Reform des Online-Glücksspielrechts in den Niederlanden?

Ein Artikel von den Rechtsanwälten Justin Franssen und Frank Tolboom, VMW Taxand Gaming Practise Group

Einleitung

Die Rechtsgrundlage der niederländischen Glücksspielregelungen findet sich im Niederländischen Wett- und Glücksspielgesetz von 1964 (nachfolgend: “Glücksspielgesetz”). Das Glücksspielgesetz verbietet das Anbieten von Glücksspielen bzw. die Werbung für Glücksspiele ohne Genehmigung. Das Glücksspielgesetz enthält eine Aufzählung der Spiele, für die eine Genehmigung erteilt werden kann. Die einzigen verfügbaren Genehmigungen sind die im Gesetz ausdrücklich genannten; Online-Spiellizenzen sind gegenwärtig nicht enthalten. Das bedeutet, dass gegenwärtig in den Niederlanden jede Art von Online-Glücksspiel verboten ist.

I. Reform des Online-Glücksspielrechts?

Angesichts der Entwicklung in Richtung einer Liberalisierung in anderen europäischen Ländern wie Dänemark, Frankreich, Belgien, Spanien und Italien sind wir der Ansicht, dass diese Veränderungen im Ausland wahrscheinlich den Prozess in unserem Land ebenfalls beeinflussen werden. Zudem erhöhen die folgenden Entwicklungen die Machbarkeit einer Reform des gegenwärtigen Online-Glücksspielrechts.

1. Rechtliche Entwicklungen:

  • 3. Juni 2010: EuGH-Urteil in den Fällen Betfair und Ladbrokes

In beiden Fällen ging es um die Vereinbarkeit des niederländischen Glücksspielrechts mit den Kernprinzipien des EU-Rechts. Obwohl der EuGH seine Ablehnung des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung wiederholte, hat der Fall Betfair ein neues Schlachtfeld zwischen Betreibern und Monopolisten in Europa eröffnet. Es wird nicht nur die Rechtmäßigkeit eines Monopolsystems in Frage gestellt, sondern die Diskussion hat sich vielmehr dahin verschoben, wie und wem ein Monopol gewährt wird. Der EuGH hat eindeutig erklärt, dass das Transparenzprinzip auf das Verfahren zur Vergabe von Glücksspiellizenzen in einem System gilt, in dem nur eine einzige Lizenz vergeben wird, was im Wesentlichen bedeutet, dass das Verfahren zur Lizenzvergabe dem Wettbewerb offenstehen muss. In Rz. 59 hat das Gericht jedoch eine viel diskutierte Ausnahme vom Transparenzprinzip geregelt: Auf die Verpflichtung eines Mitgliedsstaates, eine einzelne private Betreiberlizenz durch ein transparentes öffentliches Ausschreibungsverfahren anzubieten oder zu erneuern, kann verzichtet werden, wenn die Regierung die Aktivitäten dieses privaten Betreibers einem strengen Kontrollverfahren unterwirft.

  • 2. Juli 2010: Urteil eines niederländischen Gerichts: “Poker ist ein Geschicklichkeitsspiel”

Am 2. Juli 2010 hat das Bezirksgericht in Den Haag entschieden, dass Poker nicht als Glücksspiel eingeordnet werden kann, und hat daher den Betreiber eines Offline-Pokerturniers freigesprochen, dem ein Verstoß gegen das Niederländische Wett- und Glücksspielgesetz vorgeworfen worden war. Das Gericht argumentiert ausführlich, warum Poker nicht als Glücksspiel einzuordnen ist. Dieses Urteil widerspricht einem im Jahr 1998 ergangenen Urteil des Obersten Gerichtshofs, und das Bezirksgericht stellte zudem fest, dass die in dieser Entscheidung verwendeten Beweise wissenschaftlich unzureichend waren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat.

2. Politische Entwicklungen:

  • August 2010: Bericht der Beratungskommission Jansen über die zukünftige Gestaltung des Online-Glücksspielrechts

Die Kommission wurde gebildet, um den (aus dem Amt scheidenden) Justizminister hinsichtlich der Regelung von Online-Glücksspielen mit Blick auf mögliche künftige Regelungen zu beraten. Die Beratungskommission empfiehlt eine Regelung des niederländischen Online-Glücksspielsektors nur für Online-Poker. Neue Regulierungen müssen durch finanzielle, ISP und medienblockierende Maßnahmen flankiert sein. Als Reaktion auf den Bericht hat die große linke Labour Partei bereits angekündigt, neue Vorschläge vorlegen zu wollen, die auf eine Reform der gesamten niederländischen Glücksspielpolitik gerichtet sind, nicht nur auf Internet-Poker.

  • September/Oktober 2010: neue niederländische Regierung

Die wichtigste Entwicklung ist die Bildung einer neuen rechten Minderheitsregierung in den Niederlanden, bestehend aus der VDD (Liberale) und der CDA (Christdemokraten), gestützt durch die PVV von Geert Wilders (Freiheitspartei). Durch die neue Regierung erhöht sich die Machbarkeit eines regulierten (online) Glücksspielsektors. Die neue Regierung scheint zu planen, ab 2012 ein Lizenzsystem für Online-Glücksspiele einzuführen. Im Rahmen der finanzpolitischen Bestimmungen in der neuen Koalitionsvereinbarung heißt es wörtlich:

„Einführung einer Lizenzgebühr für (oder Versteigerung von) Lizenzen für die Verwertung von Internet-Glücksspielen und Lotterien”.

II. Zukünftiger Regelungsbereich

Es ist klar, dass das gegenwärtige Verbot aller Arten von Online-Glücksspiel wahrscheinlich aufgegeben wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein Lizenzsystem mit einer Vielzahl von Lizenzen für Online-Spiele eingeführt werden wird. Der genaue Regelungsbereich ist aber noch unklar. Die finanzpolitischen Bestimmungen der Koalitionsvereinbarung deuten zumindest darauf hin, dass die neue Regierung plant, dem „Nur-Poker“-Ansatz der Beratungskommission Jansen nicht zu folgen, da dort von Internet-Spielen im Allgemeinen die Rede ist und auch Lotterien mit einbezogen werden. Allerdings enthalten weder der Bericht der Beratungskommission noch die Koalitionsvereinbarung weitere Details (wie z.B. zu steuerlichen Fragen, zur grenzüberschreitenden Liquidität, physischen Präsenz, Serverstandort, etc.).

Quelle: TIME LAW NEWS 5/2010 (www.timelaw.de) Hambach & Hambach Rechtsanwälte