Österreichisches Glücksspiel vor dem EuGH: Österreichs bekannteste Süßigkeit und das Glücksspielmonopol

Ein Artikel von Thomas Talos, Partner & Rechtsanwalt und Arthur Stadler, Rechtsanwaltsanwärter

Im österreichischen Ausgangsverfahren geht es um ein Strafverfahren gegen Herrn Engelmann (deutscher Staatsbürger), der in Linz Casinospiele ohne Konzession des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) anbot. Das Vorlagegericht hatte Zweifel an der Gemeinschaftskonformität des österreichischen Spielbankenmonopols und stellte kurz zusammengefasst drei Fragen an den Gerichtshof: 1. Ist das Erfordernis einer österreichischen Aktiengesellschaft als Voraussetzung für das Erlangen einer Spielbankenkonzession mit den EG-Grundfreiheiten vereinbar? 2. Ist das österreichische monopolartige Konzessionssystem für Spielbanken mit den Grundfreiheiten vereinbar? und 3. Ist die Vergabe der Spielbankenkonzessionen für jeweils 15 Jahre unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den Grundfreiheiten vereinbar?

Zur ersten Frage: Das Sitzerfordernis hielten sowohl der Beschuldigte als auch die Kommission für gemeinschaftswidrig. Es gibt gelindere Mittel, um Anbieter effektiv und wirksam zu kontrollieren. Die österreichische Regierung beschränkte sich darauf zu argumentieren, dass in der Betriebsphase das Erfordernis eines Sitzes im Inland gerechtfertigt sei. Überzeugende Argumente vermochte Österreich aber auch dafür nicht vorzutragen.

Zur zweiten Frage: Hier geht es im wesentlichen darum, ob Österreich eine „kohärente und systematische“ Glücksspielpolitik verfolgt. Der Vertreter des Beschuldigten (Dr. Talos) begann seinen Vortrag mit einer Sachertorte und fragte die Richter, was denn die Sachertorte mit Glücksspiel zu tun habe. Der Vorsitzende Richter Bonichot kommentierte diese Einleitung mit der unterhaltsamen Bemerkung: „Das frage ich mich in der Tat“. Die Antwort folgte sogleich: Die Sachertorte profitiert von den Einnahmen aus dem Spielbankenmonopol; das Hotel Sacher gehört nämlich zu jenem Kreis privilegierter Aktionäre, die mit rund 77% Beteiligung an der Casinos Austria AG den österreichischen Glücksspielmarkt bestimmen. Neben dem Hotel Sacher zählen politisch sehr einflussreiche Banken, Versicherungen, Medien, Privatstiftungen und Privatpersonen zu den Aktionären der CASAG. Gewinne aus dem Glücksspielmonopol kommen in Österreich daher überwiegend Privaten zugute. Der Staat profitiert durch eine Minderheitsbeteiligung und erhebliche Steuereinnahmen. Glücksspiel ist in Österreich daher eine echte wirtschaftliche Tätigkeit, bei der es vor allem um Steuereinnahmen und die Maximierung privater Gewinne geht.

Der Beschuldigte vertrat daher auch zur zweiten Frage die Auffassung, dass das österreichische System nicht gemeinschaftskonform sei. Österreich rechtfertigt die Beschränkung auf 12 Spielbanken mit „ordnungspolitischen“ Gründen und Spielerschutz, verfolgt diese Ziele – vor allem aufgrund der überwiegend privaten Beteiligung – allerdings nicht mit der gebotenen Kohärenz und Systematik. Ordnungspolitische Ziele, die bei der Regulierung eines jeden Gewerbes von Bedeutung sind, können ebenso durch weitere Konzessionen unter strengen Auflagen und Kontrollen erreicht werden. Als Beispiel führte der Beschuldigte das österreichische System im Automaten- und Sportwettensektor an. In diesen Bereichen liegt keine zahlenmäßige Beschränkung von Konzessionen vor. Sachliche Gründe zur Rechtfertigung dieser unterschiedlichen Behandlung konnte die österreichische Regierung nicht vorweisen. Die österreichische Glücksspielpolitik ist daher widersprüchlich. Auch Spielerschutz kann die Beschränkungen der Grundfreiheiten nicht rechtfertigen.

