EuGH entscheidet über niederländisches Glücksspielmonopl – Auswirkungen auf die Rechtslage in Deutschland

Rechtsanwalt Dr. Robert Kazemi

Kazemi & Lennartz Rechtsanwälte PartG
Rheinallee 28
D - 53173 Bonn
Mit heute veröffentlichten Urteilen hat der EuGH über die niederländischen Vorlagefragen in den Rechtssachen C-258/08 (Ladbrokes) und C-203/08 (Betfair) entschieden. Bereits nach den Schlussanträgen des Generalanwaltes Bot war die Stimmung unter den Privaten Glücksspielanbietern eher verhalten, die nunmehr veröffentlichten Urteile des EuGH lassen ebenso nur bedingt hoffen.

Der Stern titelt heute in seiner Online-Ausgabe „Glücksspielmonopol bleibt bestehen“, es ist damit zu rechnen, dass auch von Seiten der staatlichen Monopolisten derartige Aussagen in Kürze folgen werden. Ein Blick in die Entscheidungen des EuGH lohnt dennoch und lässt zumindest hoffen.

Zutreffend ist, dass der EuGH klar Stellung bezogen hat zu der Frage, inwieweit die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet sind, in einem anderen Mitgliedstaat zugelassene (Online-)Glücksspiele auch im eigenen Land als zulässige Veranstaltungen einzustufen. In Rz. 54 des Urteils C-258/08 (Ladbrokes) heißt es insoweit:

„Dazu ist festzustellen, dass der Sektor der über das Internet angebotenen Glücksspiele in der Europäischen Union nicht harmonisiert ist. Ein Mitgliedstaat darf deshalb die Auffassung vertreten, dass der Umstand allein, dass ein Veranstalter wie die Ladbrokes-Unternehmen zu diesem Sektor gehörende Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er niedergelassen ist und in dem er grundsätzlich bereits rechtlichen Anforderungen und Kontrollen durch die zuständigen Behörden dieses anderen Mitgliedstaats unterliegt, rechtmäßig über das Internet anbietet, nicht als hinreichende Garantie für den Schutz der nationalen Verbraucher vor den Gefahren des Betrugs und anderer Straftaten angesehen werden kann, wenn man die Schwierigkeiten berücksichtigt, denen sich die Behörden des Sitzmitgliedstaats in einem solchen Fall bei der Beurteilung der Qualitäten und der Redlichkeit der Anbieter bei der Ausübung ihres Gewerbes gegenübersehen können […]“

Selbige Aussage findet sich sodann auch in Rz. 33 des Urteils in Sachen C-203/08 (Betfair). Diese restriktive Ansicht des EuGH ist indes nicht neu. Bereits zuvor hatte das Gericht klargestellt, dass die unter dem Stichwort des „Herkunftslandsprinzips“ entwickelten Grundsätze auf den Glücksspielsektor gerade keine Anwendung finden. Dies auch, weil gerade die „Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren in sich [bergen], dass die Verbraucher eventuell von den Anbietern betrogen werden (Rz. 34,C-203/08 und Rz. 55, C-258/08). Eine ähnliche Begründung hatten auch die deutschen Bundesländer für das mit dem GlüStV eingeführte Verbot der Glücksspielveranstaltung im Internet angeführt, in diesem Punkte dürfte das Verbot der Internetveranstaltung und –vermittlung damit (wohl) auch für die Bundesrepublik entschieden sein.
Interessant sind indes die weiteren Ausführungen des EuGH, die dieser in Zusammenhang mit dem niederländischen Glücksspielmonopol trifft.

Zunächst stellt das Gericht in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) durch die Etablierung staatlicher Glücksspielmonopole fest. Weiterhin nicht überraschend können derartige Beschränkungen nach Ansicht des EuGH aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein (Urteil C-258/08, Rz. 17).

Zum Leidwesen der Mitgliedstaaten und vor allem auch der deutschen Monopolisten hält der Gerichtshof jedoch in erfreulicher Deutlichkeit an dem – vor deutschen Gerichten in der Vergangenheit oftmals sträflich vernachlässigtem – Kohärenzerfordernis einer derartigen auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruhenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit fest.

In diesem Zusammenhang ist es Sache des nationalen Gerichts zu überprüfen, ob nationale Regelungen, die den Glücksspielmonopolisten erlaubt, ihr Angebot auf dem Markt durch die Einführung neuer Glücksspiele und durch Werbung attraktiver zu machen, tatsächlich geeignet ist, die Ziele der Betrugs- und Suchtbekämpfung zu verfolgen. Zwar sieht es der EuGH grundsätzlich als möglich an, dass auch unter Beachtung des Ziels der Suchtbekämpfung eine Ausweitung und Bewerbung des staatlichen Glücksspielangebotes zur Zielerreichung zweckmäßig und notwendig sein kann (Urteil C-258/08, Rz. 25). Denn neue Spiele anzubieten und Werbung zu treiben könne als Teil einer Politik der „kontrollierten Expansion im Glücksspielsektor“ zur wirksamen Kanalisierung der Spiellust in rechtmäßige Bahnen anzusehen sein.

