Glücksspielrechtliche Beurteilung von Lootboxen in Österreich

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Christian Rapani und Rechtsanwaltsanwärterin Mag. Julia Kotanko, Kanzlei Rapani (Österreich)

Einführung zu Lootboxen aus österreichischer glücksspielrechtlicher Sicht

Das Phänomen von Lootboxen (virtuelle Beute- bzw Schatzkisten in Computer- bzw Videospielen) ist in der Onlinespielszene bereits seit langem ein Begriff. In der öffentlichen Wahrnehmung gewann die Thematik von Lootboxen, insbesondere aufgrund von Diskussionen rund um Glücksspielelemente in den oft von jungen Personen genutzten Onlinespielen, in den letzten Jahren an Bedeutung.

Zur glücksspielrechtlichen Beurteilung von Lootboxen ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob Lootboxen unter die Definition eines Glücksspiels gemäß § 1 Abs 1 öGSpG zu subsumieren sind, also ob es sich hierbei um ein Spiel handelt, bei „dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt“.

Lootboxen enthalten vor dem Öffnen unbekannte virtuelle Gegenstände von unterschiedlicher Qualität und Wertigkeit. Der konkrete Inhalt einer Lootbox wird in den meisten Fällen durch einen zufallsabhängigen Algorithmus im jeweiligen Spiel bestimmt. Grundsätzlich hat derjenige der eine Lootbox öffnet keine Möglichkeit auf das Spielergebnis – also auf die in der Lootbox enthaltenen virtuellen Güter – durch sein Können Einfluss zu nehmen. In solchen Fällen führt die Analyse zu dem Ergebnis, dass derartige Lootboxen als Glücksspiele iSd § 1 Abs 1 GSpG zu qualifizieren sind. An dieser Stelle ist jedoch festzuhalten, dass zur Beurteilung des Überwiegens der Zufallsabhängigkeit auf den konkreten Einzelfall und die tatsächlichen Modalitäten der jeweiligen Lootbox abzustellen ist.

Geht man nunmehr von der Annahme aus, dass im ersten Prüfungsschritt festgestellt wurde, dass die Generierung von Inhalten einer Lootbox zumindest vorwiegend vom Zufall abhängt und daher ein Glücksspiel vorliegt, so ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob es sich darüber hinaus um eine Ausspielung iSd § 2 Abs 1 öGSpG handelt, da Glücksspiele die nicht in Form einer Ausspielung durchgeführt werden gemäß § 4 Abs 1 Z 1 öGSpG nicht dem Glücksspielmonopol unterliegen.

Ausspielungen sind Glücksspiele:

  1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht; und
  2. bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz); und
  3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

In der Mehrzahl der Fälle wird das erste Tatbestandselement des unternehmerischen Veranstaltens, Organisierens, Anbietens oder Zugänglichmachens vorliegen, weshalb auf dieses gegenständlich nicht näher eingegangen wird.

Zur Beantwortung der Frage, ob ein Einsatz zum Öffnen der Lootbox gegeben wird, ist darauf abzustellen auf welche Art die Lootbox geöffnet werden kann. Ist hierzu die Bezahlung von Echtgeld erforderlich, ist jedenfalls vom Vorliegen eines Einsatzes auszugehen. Kritischer zu beurteilen sind Konstellationen in denen die Möglichkeit des Öffnens von Lootboxen im Spiel „erspielt“ wird oder in denen vorab beispielsweise ein Werbevideo anzusehen ist.

Bei der Beurteilung des in Aussicht stellen eines Gewinns insbesondere zu prüfen, ob den in der Lootbox enthaltenen virtuellen Gegenstände ein gemeiner Wert zugemessen werden kann. Dabei ist vordergründig darauf abzustellen, ob die Inhalte der konkreten Lootbox (auch) außerhalb des Computerspiels genutzt werden können und außerhalb des Spiels einen gemeinen Wert aufweisen. Hierbei ist besonders an „Marktplätze“ zu denken, auf denen mit den in Lootboxen enthaltenen virtuellen Gütern gehandelt werden kann. In diesem Fall wird das Vorliegen eines gemeinen Wertes und sohin das in Aussicht stellen eines Gewinns grundsätzlich zu bejahen sein. Liegen im konkreten Einzelfall sämtliche Tatbestandselemente kumulativ vor, so ist die spezifische Lootbox als Ausspielung zu qualifizieren. Das Vorliegen einer Ausspielung hat zur Folge, dass diese Lootbox in Österreich dem Glücksspielmonopol des Bundes gemäß § 3 öGSpG unterliegt und ohne österreichische Lizenz in Österreich nicht angeboten werden dürfen. Kann die Lootbox dennoch von Österreich aus geöffnet werden, so können Spieler ihre Nettospielverluste zivilrechtlich zurückfordern.

