LG Ellwangen: „in dubio pro libertate“- Sportwettvermittlungen weiterhin nicht strafbar!

Rechtsanwalt Peter Aidenberger
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Rechtsanwaltskanzlei Bongers
Landgrafenstraße 49
D - 50931 Köln
In einem durch die Kanzlei Bongers geführten Verfahren wegen der Vermittlung von Sportwetten hat das Landgericht Ellwangen in einem Berufungsurteil das freisprechende Urteil des Amtsgerichts Ellwangen vom 15.10.2009 bestätigt (Urteil Landgericht Ellwangen vom 20.01.2010 – 4 Ns 25 Js 7169/09).

Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist auch, dass das Landgericht Ellwangen seine vor Jahren bereits geäußerten sonstigen Bedenken hinsichtlich der
Erfüllung des Tatbestandes aufrecht erhalten hat. Allerdings brauchte es nicht weiter dazu Stellung zu nehmen, ob die Vermittlung von Sportwetten überhaupt den Tatbestand des § 284 erfüllt. Das Gericht führte hierzu aus:

„Die Kammer lässt dahinstehend, ob sein Verhalten objektiv den Tatbestand des § 284 StGB erfüllt. Auch insofern hegt die Kammer durchaus Zweifel. Insbesondere erscheint fraglich, ob die Grenze der zulässigen Auslegung nicht überschritten wird, wenn der Angeklagte, der ausschließlich Wetten für ein im Ausland ansässigen Unternehmer vermittelt, als Veranstalter angesehen wird.“

Diese Frage konnte letztendlich offen gelassen werden, da sich aus Sicht des Gerichtes der Angeklagte bei der Tatbegehung in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hat. Hierzu führte das Gericht noch wie folgt aus:

„Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass der Angeklagte durchaus mit der Möglichkeit rechnete, sein Verhalten könnte verboten sein. Dies führt jedoch nicht dazu, dass er dieses Verhalten bis zu einer endgültigen Klärung der Rechtsfrage hätte unterlassen müssen. Die Kammer geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der dem Angeklagten vorgeworfenen Tatbegehung zur Frage der Strafbarkeit seines Tuns eine unklare Rechtslage vorlag. In einer solchen Situation obliegt es dem Angeklagten, erforderliche Auskünfte einzuholen und alle Erkenntnismittel auszuschöpfen. Es kann vorliegend jedoch auch dahinstehen, ob und inwieweit dieses der Angeklagte getan hat, da eine Klärung der Rechtsfrage zu diesem Zeitpunkt gar nicht möglich war. Sowohl in der Straf- als auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung war zu diesem Zeitpunkt und ist bis zum heutigen Zeitpunkt keine einheitliche Rechtsauffassung zu erkennen, die von einer Strafbarkeit des Tuns des Angeklagten ausgeht. In einer solchen Situation kann die Vorwerfbarkeit und damit die Vermeidbarkeit des Irrtums nicht auf eine ausreichende Gewissensanspannung oder eine mangelnde Ausschöpfung vorhandener Erkenntnisquellen gestützt werden, da zum Tatzeitpunkt keine einheitliche
obergerichtliche Rechtsprechung zu Unrechtsfragen vorlag (vgl. OLG Stuttgart, NJW 2008, Seite 243 ff).“

Die Kammer stützt also ihren Verbotsirrtum nicht auf die konkreten Anstrengungen des Angeklagten sich Informationen einzuholen über die vermeintliche Strafbarkeit und verwaltungsrechtliche Zulässigkeit. Es kommt also aus Sicht der Kammer gerade nicht darauf an, ob er hier ggfl. durch seine Prozessbevollmächtigten die Mitteilung erhalten hat, die Tätigkeit sei nicht strafbar und im übrigen auch verwaltungsrechtlich nicht untersagbar, die Behörden aber vom Gegenteil ausgehen.Vielmehr käme es bei diesem abstrakten Verbotsirrtum allein darauf an, dass derzeit keine verbindliche Auskunft über die Frage der Zulässigkeit unter strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Gesichtspunkten gegeben werden kann. Die Kammer führt hierzu dann des weiteren wie folgt aus:

„Die Kammer ist mit der herrschenden Meinung der Auffassung, dass es in einer solchen Situation eine Frage der Zumutbarkeit ist, ob der Angeklagte die Handlung, deren Verbotenheit unklar ist, unterlassen muss, bis die Rechtsfrage entschieden ist.“

Die Kammer nimmt sodann eine Interessenabwägung vor und weist zurecht darauf hin, dass hier für die privaten Vermittler nicht nur die Grundrechte aus Artikel 12 und Artikel 2 Grundgesetz streiten, sondern ebenfalls die grundrechtsgleichen Rechte der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nach europäischen Gemeinschaftsrecht. Hiergegen wägt die Kammer die Interessen der Allgemeinheit an der Einstellung der Tätigkeit. Die Kammer wies in der Verhandlung auch darauf hin, dass die jeweiligen Kunden problemlos zum Angebot des staatlichen Anbieters oder gar in sonstige Glücksspielbereiche wechseln können, wie dem Automaten- und Casinospiel. Gleichfalls könnten sie Internetangebote wahrnehmen, so dass für die Allgemeinheit festgestellt werden muss, dass es quasi unerheblich sei, ob nun bis zu einer endgültigen Klärung die Tätigkeit durch den privaten Vermittler weiter ausgeübt wird oder nicht. Das Gericht führte hierzu aus:

„Es war daher zu prüfen, ob es dem Angeklagten zumutbar war, die möglicherweise verbotene Handlung zu unterlassen, bis eine endgültige Klärung der Frage ihrer Verbotenheit erreicht war. Hierzu hat die Kammer das Interesse des Angeklagten an der Fortführung seines Gaststättenbetriebes mit den beiden Wettautomaten einerseits und das Interesse der Allgemeinheit zum Unterlassen dieser Tätigkeit andererseits abgewogen. Hierbei war zu sehen, dass der Angeklagte nicht nur in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Artikel 2 GG, sondern auch in seiner Berufsfreiheit aus Artikel 12 GG nicht unerheblich betroffen war. Darüber hinaus war zu sehen, dass zum Tatzeitpunkt für den Angeklagten in keiner Weise absehbar war, bis zu welchem Zeitpunkt denn mit einer Klärung der Rechtsfrage gerechnet werden konnte. Andererseits sieht die Kammer kein erhöhtes Interesse der Allgemeinheit, an einem sofortigem Unterlassen der Aufstellung dieser Geräte durch den Angeklagten.“

Mangels Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens war deshalb nach der Rechtsprechung des Landgerichtes in Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Stuttgart davon auszugehen, dass hier ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorlag und damit gem. § 17 Satz 1 StGB ohne Schuld gehandelt wurde und der Angeklagte freizusprechen war.

Bemerkenswert ist sodann auch folgender abschließener Hinweis des Gerichtes, dessen Grundsatz in den Verfahren leider viel zu wenig Beachtung findet:

„Darüber hinaus schließt sich die Kammer der Auffassung an, dass in einer freiheitlichen Ordnung eine Vermutung für das Nichtverbotensein eines Verhaltens (in dubio pro libertate) besteht (OLG Stuttgart aaOm.b.N.)“