Bundesverwaltungsgericht: Wackelpartie beim Sportwettenmonopol?

Rechtsanwalt Dr. Martin Pagenkopf, Richter am BVerwG a. D.

LLR Legerlotz Laschet Rechtsanwälte
Mevissenstraße 15
D - 50668 Köln
(Urteile des Bundesverwaltungsgerichts am 24. November 2010 – 8 C 13.09, 8 C 14.09, 8 C 15.09)

Eine Einschätzung von Rechtsanwalt Dr. Martin Pagenkopf, Richter am Bundesverwaltungsgericht a. D.

Leipzig – Das Bundesverwaltungsgericht hat am 24. November 2010 als oberste Instanz der Verwaltungsgerichte zwei richtungweisende Urteile zur Frage der Zulässigkeit privater Sportwetten gesprochen. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung ein staatliches Monopol für Sportwetten nur dann für zulässig erachtet, wenn der Staat die Suchtgefahren auf sämtlichen Glücksspielsektoren konsistent bekämpft. Da dies zu klären ist, hat das Bundesverwaltungsgericht die Verfahren an die Instanzgerichte zurückverwiesen.

Diese Rechtsprechung kann im Extremfall dazu führen, dass jedermann ohne Genehmigung Sportwetten veranstalten darf. Wird der Staat der Aufgabe der Suchtbekämpfung nämlich weder theoretisch noch praktisch gerecht, dann ist es ihm verwehrt, mit einschränkenden Vorschriften den Markt regulieren zu dürfen. Übertriebene Werbung für seine eigenen staatlich organisierten Spiele beispielsweise seien ein Indiz dafür, dass der Staat in diesem Bereich genau das Gegenteil dessen mache, was er mit der Regulierung an Spielsuchtbekämpfung erreichen wolle.

Damit ist der Blick in die Zukunft zu richten: Eine vollständige Freigabe können die Bundesländer nur abwenden, wenn Sie die Praxis des Glücksspiels in staatlicher Monopolregie entweder tiefgreifend und schnell ändern oder aber den Markt insgesamt regulieren und dabei auf ihr Monopol verzichten.

Die Bundesländer müssen daher im Hinblick auf das Ende des Glücksspielstaatsvertrages am 31. Dezember 2011 entscheiden, inwieweit sie am bisherigen System der Alleinveranstaltung von Lotterien und Sportwetten durch staatliche Institutionen festhalten oder den Markt durch Einführung von Konzessionsmodellen, also der Zulassung von privaten Betreibern von Sportwetten, öffnen wollen.

Eine besondere Rolle spielen drei Momente: die Bekämpfung der Spielsucht und die Missbrauchsgefahr bei insbesondere Sportwetten. Schließlich werde der Staat eine effektive Kontrolle privater Glücksspielbetreiber organisieren müssen.

Für die Neuregelung des Glückspielsektors unter Einschluss aller Glückspielarten ist ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes legislatives und administratives Instrumentarium und Verhalten notwendig. Der Europäische Gerichtshof fordert in diesem Zusammenhang Kohärenz und Systematik. Während die Länder aber für das Lotteriewesen, Sportwetten und Spielcasinos zuständig sind, hat der Bund die Regelungskompetenz für die Spiel- und die Gewerbeordnung und damit für die gewerblichen Geldspielautomaten.

In den entschiedenen Fällen wurden Sportwetten in Geschäftslokalen in Deutschland vermittelt. Dort wurden die Sportwetten von Wettunternehmen angeboten, die in anderen EU-Staaten ordnungsgemäß konzessioniert sind, aber keine Genehmigung einer deutschen Behörde vorweisen konnten. Die Verwaltungsbehörden haben den Klägern die Vermittlung von Sportwetten untersagt. Die Vorinstanzen haben das für rechtmäßig erklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem nun widersprochen und die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und zurückverwiesen.

Nach den kürzlich ergangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) war eine große Verunsicherung eingetreten. Der EuGH hatte das deutsche Glücksspielmonopol unter bestimmten Voraussetzungen für unvereinbar mit dem Europarecht erklärt. Nach diesem Urteil hatten sich die staatlichen Glücksspielanbieter ebenso als Gewinner gesehen, wie die privaten Wettunternehmen. Die deutschen Instanzgerichte waren sich in der Anwendung der EuGH-Urteile nicht einig.

Diese Verunsicherung wird mit den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts nur begrenzt behoben. Das Gericht hat nicht abschließend entscheiden, ob die ausgesprochenen Verbote von den Regelungen des Glückspielstaatsvertrags gedeckt sind. Die Vorinstanzen hatten nur geprüft, ob die erforderliche Systematik und Kohärenz auf dem Markt der Sportwetten gegeben ist. Sie hatten die weiteren Glücksspielsektoren nicht einbezogen. Genau das wäre aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich gewesen. Daher hat es die Verfahren an die Instanzgerichte zurückgewiesen, um diese Prüfung nachzuholen.

Jetzt kommt es darauf an, welche Feststellungen die Instanzgerichte zur Systematik und Kohärenz im gesamten Glücksspielmarkt treffen und wie sie praktisch umgesetzt werden.

Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass dies von den vielen damit beschäftigten Gerichten völlig unterschiedlich gesehen wird. Das lässt vermuten, dass mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nur der Anfang für eine neue Diskussionsrunde eröffnet wurde.

Rechtsanwalt Dr. Martin Pagenkopf war über 20 Jahre lang Richter am Bundesverwaltungsgericht und auch mit Glücksspielrecht befasst. Ferner hat er in zahlreichen Gesetzgebungskommissionen von Bund und Ländern in leitender Funktion mitgewirkt.