Zur Judikatur

Nach dem Kenntnisstand der Autoren, gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages, noch keine veröffentlichte Rechtsprechung1 betreffend Lootboxen in Österreich.

Aus Medienberichten ist jedoch eine noch nicht rechtskräftige erstinstanzliche Entscheidung des Bezirksgerichts Hermagor vom 26.02.2023 bekannt, in der die dort verfahrensgegenständliche Lootbox als Ausspielung qualifiziert wurde.2

Dieser konkrete Einzelfall betraf die Klage eines Spielers gegen Sony Interactive Entertainment Network Europe Limited auf Rückerstattung von für den Erwerb von FIFA-Packs geleistetem Echtgeld.

Das Gericht geht in seinem Urteil davon aus, dass es vom computergenerierten Zufall abhängt, welche virtuellen Güter (in diesem Fall virtuelle Fußballspieler) in der Lootbox enthalten sind, weshalb die FIFA-Packs als Glücksspiel zu qualifizieren waren. Zur Frage der Qualifikation als Ausspielung hat das Erstgericht in einem ersten Schritt denjenigen als Unternehmer beurteilt, der den Spielern „die Zugangsrechte zu den digitalen Inhalten einräumt, die durch das Öffnen der Lootbox freigeschaltet werden“. Da Sony Interactive Entertainment Network Europe Limited in ihrem PS-Store FIFA-Points zum Verkauf gegen Echtgeld anbiete und deren einziger Zweck letztlich das Öffnen von FIFA-Packs sei, ist die Sony Interactive Entertainment Network Europe Limited jene Unternehmerin die den Spielern das Glücksspiel zugänglich mache.

Die Frage des Einsatzes wurde, vor dem Hintergrund des Erwerbs der FIFA-Points durch Echtgeld, vom Gericht rasch beantwortet. Sodann setzte sich das Erstgericht damit auseinander, ob dem Einsatz ein Gewinn gegenübersteht, wobei es darauf abstellte, „ob der Inhalt der FIFA-Packs als Wirtschaftsgut im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handelbar und somit eine Gewinnerzielung möglich ist.“ Rechtlich erwog das Gericht, dass – trotz dahingehendem in den Nutzungsbedingungen enthaltenen Verbot – dennoch ein tatsächlicher Markt besteht der von Spielteilnehmern für den Handel mit den virtuellen Fußballspielern genutzt wird, weshalb den „digitalen Inhalten der FIFA-Packs […] ein wirtschaftlicher Wert entgegen“ steht. Als unerheblich beurteilte das Erstgericht den Umstand, dass die Sony Interactive Entertainment Network Europe Limited den Gewinn nicht selbst in Aussicht stellt, „da es nach dem Gesetztestext auch ausreicht, wenn dies ein anderer tut“.

Da das Gericht in rechtlicher Hinsicht die gegenständliche Lootbox (FIFA-Packs) sohin aus Ausspielung beurteilte für die keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz vorliegt, wurden die zwischen den Parteien geschlossenen Verträge als nichtig beurteilt, weshalb dem „Klagebegehren im Umfang des tatsächlich für FIFA-Packs verwendeten Betrages“ stattgegeben wurde. Der Spieler hat jedoch „im Zuge der Rückabwicklung die mit den FIFA-Points erworbenen Inhalte herauszugeben“.

Conclusio

Das Verfahren am Bezirksgericht Hermagor wurde soweit ersichtlich mit Unterstützung eines Prozesskostenfinanzierers geführt, weshalb davon auszugehen ist, dass weitere gerichtliche Auseinandersetzungen in diesem Zusammenhang bevorstehen.

Die diesbezügliche Rechtsprechung – auch der zweiten Instanz im hier besprochenen Verfahren – wird von allen Stakeholdern genauestens zu verfolgen sein. Aus Sicht der Autoren bietet bereits das vorliegende Urteil gewichtige Gründe die dort vorgenommene rechtliche Beurteilung zu hinterfragen.

Die Analyse der im Glücksspielgesetz statuierten Tatbestandsmerkmale, die erfüllt sein müssen, um von einer verbotenen Ausspielung, also „illegalem Glücksspiel“, sprechen zu können, und der Erwägungsgründe des Erstgerichts legen nahe, dass eine entsprechende Anpassung der Spielbedingungen für die Zukunft Abhilfe schaffen kann. Eine Gestaltung außerhalb des Anwendungsbereiches des Glücksspielgesetztes bedarf einer Evaluierung des jeweiligen Produktes und individueller Lösungsansätze.

1) https://www.ris.bka.gv.at/Judikatur/
2) vgl. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20230303_OTS0056/sensationsurteil-lootboxen-sind-illegales-gluecksspiel