Generalanwalt des EuGH – Glücksspielverbot muss kohärente Beschränkung auf dem Gebiet der monopolisierten Glücksspiele sein

Nach Auffassung von Generalanwalt Mazák verstößt ein Mitgliedstaat, der den Betrieb von Spielbanken Gesellschaften mit Sitz im Inland vorbehält, gegen das Unionsrecht. Im Übrigen bedarf es danach für die Bewertung, ob eine innerstaatliche Politik zur Beschränkung des Glücksspiels kohärent ist, nur der Prüfung des betroffenen Glückspielssektors.

Zu Sachverhalt und Rechtslage

Das österreichische Recht begründet ein „staatliches Glücksspielmonopol“, wonach das Recht zur Durchführung von Glücksspielen grundsätzlich dem Staat vorbehalten ist. Somit kann der Bundesminister für Finanzen Konzessionen erteilen, um Wirtschaftsteilnehmern das Recht zur Durchführung bzw. zum Betrieb von monopolisierten Glücksspielen (also von Ausspielungen und elektronischen Lotterien sowie von Spielbanken) zu übertragen.

Herr Engelmann, der deutscher Staatsbürger ist, betrieb in Österreich zwei Spielcasinos, ohne sich zuvor bei den österreichischen Behörden um eine Konzession für das Veranstalten von Glücksspielen beworben oder eine durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats erteilte Zulassung besessen zu haben. Mit einem ersten Urteil wurde er schuldig erkannt, im Bundesgebiet der Republik Österreich illegal Glücksspiele veranstaltet zu haben, um sich daraus einen Vermögensvorteil zuzuwenden. In diesem Zusammenhang hat das mit der Berufung befasste Landesgericht Linz dem EuGH drei Fragen nach der Vereinbarkeit der österreichischen Vorschriften über Glücksspiele mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Schlussanträge des Generalanwalts

In seinen heutigen Schlussanträgen legt Generalanwalt Ján Mazák erstens dar, dass er die österreichischen Rechtsvorschriften, die für den Betrieb von Glücksspielen in Spielbanken ausschließlich Gesellschaften in der Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft mit Sitz im Territorium dieses Mitgliedstaats vorschreiben, für mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar hält. In der an die Gesellschaften gestellten Anforderung, ihren Sitz in Österreich zu begründen, sieht er nämlich eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, mit der dadurch eine unmittelbare Diskriminierung eingeführt werde, dass sie Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat verwehre, Inhaber einer Konzession für den Betrieb einer Spielbank zu sein.

Auf der Grundlage dieser Feststellung weist der Generalanwalt darauf hin, dass im vorliegenden Fall eine derartige diskriminierende Beschränkung durch Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit insoweit gerechtfertigt werden könne, als der Rückgriff auf einen dieser Rechtfertigungsgründe das Vorliegen einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung voraussetze, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Generalanwalt Mazák hält dieses Kriterium allerdings nicht für erfüllt, da die österreichischen Behörden sich nicht deshalb einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, gegenüber sähen, weil sie die von einem Spiele veranstaltenden Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübten Tätigkeiten ohne die den Gesellschaften auferlegte Bedingung, ihren Sitz in Österreich zu begründen, nicht wirksam kontrollieren könnten. Jedes in einem Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen könne nämlich unabhängig vom Wohnsitz seiner Führungskräfte kontrolliert und zudem Sanktionen unterworfen werden. Dementsprechend gelangt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht gerechtfertigt werden könne.

Zweitens steht nach Auffassung des Generalanwalts der freie Dienstleistungsverkehr der österreichischen Vorschrift entgegen, wonach sämtliche Konzessionen für Glücksspiele und Spielbanken auf der Grundlage einer Regelung erteilt werden, welche nicht diesem Mitgliedstaat angehörige Mitbewerber des Gemeinschaftsraums von der Ausschreibung ausgeschlossen hat. Eine solche Maßnahme sei nämlich eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, da das nationale Recht für die Teilnahme am Verfahren eine Zweigniederlassung in Österreich nicht genügen lasse. Zudem sei diese Beschränkung diskriminierend und könne im vorliegenden Fall nicht durch Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt werden, da keine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.

Der Generalanwalt untersucht drittens die Frage, ob das österreichische staatliche Monopol bei Spielbanken deshalb nicht mit dem EG-Vertrag zu vereinbaren ist, weil der innerstaatlichen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels möglicherweise angesichts dessen die Kohärenz fehlt, dass die Inhaber von Konzessionen für andere, gleichfalls monopolisierte Spiele (wie Lotterien) Werbung für ihr Produkt betreiben. Hierzu führt er aus, der Umstand, dass die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an Glücksspielen ermunterten und hierfür Werbung trieben, bedeute nicht zwangsläufig, dass es der innerstaatlichen Politik zur Beschränkung von Glücksspielen an Kohärenz mangele. Zu den verschiedenen Zielen, die mit den österreichischen Rechtsvorschriften verfolgt würden, gehöre nämlich auch, Betrug und Kriminalität im Glücksspielsektor dadurch zu bekämpfen, dass die Nachfrage nach Glücksspielen auf ein staatlich kontrolliertes und überwachtes Angebot hingelenkt werde. Nach Auffassung von Generalanwalt Mazák ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Werbung mit dem Ziel im Einklang steht, eine „attraktive“ Alternative zu den verbotenen Spielen zu sein, ohne jedoch die Nachfrage nach Glücksspielen übermäßig zu beleben.

Jedenfalls hält er für die Bewertung der Kohärenz von der durch einen Wirtschaftsteilnehmer betriebenen Werbung und einer innerstaatlichen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels eine sektorielle Analyse für erforderlich. So würde ein etwaiger Mangel an Kohärenz ausschließlich den Sektor monopolisierter Spiele berühren, in dem diese übermäßige und inkohärente Werbetätigkeit entfaltet würde. Einem Mitgliedstaat stehe es nämlich frei, zwei Glücksspielsektoren unterschiedlich zu behandeln, da sich jedes Spiel von den anderen unterscheide, so dass der eine Glücksspielsektor eher die Entwicklung betrügerischer oder krimineller Handlungen begünstigen, der andere aber eine größere Suchtgefahr aufweisen könne. (EuGH, Urt. v. 23. 2. 2010 – C-64/08)

Pressemitteilung des EuGH Nr. 10 v. 23. 2. 2010