In Österreich ist Glücksspiel ein ganz normales Gut des täglichen Lebens. Der Werbeaufwand der Monopolisten ist mit rund 50 Millionen Euro pro Jahr für ein kleines Land wie Österreich enorm. Von einem „inoffensiven Marktverhalten“, das der Vertreter der Europäischen Kommission zur Verfolgung des Ziels des Verbraucherschutzes forderte, kann in Österreich daher nicht die Rede sein. Aufgrund der massiven Werbung und des dichten Vertriebsnetzes ist Glücksspiel in Österreich mehr als omnipräsent. Während die Post mit einem öffentlichen Versorgungsauftrag rund 1000 Postämter für ausreichend hält, wird Österreich flächendeckend mit rund 2400-Lotto/Toto-Annahmestellen versorgt. Der Tag beginnt mit Werbung für Glücksspiel im Radio, weiter geht es mit aufdringlichen Plakaten an jeder Straßenecke, Werbeeinschaltungen und Angeboten im Internet, aufreizenden Aufforderungen zum Casinobesuch und endet schließlich mit abendlichen Bingo- und Poker-Shows und Werbung im Fernsehen. Die Werbung suggeriert Glück und Reichtum durch Spielen und stellt dieses als völlig normale Freizeitbeschäftigung dar. Die Casinos Austria versuchen in verschiedenen Werbesujets ganz bewusst, den Casinobesuch mit sexueller Anziehungskraft, Attraktivität und Erfolg in Verbindung zu bringen. Die Casinos Austria verfolgen hier die eindeutige Absicht, zum Casinobesuch und zum Glücksspiel zu ermuntern.

Wenn der Glücksspielmarkt in Österreich schon für ausgewählte Private – wie für das Hotel Sacher und die Raiffeisen-Gruppe – freigegeben wird, dann sollte auch Herr Engelmann die Möglichkeit haben, eine Konzession unter gemeinschaftskonformen Bedingungen erlangen zu können.

Bei der dritten Vorlagefrage unterbrach der berichterstattende Richter den Vortrag der Vertreterin Österreichs und fragte, wie denn ein Interessent für eine Spielbankkonzession erfahren hätte sollen, dass die Konzessionen von 15 Jahre auf 22 Jahre verlängert wurden. Die Vertreterin Österreichs meinte, dass potentielle Bewerber aufgrund der Wichtigkeit ohnehin „einen vorsorglichen Antrag“ beim BMF hätten stellen können, dann wäre ihre Bewerbung bei der Verlängerung sicherlich berücksichtigt worden (etwas Unruhe in der Zuhörerschaft). Diese Antwort fand auch Herr Dr. Krämer, Vertreter der Kommission, wenig überzeugend und meinte, dass Österreich bei der Vergabe und Wiederverlängerung gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Österreich habe schlicht nicht die notwendige Transparenz und Öffentlichkeit gewahrt. Richter Schiemann stellte in diesem Zusammenhang an Herrn Dr. Krämer die Frage, was denn in einem solchen Fall die Rechtsfolge sein sollte. Herr Dr. Krämer antwortete, dass bei Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz gegen Anbieter, die deshalb keine Konzession erlangen konnten, keine Strafen verhängt werden dürften. Dies gelte auch für den Fall, dass einem Anbieter auf gemeinschaftswidrige Weise wegen unrechtmäßiger Zulassungsvoraussetzungen der Zugang zum Markt verweigert wird. Der weitere Vertreter von Herrn Engelmann (Dr. Ruth) argumentierte folglich, dass über Herrn Engelmann keine Strafe verhängt werden dürfe, weil dieser mangels Ausschreibung und wegen des unzulässigen Sitzerfordernisses keine Konzession erlangen konnte.

Die Schlussanträge des Generalanwalts Mazák werden bereits am 23.2. verkündet. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH die Vorlagefragen beantworten wird.

Quelle: TIME LAW NEWS 1/2010 (www.timelaw.de) Hambach & Hambach Rechtsanwälte