Werbung im Spannungsfeld: Zwischen verantwortungsvoller Regulierung und Stigmatisierung

Ein Beitrag von Rechtsanwältin Michelle Hembury und Rechtsanwalt Dr. Holger Jakob

Im Spannungsfeld zwischen lizensierten und nicht lizensierten Glücksspielangeboten sollte ein Grundkonsens über zulässige Werbung bestehen. Der Jugendschutz muss zwischen Kanalisierungsauftrag und ökonomischen Interessen Berücksichtigung finden. Die obligatorischen Werbekonzepte der Veranstalter dürfen nicht apodiktisch, sondern sollten von der Glücksspielaufsicht individuell und antragsbezogen beurteilt werden. Tatsächlich birgt maßvolle Werbung nur geringe Risiken für die Spielverhaltensentwicklung, kann allerdings Vertrauen und Rechtssicherheit schaffen und im Ergebnis attraktive Angebote hervorbringen, so dass Kunden nicht mehr auf Schwarzmarktangebote ausweichen müssen.

In Deutschland sind die Rahmenbedingungen für Glücksspiel im Glücksspielstaatsvertrag („GlüStV“) festgelegt. Mit dem Inkrafttreten des neuen GlüStV am 1. Juli 2021 sind erstmals neben Sportwetten und Lotterien auch virtuelle Automatenspiele, Online-Poker und Online-Casinospiele erlaubnisfähig. Mit der Erweiterung des Online-Vertriebs ändert sich die Zielrichtung der bisherigen Prohibitionspolitik im deutschen Glücksspielmarkt. Ein wichtiges Ziel ist es, den Schwarzmarkt endlich spürbar auszudünnen. Dies ergibt sich aus den regulatorischen Zielen, die in § 1 GlüStV zu finden sind. Obwohl die dort genannten Ziele gleichrangig nebeneinanderstehen, ist ihnen ein Spannungsfeld immanent. Je attraktiver das Glücksspiel auf dem legalen Markt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Kunden und Kundinnen dem Schwarzmarkt den Rücken zuwenden (sog. „Kanalisierung“). Das legale Angebot muss aber stets auch die Belange des Gesundheits- und Spielerschutzes berücksichtigen. Einzahlungsgrenzen, Spielersperren, Spielzeitpausen oder Identifikations- und Verifizierungsprozesse verringern die Attraktivität im Vergleich zum Schwarzmarkt, wo solche oder ähnliche Schutzmaßnahmen meist nicht vorhanden sind. Zugleich dienen sie aber der Spielsucht- und Geldwäscheprävention. Es gilt folglich, eine ausgewogene Balance zwischen den formulierten Gesetzgebungszielen zu schaffen, indem die behördliche Praxis und Auslegung stets alle Regelungsziele und deren Gleichrangigkeit im Blick hat.

Werbung ist ein sinnvolles Mittel, um diesen Balanceakt zu manövrieren. Grundsätzlich wird Werbung als jede Äußerung bei der Ausübung eines Handelsgewerbes, Handwerks oder freien Berufs verstanden, mit der das Ziel verfolgt wird, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen (…) zu fördern (vgl. Art. 2 lit. A RL 2006/114/EG zu werblichem Verhalten). Eine Bestandsaufnahme des GlüStV mit Blick auf dessen Ziele ergibt, dass sehr viele Bestimmungen dem Schutz von Spielenden und Minderjährigen dienen. So müssen grundsätzlich monatliche Einzahlungslimits von maximal 1.000,00 Euro pro Spieler eingehalten werden, die Spielaktivität sowie -dauer muss überwacht werden, Spielersperren gelten bundesweit und regelmäßige Pausen müssen vorgesehen sowie Hinweise zu präventiven Zwecken angezeigt werden. Die meisten dieser Spielerschutzmaßnahmen werden mittels nationaler, anbieterübergreifender Datenbanken beaufsichtigt. Hinzu kommen technisch anspruchsvolle Identifizierungs-, Verifizierungs- sowie Authentifizierungsinstrumente, damit der Ausschluss Minderjähriger gewährt und Geldwäsche verhindert werden kann.

Dreh- und Angelpunkt für die Austrocknung des Schwarzmarktes ist einerseits die Wettbewerbsfähigkeit des legalen Marktes, insbesondere vor dem Hintergrund eines etablierten Schwarzmarktes mit einem beachtlichen Kundenstamm, und andererseits einer konsequenten Verfolgung illegaler Angebote („Enforcement“).

Der Weg zur Kanalisierung

Doch wie und vor allem wie schnell werden die Aufsichtsbehörden das Verbot unlizenzierten Glücksspiels durch Untersagungsbescheide vollziehen, wie muss virtuelles Glücksspiel gestaltet sein, dass Spieler und Spielerinnen die sicherere Spielumgebung hinreichend attraktiv finden und wie darf außerhalb der anbietereigenen Webseiten für das Angebot geworben werden?

