Zur Anwendbarkeit des § 284 StGB seit Geltung des Glücksspielstaatsvertrages

Rechtsanwalt Ralf Bender
Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht
Bender & Menken Rechtsanwälte
Mülheimer Str. 206
D - 47057 Duisburg
Seit Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 01.01.2008 sind immer wieder Versuche einiger Ermittlungsbehörden und Gerichte zu beobachten, eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB im Falle des Veranstaltens oder Vermittelns von Sportwetten in Deutschland zu begründen.
Während beispielsweise die Staatsanwaltschaft Baden-Baden in einem Einstellungsbeschluss vom 14.09.2010 (abrufbar unter www.vewu.com) von einer fehlenden Strafbarkeit infolge der bekannten EuGH-Rechtsprechung ausgeht, hält die Staatsanwaltschaft Essen § 284 StGB derzeit für anwendbar, was zu einem umfangreichen gegenwärtigen Prozess gegen 12 Angeklagte vor dem Landgericht Essen geführt hat. Weitere Ermittlungsverfahren gegen Betreiber von Sportwettenannahmestellen sind eingeleitet worden. Der Unterzeichner als Mitverteidiger des Hauptangeklagten in oben genanntem Verfahren vor dem Landgericht Essen nimmt dies zum Anlass, eine kurze Zusammenfassung des derzeitigen Meinungsstandes und der eigenen Schlussfolgerungen abzugeben.

Eine Strafbarkeit gem. § 284 StGB scheidet aus Rechtsgründen, unabhängig von der Frage, ob Sportwetten angeboten, vermittelt oder veranstaltet werden, aus.

Rechtslage bis 31.12.2008
Auch nach der Einführung des Glückspielstaatsvertrages zum 01.01.2008 ist jedenfalls für die weitere Übergangszeit im Sinne des § 25 Abs. 1, Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag (31.12.2008) obergerichtlich festgestellt, dass für den Glücksspielstaatsvertrag ein normativ begründetes Vollzugsdefizit bestand, welches einer strafrechtlichen Ahndung entgegen steht (KG Berlin, Urteil vom 23.07.2009 (1 Ss 541/08), ZfWG 2010, S. 94 ff)
Das Kammergericht stellt unter 1. c) wie folgt fest:

„Ob der Angeklagte im Sinne des § 284 Abs. 1 StGB auch „ohne behördliche Erlaubnis“ gehandelt hat,….., kann dahinstehen. Auch bei vollständiger Verwirklichung des objektiven und subjektiven Tatbestandes, verstieße die strafrechtliche Sanktionierung der abgeurteilten Tat jedenfalls gegen Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht. Ohne eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage kommt aber eine strafrechtliche Sanktion nach§ 284 StGB nicht in Betracht.“

Unter 2.) führt das Kammergericht für das Jahr 2008 wie folgt aus:

„Denn auch für den Fall, dass der Beklagte das Wettbüro auch im Jahr 2008 betrieben hat, kommt eine Bestrafung weiterhin nicht in Betracht……, denn der Glücksspielstaatsvertrag und das Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag wiesen jedenfalls bis zum Ablauf der Übergangsfristen….. Vollzugsdefizite auf. Diese waren normativ angelegt. Damit fehlt es auch für durch den Angeklagten im Jahre 2008 gegebenenfalls noch begangene Teilakte an der verfassungsrechtlichen Grundlage für eine strafrechtliche Sanktion.“

Folgerichtig stellt das Kammergericht daher auch fest, dass

„für beide Zeiträume ……. eine Bestrafung des Angeklagten aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist.“

