unternehmen besaß lediglich für den englischen Raum eine Lizenz, jedoch nicht für das Hoheitsgebiet Italiens.

Die italienischen Strafrecht-Normen sind den deutschen Regelungen der §§ 284ff. StGB sehr ähnlich. Insofern kommt der EuGH-Entscheidung auch für den deutschen Rechtsbereich somit eine entscheidende Bedeutung zu.

Nach der bisherigen Rechtsprechung war die Strafbarkeit nicht dadurch entfallen, dass der Betreiber eine ausländische Glücksspiellizenz besaß. Denn gerade den durch das Internet eröffneten Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Glücksspiels sollten durch die Reform der §§ 284 ff. StGB Einhalt geboten werden (so auch schon OLG München NJWE-WettbR 2000, 10 [11]). Der deutsche Gesetzgeber hatte sich damit bislang ausdrücklich eine autonome Regelung für das eigene Staatsgebiet vorbehalten. Somit war bislang vollkommen unerheblich, ob eine ausländische Lizenz vorlag. Entscheidend war alleine, ob eine Lizenz für Deutschland gegeben war.

Ausweislich der Gesetzesbegründung hatte der Gesetzgeber gerade § 284 Abs. 4 StGB geschaffen, um zu verhindern, dass Personen über das Internet für nicht genehmigte Glücksspiele aus dem Ausland werben (BT-Drs. 13/9064, S. 21). Abs. 4 ging auf eine Anregung des Bundesrats zurück (BT-Drs. 13/8587, 67 f.) und sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass infolge der Erweiterung der Telekommunikations-Möglichkeiten der eigentliche Veranstalter i.S.d. Abs. 1 häufig nicht mehr im Inland tätig war und daher strafrechtlich nicht belangt werden konnte.

Auch aus der E-Commerce-Richtlinie ergab sich nichts anderes. Zwar galt danach das Herkunftslandsprinzip, jedoch waren nach § 4 Abs. 4 Nr. 4 EEG Glücksspiele davon ausgenommen.
Ein Verstoß gegen § 284 StGB zog automatisch eine wettbewerbswidrige Handlung i.S.d. § 1 UWG nach sich, da es sich um eine wertbezogene Norm handelte (BGH, U. v. 14.3.2002 – I ZR 279/99).

Nun verändert die Gambelli-Entscheidung die bisherige Rechtsprechung in ihr genaues Gegenteil und wird damit zu einer grundlegenden Veränderung der Internet- Gewinnspiele-Anbieter in Deutschland führen.
Dies hat auch das LG München I in seinem Beschluss v. 27. Oktober 2003 (Az.: 5 Qs 41/2003) erkannt. Die Richter sprachen ihre Entscheidung lediglich in Kenntnis der Schlussanträge im EuGH-Verfahren, erwarteten aber letzten Endes das nun eingetretene Ergebnis.

Die Münchener Richter führen darin aus:

„Eine strafbare Handlung nach § 284 Abs. 1, 3 StGB liegt nicht vor, da die Beschuldigten über eine behördliche Erlaubnis im Sinne der Vorschrift verfügen.
Die Erlaubnis wurde vom Land Oberösterreich (…) erteilt. Sie entfaltet nach Art. 59 Abs. 1 des EG- Vertrags Wirksamkeit für den gesamten Bereich des Gemeinschaftsgebietes der Europäischen Union.“

Und weiter:

“ (…) in der Bundesrepublik Deutschland sind Wetten, auch Sportwetten, nach Maßgabe behördlicher Erlaubnis generell zulässig. Die Wettveranstaltungen werden sogar in allen Medien nachdrücklich beworben, nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass ein Teil der Einnahmen gemeinnützigen Zwecken zufließen. Dem Gesichtspunkt der Bekämpfung bzw. Eindämmung der Spielsucht kommt dabei (…) keinerlei Bedeutung zu.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in Deutschland die Wetten (Lotterie, Sportwetten) mit Ausnahme der Pferdewetten unter staatlicher, nämlich landesrechtlicher Monopolregie stehen. Entscheidend für diese Regelung sind jedoch nicht etwa rechtsethische oder ordnungspolitische Erwägungen, sondern vor allem fiskalische Gesichtspunkte. Im Hinblick auf die in Deutschland geltende Regelung ist es jedenfalls nicht gerechtfertigt, privatrechtlich geführte Wettveranstaltungen unter der Geltung des EU-Rechts an eine besondere deutsche Erlaubnis zu binden, wenn, wie hier, eine österreichische Erlaubnis vorliegt.“

Somit verstoßen die deutschen Normen gegen EU-Recht und sind entsprechend rechtskonform auszulegen.

D.h. nach Ansicht des LG München genügt ab sofort eine ausländische, EU-rechtliche Erlaubnis, um eine Strafbarkeit auszuschließen.

Sollte sich diese Ansicht in der Rechtsprechung durchsetzen – und dies erscheint angesichts des aktuellen EuGH-Urteils wahrscheinlich – dürfte dies zu einer grundlegenden Änderung der Rechtslage in diesem Bereich führen. Auf die weitere Rechtsentwicklung darf man daher außerordentlich gespannt sein.

Mit freundlicher Genehmigung für ISA-CASINOS

Internet-Gewinnspiele: Grundlegende Änderung der Rechtsprechung – Anmerkung zur Gambelli-Entscheidung des EuGH (Urt. V. 06.11.2003 – AZ.: C-243/0)

Dr. Martin Bahr ist Rechtsanwalt in Hamburg mit den Interessenschwerpunkten Recht der Neuen Medien und Gewerbliche Rechtsschutz, http://www.dr-bahr.com

1 OLG Hamburg, Urt. v. 04.11.1999 – Az.: 3 U 274/98 = MMR 2000, 92
2 OLG Hamburg, Urt. v. 10.01.2002 – Az.: 3 U 218/01 = MMR 2002, 471.
Die Anmerkung von RA Dr. Bahr ist unter http://www.dr-bahr.com/download/olg_hamburg_internetgewinnspiel.pdf downloadbar.
3 EuGH, Urt. v. 6 . November 2003 – Az.: C-243/01