Landgericht Hamburg untersagt Werbung für kostenlose Pokerschule durch Bundesligaclub

Rechtsanwalt Tobias Spahn

BBS Rechtsanwälte
Wexstraße 42
D - 20355 Hamburg
Mit Urteil vom 05.03.2010 (Az.: 406 O 43/09) hat es das Landgericht Hamburg der Tochtergesellschaft eines Vereins der deutschen Fußball-Bundesliga untersagt, Werbung für die kostenlose Internet-Pokerschule eines ausländischen Glückspielkonzerns zu treiben, der neben der Pokerschule gleichzeitig ein entgeltliches Online-Casino unter derselben „Dachmarke“ betreibt. Die beklagte Tochtergesellschaft betreibt die Profi-Fußballabteilung des Vereins. Das Verbot betrifft sowohl Bandenwerbung im Stadion als auch Bannerwerbung im Internet. Außerdem hat das Landgericht Hamburg Werbung mit dem Vereinslogo auf Internetseiten und in Werbe-Emails des entgeltlichen Online-Casinos verboten. Es handelt sich um die erstinstanzliche Entscheidung in einem zivilrechtlichen Hauptsacheverfahren, das von der Hamburger Kanzlei Kähler Kollegen für die die staatlich konzessionierten Spielbanken des Landes Schleswig-Holstein geführt wurde.

Hintergrund des Verfahrens ist die Strategie zahlreicher ausländischer Internet-Glücksspielanbieter, zur Umgehung des Werbeverbots für unerlaubtes Glücksspiel parallele deutschsprachige Internet-„Pokerschulen“ zu gründen, die dann anstelle des Hauptangebots (entgeltliches Online-Casino) in Deutschland beworben werden. Im vorliegenden Fall betraf das Verfahren die Pokerschule eines großen in Gibraltar ansässigen Internet-Glücksspielanbieters, wobei der Domain-Name der Pokerschule zugleich den Domain-Namen des entgeltlichen Online-Casinos enthielt, dem lediglich der Zusatz „free-“ vorangestellt war. Zugleich wurde von der Website der Pokerschule wiederholt auf das Online-Casino verlinkt.

Der beklagte Fußballclub warb für die Pokerschule durch Bandenwerbung im Stadion, die jeweils in großen Buchstaben den Domain-Namen des entgeltlichen Hauptangebots mit dem vorangestellten Zusatz „free-“ enthielt. Anfänglich war die Bandenwerbung zugleich derart animiert, dass sich der Schriftzug so aufbaute, dass zeitweise auch die Domain-Adresse des entgeltlichen Hauptangebots ohne den Zusatz „free-“ dargestellt wurde („einschwebende Bandenwerbung“). Zugleich warb der Club mit Bannern auf seiner Website für die Pokerschule. Schließlich warb der Club auch für sich selbst mit dem Vereinslogo auf den Internetseiten des parallelen entgeltlichen Online-Casinos sowie in Werbe-Emails des Casinos.

Gegen diese Praxis erhoben die staatlich konzessionierten Spielbanken des Landes Schleswig-Holstein Klage wegen wettbewerbswidriger Werbung nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §§ 4 Abs. 1 und 4, 5 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrages. Das Landgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagten zu Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz sowie Erstattung der Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung.

In seiner Entscheidung führte das Landgericht aus, dass die verbotene Banden- und Bannerwerbung für die Internet-Pokerschule jedenfalls auch der Förderung des Absatzes des entgeltlichen Online-Casinos dient. Dies ergibt sich nach der Ansicht des Landgerichts zum einen daraus, dass die beworbene lnternet-Domain die durch Bindestrich abgegrenzte Dachmarke des Glücksspielkonzerns enthalte, den nicht unerhebliche Teile der Zielgruppe der Werbung als Glücksspielanbieter kennen, so dass es sich für diesen Personenkreis jedenfalls zugleich auch um einen Hinweis auf das entgeltliche Online-Casino des Glücksspielkonzerns handele. Ferner impliziere die Werbung für die kostenfreie Pokerschule aufgrund des abgetrennten Zusatzes „free-“ nach Ansicht des Gerichts zugleich die Existenz eines entgeltlichen Glücksspielangebots desselben Anbieters. Schließlich vertritt das Gericht in seinem Urteil die Ansicht, dass die kostenlose Pokerschule erkennbar letztlich nur dazu diene, Kunden an das im Inland illegale, entgeltliche Glücksspielangebot heranzuführen, und dies naheliegender Weise bei dem Anbieter, dessen Name sich auch in der vordergründig beworbenen Domain der Pokerschule wiederfinde.