Rechtslage ab 01.01.2009 Die Rechtslage ist nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in den verbundenen Rechtssachen Markus Stoß u.a. (C 316/07, C 358/07 – C 360/07, C 409/07 und C 410/07 vom 08.09.2010) vom 08.09.2010 nach diesseitiger Einschätzung unverändert.
Der EuGH hat festgestellt, dass das in Deutschland bestehende staatliche Monopol auf die Veranstaltung von Sportwetten in seiner derzeitigen Ausprägung nicht geeignet sei, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Zieles der Spielsuchtbekämpfung zu verfolgen. Damit fehle dem staatlichen Monopol die Grundvoraussetzung für die Beschränkung der Dienst- und Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 43 und 49 EG, da das für diese Beschränkung erforderliche überragende Allgemeinwohlinteresse, eben die Spielsuchtbekämpfung, nicht nachhaltig verfolgt werde.
Somit ist auch hier ein Vollzugsdefizit festgestellt worden. Wenn sich der Staat zur Begründung eines Verbotes jedoch auf eine Verwaltungsnorm beziehen will, muss diese wirksam und anwendbar sein. So stellt der EuGH zur strafrechtlichen Konsequenz unter Rdn-Nr.: 115 des oben genannten Urteils wie folgt klar:

„Angesichts der in Rdn-Nr.: 19 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Angaben des Verwaltungsgerichts Gießen ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Mitgliedstaat nach ständiger Rechtsprechung keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nichterfüllten Verwaltungsmodalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat.“

Im Ergebnis scheidet damit eine Strafbarkeit gemäß § 284 StGB bis zum heutigen Tage und auch darüber hinaus aus. Hieran ändert auch der Beschluss des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 15.11.2010 (4 B 733/10) nichts. Das OVG Münster hat ausweislich der Entscheidungsgründe vorübergehend eine weitere Anwendung der Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrages für zulässig gehalten, weil das zuständige Bundesministerium an einem Entwurf zur Überarbeitung der Spieleverordnung unter Berücksichtigung der begleitenden, noch unveröffentlichten Ergebnisse einer weiteren Evaluationsstudie arbeite. Im Ergebnis nimmt das OVG Münster in der oben genannten Entscheidung zur Beurteilung der aktuellen Rechtslage gesetzgeberische Vorhaben und Maßnahmen (so sie denn tatsächlich durchgeführt werden sollten) vorweg, um wiederum, wie bereits innerhalb des dem sogenannten Winner-Wetten-Urteil zugrundeliegenden Sachverhaltes, das durch den EuGH eindeutig bestätigte Prinzip des Anwendungsvorranges europäischen Rechts zu umgehen. Denn jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht ist verpflichtet, dem Europarecht zuwiderlaufende Bestimmungen des nationalen Rechts unmittelbar und sofort nicht weiter anzuwenden (EuGH Urteil in der Rechtssache „Winner-Wetten-GmbH“ vom 08.09.2010, C 409/06).
Vor diesem Hintergrund können zukünftige – mögliche – Rechtsentwicklungen nicht in den Blick genommen werden.
Dies bedeutet, dass die das Monopol begründenden Vorschrift des § 10, Abs. 5 Glücksspielstaatsvertrag derzeit nicht angewendet werden darf. Es bedeutet weiterhin, dass das Fehlen einer Erlaubnis aus Gründen des Monopols weder dem Veranstalter, noch dem Vermittler entgegen gehalten werden kann, wie VG Mainz (Beschluss vom 09.11.2010, 6 L 1089/10. MZ) zutreffend feststellt.
Die nunmehr ergehenden und die Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung bestätigenden verwaltungsgerichtlichen Urteile setzen sich im Detail mit der Frage des Erlaubnisvorbehalts auseinander. Eine fehlende Erlaubnis kann jedenfalls dann nicht zur Begründung einer Untersagungsverfügung herangezogen werden, wenn für den betreffenden Antragssteller faktisch nicht die Möglichkeit besteht, eine derartige Erlaubnis zu erlangen, und wenn dies im Widerspruch zu höherrangigem Recht steht, wie das OVG Lüneburg (OVG Lüneburg, Beschluss vom 08.07.2008, 11 M C 71/08) schon vor längerem festgestellt hat. Bis zu den Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 bestand eine solche Möglichkeit der Durchführung eines geordneten Verwaltungsverfahrens, insbesondere in Nordrhein-Westfalen, nach diesseitiger Kenntnis jedoch auch in allen anderen Bundesländern, gerichtet auf die Erlangung einer Erlaubnis, rechtlich wie faktisch, nicht.
Vor diesem Hintergrund gilt nach wie vor die bereits mehrfach zitierte Fundstelle des EuGH aus der Rechtssache Markus Stoß u.a., nach welcher jedenfalls eine Strafbarkeit ausscheiden muss, da diese auf die Verletzung einer Verwaltungsnorm beruht, deren ordnungsgemäße Erfüllung der Staat selbst vereitelt. Die zur Begründung der Strafbarkeit zwingend erforderliche Verletzung der Verwaltungsnorm, die zur Begründung der Strafnorm aufgrund der Verwaltungsakzessorietät unerlässlich ist, liegt nicht vor. Insofern ist auch die Entscheidung des OVG Münster vom 15.11.2010 nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung zu begründen, so auch VG Trier, Beschluss vom 29.10.2010, 1 L 1230/10 TR und VG Köln, 1 K 3293/07.
Insbesondere in der letztgenannten Entscheidung hob das Gericht deutlich hervor, dass die unmittelbar vorhergehende Eilentscheidung des OVG Münster für die Kammer des VG Köln jedenfalls nicht nachvollziehbar sei. Beide Entscheidungen sind in Kenntnis der Rechtsprechung des OVG Münster vom 15.11.2010, 4 B 733/10, ergangen, die Rechtsauffassung des OVG Münster wird von diesen Gerichten zutreffend nicht geteilt. Das VG Köln hat im Anschluss an die mehrfach zitieren Entscheidungen des EuGH vom 08.09.2010 ausdrücklich die bestehende Inkohärenz der Regelungen auf dem Glücksspielmarkt bestätigt (S. 19 des Urteils). Es hat gleichzeitig zutreffend nachfolgende Rechtsansicht vertreten (S. 20/21 des Urteils):

