Aussetzung des Verfahrens beim OLG Frankfurt

OLG Frankfurt: Nach Liga Portuguesa bleibt die Vereinbarkeit der deutschen Glücksspielmonopole mit dem Gemeinschaftsrecht weiter ungeklärt

In einem ausführlich begründeten Beschluss hat das OLG Frankfurt bestätigt, dass die Vereinbarkeit des GlüStV mit dem Gemeinschaftsrecht als offen angesehen werden muss. Es hat ein Untersagungsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH in den deutschen Vorabentscheidungsverfahren ausgesetzt, weil die Aussagen des Liga Portuguesa-Urteils sich auf das Schutzziel der Kriminalitätsbekämpfung beziehen und schon deshalb keine Antwort darauf geben, ob das in Deutschland verfolgte Schutzziel der Suchtbekämpfung nach der Neuregelung durch den GlüStV kohärent verfolgt wird, wenn andere mindestens ebenso suchtgefährdende Glückspielbereiche für Privatunternehmen zugänglich sind.

Andreas Okonek
Andreas Okonek

Der Wettbewerbssenat hatte sich als erstes deutsches Oberlandesgericht nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-42/07 (Liga Portuguesa) vom 8.9.2009 mit der viel beschworenen Klärung der Vereinbarkeit des staatlichen Glücksspielmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht zu befassen. Gegenstand des Verfahrens ist eine Klage gegen das im EU-Ausland konzessionierte Sportwettunternehmen Happybet über stationäre Annahmestellen. Nachdem das Landgericht der Klage noch stattgegeben hatte (Urteil vom 16.1.2008 – 2-06 O 605/06), wurde der Rechtsstreit vom OLG Frankfurt in dem von uns geführten Verfahren nun durch Beschluss vom 12.11.2009 – 6 U 33/08 – bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-316/07 (Marcus Stoß) ausgesetzt.

Der Senat führt zur Begründung vor allem folgendes aus:

„Andererseits ist die Vereinbarkeit des staatlichen GIücksspielmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht deswegen unerheblich, weil die Beklagte zu.1) ohne die nach § 4 I GlüStV erforderliche Erlaubnis handelt und der Erlaubnisvorbehalt für sich genommen unbedenklich sein mag. Gerade wegen der das staatliche Monopol begründenden Vorschriften ist der, Beklagten zu 1) die von ihr beantragte Erlaubnis bisher versagt worden. Das Verhalten eines Unternehmens kann nicht allein deshalb als wettbewerbswidrig gewertet werden, weil das Unternehmen ohne eine erforderliche Genehmigung gehandelt hat, wenn es diese Genehmigung aufgrund gemeinschaftsrechtswidriger Vorschriften nicht erlangen konnte (vgl. BGH, GRUR 2008, 438, Tz. 22, 24 ODDSET).

Die Frage, ob das Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien (mit nicht nur geringem Gefährdungspotenzial) mit höherrangigem Gemeinschaftsrecht zu vereinbaren ist, ist bislang nicht hinreichend geklärt. Insbesondere geht es darum, ob für die Regelung des Glücksspielrechts eine sog. Gesamtkohärenz zu fordern ist oder doch jedenfalls eine übergreifende Gesamtwürdigung in dem Sinne, dass keine sektoralen Unterschiede bestehen dürfen, die zu dem Schluss führen, die Begründung eines staatlichen Monopols für bestimmte Glücksspiele sei letztlich durch das fiskalische Interesse motiviert. Konkret stellt sich die Frage, ob die Art. 43, 49 EG dahingehend auszulegen sind, dass sie einem maßgeblich mit der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren begründeten nationalen staatlichen Veranstaltungsmonopol auf Sportwetten und Lotterien (mit nicht nur geringem Gefährdungspotenzial) entgegenstehen, wenn in diesem Mitgliedstaat andere Glücksspiele mit erheblichem Suchtgefährdungspotenzial (wie insbesondere das Automatenspiel) von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen.

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-42/07 (Liga Portuguesa) vom 08.09.2009 hat zu dieser Frage nach der Einschätzung des Senats noch keine hinreichende Klärung gebracht.

In dem genannten Fall diente das Schutzziel der Kriminalitätsbekämpfung der Rechtfertigung der beanstandeten Regelungen für Lotterien und Wetten, im Internet. Die Spielteilnehmer sollten vor betrügerischen Machenschaften der im Ausland ansässigen Anbieter geschützt werden. Der vorliegende Rechtsstreit (Klageantrag zu 1.1) bezieht sich demgegenüber auf die Veranstaltung von Sportwetten über Wettbüros. Wenn das Schutzziel der Kriminalitätsbekämpfung in Portugal den Ausschluss ausländischer, nicht gebietsansässiger, Anbieter von Glücksspielen im Internet rechtfertigt, so besagt dies noch nicht, dass das Schutzziel der Kriminalitätsbekämpfung auch einen Ausschluss privater, im Inland vertretener Veranstalter von offline angebotenen Sportwetten rechtfertigt.

Die Frage ob das – gleichfalls legitime und bei der Neuregelung des GIücksspielrechts in Deutschland in den Vordergrund gestellte – Schutzziel der Bekämpfung von Spielsuchtgefahren und der Vermeidung übermäßiger Spielanreize durch die Begründung eines, staatlichen Glücksspielmonopols in kohärenter Weise verfolgt werden kann, wenn andere, mindestens ebenso, suchtgefährdende GIücksspielbereiche für Privatunternehmen zugänglich sind, wird durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-42/07 schon deshalb nicht geklärt, weil der EuGH dort auf das Schutzziel der Kriminalitätsbekämpfung abgestellt hat.“

Der Beschluss ist sehr zu begrüßen. Soweit die Entscheidung des EuGH vereinzelt von staatlicher Seite in den Rang der „bahnbrechenden Entscheidung“ gehoben wurde, nach der die Europarechtskonformität des Glücksspielstaatsvertrages feststehe, räumen die klaren Worte des OLG Frankfurt mit solchen Missverständnissen gründlich auf. Das OLG steht damit nicht allein. Der Europäische Gerichtshof selbst bestätigte dessen Einschätzung jetzt mit den Fragen, die er zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am 8.12.2009 übersandt hat. Sie zeigen, dass für den EuGH jedenfalls offen ist, welcher Kohärenzmaßstab an die Verfolgung der Ziele der mitgliedstaatlichen Glückspielpolitik angelegt werden darf und ob die deutsche Rechtslage als kohärent angesehen werden kann. Dass einzelne deutsche Oberverwaltungsgerichte in Kenntnis der EuGH-Vorlagen dennoch meinen, in Eilverfahren die Vorlagefragen anstelle des EuGH beantworten zu können, spricht für sich.

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