Bedenken an der Vereinbarkeit des Glückspielmonopols der Länder mit dem Gemeinschaftsrecht erteilte das Landgericht mit Verweis auf die Liga-Portuguesa-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (Rs. C-42/07) eine klare Absage. Die Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG könne aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses auf nationaler Ebene eingeschränkt werden. Dabei stehe es den Mitgliedsstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele festzulegen und ggf. das angestrebte Schutzniveau genau zu bestimmen, solange sie sich mit den Beschränkungen an die gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit halten. Insbesondere stehe Art. 49 EG einer nationalen Regelung nicht entgegen, die es in anderen Mitgliedsstaaten niedergelassenen Glücksspielanbietern verbietet, im Inland Glücksspiele über das lnternet anzubieten, obwohl sie in anderen Mitgliedsstaaten dazu berechtigt sind. Daher sei es europarechtlich nicht zu beanstanden, dass der Glücksspielstaatsvertrag in Art. 4 Abs. 1 für öffentliche Glücksspiele ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt regelt und in Art. 5 Abs. 4 Werbung für unerlaubte Glücksspiele verbiete. Auch die Werbung mit dem Vereinslogo auf dem parallelen entgeltlichen (deutschsprachigen) Internet-Glücksspielangebot des Betreibers sowie in den (ebenfalls deutschsprachigen) Werbe-Emails beurteilte das Landgericht als unzulässige „Vertrauenswerbung“ für das Glücksspielangebot, da hierdurch das Ansehen des Fußballclubs für die gewerblichen Zwecke des Glücksspielbetreibers und damit für den Absatz von in Deutschland nicht zugelassenen Glücksspieldienstleistungen nutzbar gemacht werde.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg stellt eine erste Grundsatzentscheidung zu der Praxis ausländischer Glücksspielanbieter, mit „Internet-Pokerschulen“ ohne Geldeinsatz das inländische Werbeverbot für nicht-konzessioniertes Glücksspiel zu umgehen, dar.

In dem vorliegenden Fall traten die Werbewirkung und die dahinterstehende Intention der Werbung dadurch besonders deutlich hervor, dass der Domainname der Pokerschule bis auf den vorangestellten Zusatz „free-“ demjenigen des entgeltlichen Hauptangebots entsprach. Die Hinnahme solcher „kreativer“ Werbeaktivitäten würde nach Überzeugung des Autors das inländische Verbot der Werbung für in Deutschland unerlaubtes Glücksspiel aushebeln und die gleichzeitig bestehenden erheblichen Werberestriktionen für die staatlich konzessionierten Glücksspielanbieter ad absurdum führen.

Mit dem Urteil folgt das Landgericht im Ergebnis der zuvor ergangenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 07.09.2009, M 22 S 09.3403, mit dem der Fußballclub bereits im verwaltungsrechtlichen Eilverfahren gegen ein parallel ergangenes Werbeverbot der Regierung von Oberbayern wegen der beanstandeten Stadion-Bandenwerbung unterlegen war. Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg stellt insoweit Einheitlichkeit zwischen verwaltungsrechtlicher und wettbewerbsrechtlicher Beurteilung derartiger Glückspielwerbung her. Dies ist im Dienste von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausdrücklich zu begrüßen.

Berufung ist derzeit anhängig.