„Ebenso wird vom bindenden Inhalt (Hervorhebung diesseits) der EuGH-Rechtsprechung abgewichen, wenn das OVG NRW in seiner jüngsten Entscheidung auf eine „expansive Tendenz“, „bewusste und zielgerichtete Expansionsstrategie“, von vorneherein bestehende „Absicht zur Ausweitung der Spielgelegenheit“ abstellt und den Spielraum des nationalen Gesetz- und Verordnungsgebers erst dann verletzt sieht, wenn trotz „belegter Ungeeignetheit“ normative Korrekturen ausbleiben bzw. keine „angemessen zeitnahe“ Reaktion erfolgt.“

Es besteht daher nach dem sog. Winner-Wetten Urteil (C-409/06) des EuGH gerade nicht die Möglichkeit, bei Vorliegen der festgestellten Europarechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrages für eine Übergangszeit bis zur ev. Umsetzung gesetzgeberischer Ziele, wie das OVG Münster meint, eine solche gemeinschaftswidrige nationale Regelung weiter anzuwenden. Folgerichtig und konsequent schlussfolgert das VG Köln daher auch auf Seite 22 des Urteils:

„Da nach alledem die im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden materiellen Regelungen über das staatliche Sportwettenmonopol unanwendbar sind, wirkt sich dies gleichermaßen auf das formelle Erfordernis der Erlaubnispflicht (Hervorhebung diesseits) nach § 1 Abs. 1, S. 1 und § 2 SportwettenG NRW aus.“

Damit ist aufgrund der Verwaltungsakzessorietät des § 284 StGB der Anwendung der Strafnorm der Boden entzogen. Die Norm des § 284 StGB setzt tatbestandlich die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels ohne behördliche Genehmigung voraus; eine solche behördliche Genehmigung zu erlangen hat der Staat jedoch für Private in gemeinschaftswidriger Weise durch den Glücksspielstaatsvertrag vereitelt. Das VG Stuttgart ( Urteil vom 15.12.2010, 4 K 3645/10) setzt sich im Detail mit der nunmehr notgedrungen ins Felde geführten Rechtsauffassung einiger Ordnungsbehörden auseinander, nach welcher auch im Falle einer Unionsrechtswidrigkeit des Monopols jedenfalls von einem Erlaubnisvorbehalt auszugehen sei. Dem erteilt das Gericht unter Hinweis auf das Carmen-Media-Urteil des EuGH vom 08.09.2010 ( ZfWG 2010, 344) eine klare Absage. Zur Frage der Strafbarkeit führt das VG Stuttgart unter Rn. 39 des Urteils wie folgt aus:

„Die Untersagungsverfügung kann schließlich auch nicht wegen des vom Beklagten behaupteten Verstoßes gegen § 284 StGB aufrechterhalten werden. Weder eine Auslegung als polizeirechtliche Ordnungsverfügung (§§ 1, 3 PolG) noch eine Umdeutung (§ 47 LVwVfG) in eine solche ist möglich. Denn gegenwärtig könnte eine polizeirechtliche Ordnungsverfügung nicht erlassen werden. Dass hierbei erhebliche Probleme der sachlichen Zuständigkeit und des Nachschiebens bzw. des Austausches von Ermessenserwägungen aufträten, bedarf keiner Vertiefung, weil es jedenfalls schon an den tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten fehlt. Ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit mit Blick auf § 284 StGB liegt nämlich nicht vor. Zwar stellt diese Vorschrift das Veranstalten von öffentlichem Glücksspiel oder die Bereitstellung von Einrichtungen hierzu ohne behördliche Erlaubnis unter Strafe. Ein Strafrechtsverstoß kommt aber dennoch nicht in Betracht. Dabei kann offen bleiben, ob § 284 StGB derzeit überhaupt verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Denn auch wenn man dies annimmt, kann die Vorschrift nach Sinn und Zweck und bei unionsrechtskonformer Auslegung keine Grundlage für ein polizeirechtliches Einschreiten darstellen, wenn – wie hier (siehe die Ausführungen zu 1. und 2.) – staatliche Vorschriften eine rechtliche Möglichkeit zur Erteilung einer Genehmigung im Bereich der Sportwetten für Private nicht vorsehen und ein staatliches Monopol dort konkret jedenfalls derzeit nicht gerechtfertigt ist. Unter diesen Umständen fehlt es jedenfalls an einer Strafbarkeit (vgl. VG Hamburg, a.a.O., Rn. 135 unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 16.08.2007 – 4 StR 62/07 – NJW 2007, 3078) (Hervorhebung diesseits). Andernfalls würde über den Weg des Strafrechts ermöglicht, eine unionsrechtswidrig in Grundrechte (Art. 12 GG) und Grundfreiheiten (Art. 49 bzw. 56 AEUV) eingreifende Monopolstruktur vorläufig aufrechtzuerhalten; in seinem Urteil vom 08.09.2010 (Winner Wetten C- 409/06, Rn. 62-69, GewArch 2010, 442 = NVwZ 2010, 1419) hat der Europäische Gerichtshof aber gerade ausgeschlossen, dass für eine Übergangszeit unionsrechtswidrige Zustände akzeptiert werden dürfen.“

Zwischenzeitlich liegen eine ganze Reihe weiterer verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen vor, die den Erlaubnisvorbehalt als nicht durchgreifend erachtet haben. Zu beachten ist insbesondere weiterhin die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.11.2010 (AZ.: 8 C 14.09 und 8 C 15.09). Den Entscheidungen des BVerwG vom 24.11.2010 ist jedenfalls zu entnehmen, dass zur Beurteilung der europarechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols, auch soweit es nur einen sog. „Sektor“ des Glückspiels wie z.B. Sportwetten betrifft, sich die erforderliche Kohärenzprüfung auf den gesamten Glückspielbereich zu erstrecken hat. Die Regelungen und (vor allem tatsächlichen) Handhabungen und Ausgestaltungen der übrigen, nicht dem Monopol unterliegenden Glückspielsektoren, z.B. Pferdewetten oder Geldspielgeräte, dürfen dem Zweck des Glückspielstaatsvertrages und dem zu dessen Durchsetzung festgelegten Monopol nicht zuwiderlaufen. Das Bundesverwaltungsgericht stellt insoweit fest:

„In den Blick zu nehmen ist dabei nicht allein die rechtliche Ausgestaltung, sondern auch die tatsächliche Handhabung. Das Ziel der Begrenzung der Wetttätigkeit darf weder konterkariert noch dürfen ihm entgegenlaufenden Ausgestaltungen in den anderen Glückspielbereichen geduldet werden.“

Das Bundesverwaltungsgericht verlangt insoweit Feststellungen zu der Frage, ob andere, nicht dem Glückspielstaatsvertrag unterliegende Glücksspielsektoren auch tatsächlich Restriktionen erfahren, die der Suchprävention als Primärzweck des Glückspielstaatsvertrages dienen. Damit setzt das BVerwG die Vorgaben des EuGH aus der Rechtsprechung vom 08.09.2010 um.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt, ausdrücklich für die Rechtslage ab dem 01.01.2008, unter Rn. 60 des Urteils 8 C 15.09 vom 24.11.2010 wie folgt fest:

„Der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an private Wettanbieter – auch – in anderen Mitgliedsstaaten stellen eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung (Hervorhebung diesseits) der Dienstleistungsfreiheit dar.“

Die Frage der Rechtfertigung der Beschränkung ist unionsrechtlich anhand von vier durch das BVerwG aufgestellten Voraussetzungen zu prüfen, wie sich aus den Rn. 61 ff. der Entscheidung ergibt. So müssen die staatlichen Maßnahmen mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, aus Gründen öffentlicher Gewalt oder Ordnung, oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten; ferner dürfen sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist. Die Eignung der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch das staatliche Monopol kann nur angenommen werden, wenn sie auf die Bekämpfung der Spielsucht und den Spielerschutz als zwingende Gründe des Allgemeininteresses gestützt wird, ebenso wie ihre Anwendung in der Praxis geeignet sein muss, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Spielsucht beiträgt.
Ohne positive Beantwortung der für das Monopol wesentlichen Prämisse der kohärenten und systematischen Begrenzung der Wetttätigkeit kann eine europarechtlich unbedenkliche Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht stattfinden. Hierzu ist der gesamte Glückspielmarkt wie auch das Werbeverhalten des Monopolisten in den Blick zu nehmen.
Dies hat der BayVGH in dem der zitierten Entscheidung des BVerwG zugrundeliegenden Urteil nicht getan, weshalb seine Entscheidung aufgehoben wurde.
Eine Überprüfung der sog. Kohärenzfrage führt jedoch gerade zu der Erkenntnis, dass das angestrebte Ziel der Suchtbekämpfung nicht kohärent und systematisch im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG verfolgt wird.
Der EuGH hat dies auf Grundlage der Feststellungen des VG Gießen in dem vorgenanntem Urteil C- 316/07 (Markus Stoß u.a.) eindeutig festgestellt. Zwischenzeitlich hat auch das VG Minden in einem Urteil vom 01.02.2011 (1 K 2346/07) die Inkohärenz insbesondere der tatsächlichen Ausgestaltung des gesamten Glückspielmarktes umfänglich anhand von zahlreichen Beispielen aus den Bereichen der Automatenspiele und der Spieleverordnung auf den Seiten 12 bis 17, also über fünf Seiten der Urteilsbegründung festgestellt. Es hat nochmals die Auffassung bestätigt, dass eine formale Bezugnahme auf das Merkmal der „Erlaubnis“ als Argumentation nicht tragfähig sei. Wegen des staatlichen Monopols könnten Private keine Erlaubnis erhalten. Da das Monopol aber mit Unionsrecht unvereinbar sei, müssten alle das Monopol betreffenden Regelungen, so auch der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV, unangewendet bleiben. Dementsprechend kann das Fehlen einer Erlaubnis nicht entgegengehalten werden, VG Minden, Urteil vom 01.02.2011, 1 K 2346/07.
Dies schlägt auf die Strafrechtsnorm des § 284 StGB durch, was zu deren Unanwendbarkeit bis zum heutigen Tage führt.