Oberster Gerichtshof ermöglicht „risikoloses“ Glückspiel bei illegalen Onlinecasinos

Ein Artikel von RA Dr. Fabian Maschke, RA Rolf Karpenstein, RAA Mag. Simon Wallner

Ein Pyrrhussieg der Prozessfinanzierer und deren Dienstleister.

Oberster Gerichtshof ermöglicht „risikoloses“ Glückspiel bei illegalen Onlinecasinos.

So lautet im Original die Presseaussendung einer der größten Kanzleien für prozessfinanzierte Spielerklagen in Österreich.

Erfahrungsgemäß ist es immer einfach über Medienstatements einen schnellen Sieg in einer rechtlich umkämpften Causa zu verkünden. Gerne werden hier Schlagwörter wie „verheerend“ oder „weitreichend“ verwendet. Natürlich immer verbunden mit kurzen Auszügen und Zitaten aus den erfochtenen Entscheidungen die das Gesamtbild eintrüben bzw. den Blick auf das große Ganze verstellen. Dabei weiß ein jeder in der heutigen Zeit, dass es weniger Worte bedarf um einem Satz ein völlig anderes Bild zu geben. Hier ein Beispiel aus der Anwaltschaft: „Mein Mandant ist des Mordes nicht schuldig!“ Oder: „Mein Mandant ist des Mordes schuldig!“

Richtig ist, dass der OGH in seiner Entscheidung zu 6 Ob 200/22p folgendes festgestellt hat:

Es wurde bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof erläutert, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert (6 Ob 207/21s [Rz 15]; 9 Ob 79/21i), wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (6 Ob 229/21a [Rz 23]; 9 Ob 79/21i [Rz 15]). Im Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes wird der Rückforderungsanspruch des Spielers nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen (6 Ob 229/21a [Rz 23]; 6 Ob 207/21s [Rz 15]; 9 Ob 79/21i [Rz 15]; 2 Ob 17/22x [Rz 8 f]. Vielmehr besteht der Rückforderungsanspruch des Spielteilnehmers auch dann, wenn ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (10 Ob 2429/96w; 1 Ob 52/22m [Rz 10]). Eine bereits im Zeitpunkt der Leistung – also des Spieleinsatzes vorhandene – Kenntnis des Spielers von der Ungültigkeit der Verpflichtung schließt dessen Kenntnis von der Rückforderbarkeit der (trotz ungültiger Verpflichtung hingegebenen) Leistung in sich, womit es dem Kläger – wegen des bereits erörterten Verbotszwecks – auch nicht schaden könnte, wenn er der Beklagten eine allenfalls schon bei Teilnahme am verbotenen Spiel bei ihm vorhandene “Absicht“, verlorene Einsätze später einzuklagen, „verschwiegen“ hätte.

Damit stellt der OGH fest, dass es für Spieler / Spielerinnen möglich ist, ihre Einsätze rückzufordern, sofern beim in Österreich nicht konzessionierten Anbieter gespielt wurde. Dies unabhängig ob der Spieler / die Spielerin wusste, dass eine Rückforderbarkeit aufgrund der momentanen Rechtslage gegeben ist oder nicht. Zur Begründung verweist der OGH auf seine eigene Rechtsprechung und zitiert sich selbst wie oben angeführt.

Fakt ist jedoch:

Alle OGH Entscheidungen haben eine Sache gemeinsam, nämlich die Kernaussage, dass das im österr. Glückspielgesetz normierte Monopol- bzw. Konzessionssystem bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glückspielmarkt allen vom Gerichtshof der EU aufgezeigten Vorgaben entspricht. Hierbei verweist der OGH auf die RS 1 Ob 74/22x; 9 Ob 25/22z; 7 Ob 102/22h; 2 Ob 171/22v sowie 2 Ob 146/22t.

Tatsächlich gab es eine einzige ausführliche Beurteilung des österr. Glückspielgesetzes welche seither wieder und wieder zitiert und angeführt wird. Dies von allen Höchstgerichten. Es handelt sich hierbei um das Verfahren zu Ro 2015/17/0022 (Urteil vom 16.03.2016) welches vor dem VwGH geführt wurde.

Hierbei der VwGH wörtlich: Durch das Glückspielgesetz werden die angestrebten Ziele des Spielerschutzes, der Spielsuchtbekämpfung, der Verringerung der Beschaffungskriminalität sowie der Verhinderung von kriminellen Handlungen gegenüber Spielern in kohärenter und systematischer Weise verfolgt.

Der OGH begründet die nunmehr vorliegende Entscheidung mit dem Hauptargument Spielerschutz bzw. Schutzzweck der Norm – und öffnet leichtfertig einen systematischen Rechtsmissbrauch durch Spieler und Spielerinnen, die sich durch das Ausnützen der momentan bestehenden Judikatur eine Einnahmequelle verschaffen.

Die Rechnung für die Nutzer ist einfach: Wer spielt und gewinnt ist zufrieden. Wer spielt und verliert klagt und rechnet mit einem kompletten Ersatz aller Kosten sowie einer gesetzlich verankerten Verzinsung welche man bei anderen „Investments“ vergebens sucht.

Dabei ignoriert der OGH jedoch nicht nur die Judikatur des EuGH sondern vor allem die Tatsache, dass es niemals Schutzzweck der Norm war den Spieler oder die Spielerin vor einem Einsatz bei einem Glückspiel zu schützen sondern Glückspiele kontrolliert ablaufen zu lassen inkl. der Vorgaben betreffend Spielerschutz etc…

Das alles ist in derartigen Fällen (die Beklagte hält eine aufrechte maltesische Lizenz) gegeben. Das maltesische Recht steht in Punkto Spielerschutz und Schutzmaßnahmen den österr. Regelungen um nichts nach. Die Regulatorien sind streng und die Kontrollen genau.

Der OGH widerspricht somit nicht nur dem Unionsrecht sondern auch sich selbst und dem VwGH. Eine „verheerende“ Steilvorlage für ein zu führendes Staatshaftungsverfahren, aber auch für das betreffend der Klage eines Spielers anhängige Verfahren vor dem EuGH, welches der OGH – bewusst oder absichtlich – nicht erwähnt. Das vor dem EuGH anhängige Verfahren betrifft nebenbei ebenfalls „N1“.

Die entsprechenden Entscheidungen bleiben abzuwarten. In jedem Fall steht jedoch fest, dass nach einer erfolgten unionsrechtskonformen Entscheidung „N1“ nicht von einer verheerenden Niederlage berichten wird, sondern von einer konsequenten und richtigen, dem Europarecht entsprechenden Entscheidung. Wer (unions-)rechtskonform obsiegt, muss sich nicht proaktiv rechtfertigen.

Kontakt:
Rechtsanwalt Dr. Fabian Maschke
RAA Mag. Simon Wallner
Dominikanerbastei 17/11, 1010 Wien

Rechtsanwalt Rolf Karpenstein
Gerhofstraße 40, 20354 Hamburg