Glücksspielstaatsvertrag: Die Ampel aus Brüssel stand auf rot und springt … nicht auf grün!

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Von Dr. Wulf Hambach und Maximilian Riege, Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Nachdem bereits der erste Entwurf eines neuen Glücksspielstaatsvertrages im Sommer des letzten Jahres krachend gescheitert war, ist das kurz zuvor versandte Schreiben der EU Kommission zwar im Wortlaut etwas verbindlicher, in der Sache aber nicht minder deutlich, wenn es um die offensichtlichen europarechtlichen Schwächen des Vertrages geht. Nun steht die deutsche Glücksspielpolitik am Scheideweg.

Allen voran Ministerpräsident Beck hätte sich sicherlich eine andere Antwort aus Brüssel gewünscht – hatten doch seine konservativen Ministerpräsidenten-Kollegen bei der Unterzeichnung des neuen Glücksspielstaatsvertrag-Entwurfs (auch „E-15“ genannt) Mitte Dezember letzten Jahres eine hohe Hürde eingebaut, die vom Konstrukt „Glücksspielstaatsvertrag“ bisher immer gerissen wurde: Die Zuleitung des E-15 wurde von einer „abschließenden positiven Stellungnahme der EU Kommission“ abhängig gemacht. Entsprechend groß war der Druck, den E15-Vertreter während ihrer zahlreichen Besuche in Brüssel auf die EU Kommission, ausgeübt haben. Doch die EU-Kommission hat sich nicht beeindrucken lassen:

„Auf der Grundlage der von den deutschen Behörden zur Verfügung gestellten Informationen sind die Dienste der Kommission noch nicht in der Lage, das Ausmaß der identifizierten Probleme bzw. die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme zu bewerten.”

Wie ein roter Faden zieht sich der Vorwurf der mangelnden wissenschaftlichen Grundlage für die Glücksspielregulierung durch das Kommissionsschreiben. An etlichen Stellen kritisiert die Kommission, dass die Annahmen der 15 Bundesländer nicht überprüft werden können, weil wissenschaftliche Erhebungen für vermeintlich bestehende Risiken oder wirtschaftliche Erwägungen fehlen.

Dabei fordert auch der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass ein Mitgliedsstaat alle Umstände vorlegen muss, wenn er eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs in der EU durch eine restriktive nationale Maßnahme rechtfertigen will. Denn nur so ist eine Einschätzung möglich, ob die getroffenen Maßnahmen tatsächlich dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (EuGH C-316/07, Rs. Markus Stoß und andere, Rn. 71).

Nichts dazu gelernt?

Es scheint, als hätten die 15 Ministerpräsidenten und ihre Glücksspielreferenten aus dem blauen Brief der Kommission vom Sommer letzten Jahres nichts Entscheidendes gelernt. Schon damals wurde die unterschiedliche Behandlung von Sportwetten und Online- Casinospielen sowie Poker, die willkürliche Begrenzung auf sieben Sportwetten-Lizenzen und die prohibitive Besteuerung von Glücksspielanbietern bemängelt.

An dem Verbot von Online-Casinospielen und Online-Poker hat sich aber auch beim zweiten Versuch einer neuen Glücksspielregulierung nichts geändert. Anstelle von sieben Sportwetten-Lizenzen sollen nunmehr zwar 20 vergeben werden – bereits der 21. Interessent würde aber mit seinem Wettlizenzantrag im Regen stehen bleiben und gegenüber den anderen 20 diskriminiert werden.

Dies stellt übrigens nicht nur einen Verstoß gegen die europäischen Grundfreiheiten dar, sondern ist auch nach deutschem Verfassungsrecht als nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz zu werten, wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Papier erst kürzlich in einem Gutachten zum neuen GlüStV festgestellt hat. Gleiches gilt übrigens für die vorgesehene Abgabenlast.

Zudem stellt die nicht begründete Ungleichbehandlung von Glücksspielen mit ähnlichem Suchtpotential, wie etwa Online-Sportwetten und Online-Poker einen Verstoß gegen den Grundsatz einer konsistenten und kohärenten Glücksspielregulierung dar.

Entsprechend kritisiert die EU Kommission vor allem am E-15, dass die Hauptaufgabe eines Gesetzgebers – nämlich Belege und Daten zu liefern für die Rechtfertigung von Verboten – nicht erfüllt wurde. Ein gebetsmühlenartig und ohne Beweise vorgetragenes Suchtargument reicht weder zur Rechtfertigung des Lottomonopols noch zur Rechtfertigung des Online Casino- und Pokerverbotes aus. Wenn man auf der Suche nach den richtigen gesetzlichen Antworten keine Belege für den einzuschlagen Weg findet, muss der Schritt in eine andere Richtung gemacht werden – z. B. gen Norden.

Vorbild Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein kann sich im Vergleich zu E-15 sehr wohl auf „Daten und Belege“ berufen, weshalb die Antwort aus Brüssel vor einem Jahr zu ihrem Entwurf so knapp wie abschließend positiv ausfiel. Beispiel: Eine Ungleichbehandlung der Online-Sportwetten gegenüber dem Online Poker kann nicht mit den „Suchtargument“ gerechtfertigt werden, weshalb die Spiele und die Spiele-Anbieter gleich behandelt werden müssen. Eine wissenschaftlichen Studie des Bonner Forschungsinstituts für Glücksspiel und Wetten im Auftrag der TÜV Trust IT GmbH aus dem Jahr 2011 schlussfolgert: Online-Poker hat keinen höheren Suchtfaktor als die Online-Sportwette.

Aufgrund dieses wissenschaftlichen Beleges ist es aus Sicht des schleswig-holsteinischen CDU-Wirtschaftspolitikers Hans-Jörn Arp unverständlich, warum „die Vertreter der übrigen 15 Bundesländer – die die Zulassung der Online-Sportwette befürwortet, gleichzeitig aber das Verbot von Online-Poker aus Gründen der Suchtprävention propagieren. Dies ist logisch nicht erklärbar und hat wohl eher ideologische Gründe“

(Quelle: Forschungsinstitut für Glücksspiel und Wetten und Die freie Welt)

Eine Position, die die anderen 15 deutschen Bundesländer vielleicht nochmal überdenken sollten. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. So ließ der niedersächsische Wirtschaftsminister Bode gestern unmittelbar nach der Stellungnahme der Kommission verlauten: „Der Vertrag ist in der jetzigen Form gescheitert“.

Bode wird bestätigt durch die Antwort auf eine Anfrage des NDR bei der EU-Kommission. In dem Antwortschreiben der Kommission ist kein „grünes Licht“ zu sehen. Wie geht es weiter? Ein Beitritt zum schleswig-holsteinischen Regulierungsmodell ist jederzeit möglich. Die Fraktionsvorsitzenden der CDU und FDP im Kieler Landtag, Arp und Kubicki, haben immer deutlich gemacht, dass für die anderen Bundesländer die Tür weiterhin offenstehe, um sich dem S-H-Modell anzuschließen. Der Rechtssicherheit in Deutschland im Bereich des Glücksspiels wäre es dienlich.