Werbung und Einführung neuer Spielangeboten haben jedoch in gemäßigten Bahnen zu erfolgen. Sollte sich daher herausstellen, dass ein Mitgliedsstaat eine Politik der starken Expansion der Glücksspiele verfolgt, indem er den Verbrauchern übermäßige Anreize und Aufforderungen zur Teilnahme an Glücksspielen bietet, um vor allem Mittel zu beschaffen, und dass die Finanzierung sozialer Tätigkeiten über eine Abgabe auf die Einnahmen aus zugelassenen Glücksspielen deshalb keine nützliche Nebenfolge, sondern der eigentliche Grund der von diesem Mitgliedstaat betriebenen restriktiven Politik ist, wäre festzustellen, dass eine solche Politik die Glücksspieltätigkeit nicht auf kohärente und systematische Weise begrenzt und daher nicht geeignet ist, die Verwirklichung des Ziels der Eindämmung der Spielsucht der Verbraucher zu gewährleisten (Urteil C-258/08, Rz. 28)

Im Rahmen dieser Prüfung haben die nationalen Gerichte insbesondere zu untersuchen, ob rechtswidrigen Spieltätigkeiten ein Problem darstellen können und ob eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten geeignet wäre, diesem Problem abzuhelfen.

„Da nämlich das Ziel, die Verbraucher vor der Spielsucht zu schützen, grundsätzlich schwer mit einer Politik der Expansion von Glücksspielen, die insbesondere durch die Schaffung neuer Spiele und die Werbung für sie gekennzeichnet ist, vereinbar ist, kann eine solche Politik nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die rechtswidrigen Tätigkeiten einen erheblichen Umfang haben und die erlassenen Maßnahmen darauf abzielen, die Spiellust der Verbraucher in rechtmäßige Bahnen zu lenken.“ (Urteil C-258/08, Rz. 30)

Des Weiteren ist erforderlich, dass die Behörden des Mitgliedstaats die Expansion der Glücksspiele sowohl hinsichtlich des Umfangs der von den Inhabern einer ausschließlichen Erlaubnis durchgeführten Werbung als auch hinsichtlich der Schaffung neuer Spiele durch diese Veranstalter wirksam kontrollieren und damit die mit der nationalen Regelung verfolgten Ziele angemessen miteinander in Einklang bringen.

Ob das Glücksspielmonopol „bestehen bleiben“ kann ist daher aktuell weder für die Niederlande, noch für die Bundesrepublik entschieden. Vielmehr sind die nationalen Gerichte nunmehr gehalten, das tatsächliche Werbe und Marktverhalten der staatlichen Glücksspielanbieter genauer unter die Lupe zu nehmen. Der bloße Verweis auf die hehren Ziele des Gesetzgebers reicht hierfür jedenfalls nicht aus. Bezogen auf die Deutsche Rechtslage wird dabei auch zu berücksichtigen sein, dass die nationalen Aufsichtsbehörden in der Vergangenheit kaum gegenüber der ausufernden Werbe- und Vertriebspraxis der staatlichen Monopolisten eingeschritten sind. Hier wurden und werden vielmehr nach wie vor die Augen verschlossen. Allein den Aktivitäten der privaten Glücksspielunternehmer ist es zu verdanken, dass auch den Monopolisten zeitweilen auf wettbewerbsrechtlicher Ebene Einhalt geboten wurde. Allein die gerichtlich als Verstoß gegen den GlüStV bereits positiv festgestellten Verhaltensweisen der staatlichen Glücksspielunternehmen finden sich indes auch in den Werberichtlinien der Länder, was belegt, dass eine eigenständige Überprüfung der Werbemaßnahmen der Monopolunternehmen nicht stattfindet. Auch die vehementen und fortwährenden zivilgerichtlich festgestellten Verstöße gegen die Werbebeschränkungen des GlüStV haben bislang nicht dazu geführt, dass die Aufsichtsbehörden Zweifel an der Zuverlässigkeit der staatlichen Monopolisten und/oder ihrer Führungsgremien geäußert oder gar Maßnahmen gegen diese ergriffen hätten. Bezogen auf die Rechtslage in der Bundesrepublik kann daher eine „wirksame Kontrolle“ kaum angenommen werden. Viele der monopolseitig ein- und fortgeführten Glücksspiele (allen voran das immer wieder auf den Plan gerufene Superding und die stets neuen und anlassbezogenen Sofortloslotterien wie das „Osterkörbchen“ oder der „Rubbellos-Adventskalender) lassen darüber hinaus erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass die in Deutschland zu verzeichnende Expansion einen Umfang einhält, der mit dem Ziel der Eindämmung der Spielsucht noch vereinbar ist.

Das deutsche Glücksspielmonopol ist damit auch nach den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen C-203/08 (Betfair) und C-258/08 (Ladbrokes) keinesfalls gesichert.