Im Vergleich zum terrestrischen Glücksspiel gibt es weder Laufkundschaft noch die Möglichkeit, durch die Gestaltung der Außenfassade Werbung für Onlineangebote zu betreiben. Doch können beispielsweise Informationen über legale Produktangebote zur Erreichung des Kanalisierungsziels beitragen. Nach einer aktuellen Marktforschungsstudie ist das Merkmal der Lizensierung für 31 Prozent der Spieler wichtig bei der Entscheidung für ein Glücksspielangebot im Internet.

Der Blick über den Tellerrand

Das Beispiel Dänemark zeigt, dass alle Stakeholder von einer funktionierenden Glücksspielregulierung profitieren können. Dort finden mittlerweile über 90 Prozent aller Spielaktivitäten auf dem lizenzierten, legalen Markt statt. Damit weist Dänemark die statistisch höchste Kanalisierungsrate im europäischen Vergleich aus. Dazu trägt insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit des legalen Marktes bei. Das sollte auch das Ziel in Deutschland sein. Worin liegen die Potentiale und Gefahren im Zusammenhang mit Glücksspielwerbung? In dem Spannungsfeld zwischen lizensierten und nicht lizensierten Angeboten sollte ein Grundkonsens über zulässige Werbung bestehen, die in § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV geregelt ist. Der Jugendschutz muss zwischen Kanalisierungsbestrebungen und ökonomischen Interessen besondere Berücksichtigung finden. Die zur Erlaubniserteilung einzureichenden Werbekonzepte müssen dies vorsehen und werden schließlich Teil der Veranstaltererlaubnis. Darüber hinaus bietet § 5 Abs. 1 Satz 2 GlüStV die Möglichkeit, in den Erlaubnissen individuell und antragsbezogen Regelungen für erlaubte Werbemaßnahmen zu setzen. Tatsächlich birgt maßvolle Werbung nur geringe Risiken für die Spielverhaltensentwicklung, kann aber im besten Fall sogar Vertrauen und Rechtssicherheit schaffen.

Werbung ist erforderlich

Durch maßvolle Werbung für Online-Glücksspiele kann dem Informationsbedürfnis entsprochen und zugleich der Verbraucherschutz berücksichtigt werden. Generelle Verbote einzelner Werbekanäle sollten tabu sein. Wenn zum Beispiel nachmittags nach „Casino“ gegoogelt wird und dabei nur Schwarzmarktangebote erscheinen, werden Nutzer diese Ergebnisse anklicken. So wäre es daher im Sinne der gewünschten Kanalisierung, dass zu dieser Zeit trotz des in § 5 Abs. 3 GlüStV normierten Tageszeitverbots weiterhin (Affiliate-)Werbung im Internet angezeigt werden darf. Dies erscheint nicht nur über eine systematische und teleologische Auslegung plausibel, sondern auch aus praktischen Gründen sinnvoll. Denn entweder man folgt aus einem Umkehrschluss zu § 5 Abs. 6 GlüStV, dass Affiliate-Werbung gar nicht von dem Tageszeitverbot erfasst wird, oder der Rechtsanwender erkennt die praktischen Probleme eines Tageszeitverbots für statische Werbung und schließt diese daher vom Anwendungsbereich des § 5 Abs. 3 GlüStV aus. Während flexibel schaltbare Werbung mit einfachen technischen Mitteln so programmiert werden kann, dass sie in dem besagten Zeitfenster Endkunden gegenüber nicht sichtbar wird, gestaltet sich die Umsetzung des Tageszeitverbots für statische Werbung als wesentlich komplexer. Metadaten, auf deren Grundlage die Rahmenbedingungen der jeweiligen Werbemaßnahme im Internet festgelegt und von den Suchmaschinen hinterlegt werden, können lediglich mit zeitlichem Verzug aktualisiert werden. Eine auf die Stunde genaue Umsetzung einer Live-Schaltung oder -Abschaltung ist nicht möglich.

Genauso dürfen moderne Informationskanäle wie Social Media nicht von vorneherein verteufelt und als Plattform zulässiger Werbung verboten werden. Insbesondere jüngere Verbraucher, die meist überdurchschnittlich oft auf diesen Online-Umgebungen aktiv sind, reagieren auf werbliche Ansprachen. Das Risiko einer „Bubble“ für illegales Glücksspiel auf Social Media-Plattformen ist gefährlich und kaum zu überblicken und einzudämmen. Pauschale Verbote verhindern, dass Veranstalter und Werbende in zeitgemäßer, lösungsorientierter und angemessener Art und Weise ihre Kunden über legale Glücksspielangebote informieren können.

Fazit

Die vorgesehene Evaluierung des GlüStV sollte in einem fortlaufenden Dialog zwischen den Marktbeteiligten stattfinden. Es hilft nicht, aufgrund der immer noch vorhandenen vielfältigen Schwarzmarktangebote die gesamte Branche zu stigmatisieren. Schließlich sind viele Anbieter bestrebt, sich am lizenzierten Markt zu beteiligen und mittels Kreativität und Ideenreichtum eine attraktive Spielumgebung zu schaffen, bei der der Spielerschutz eine große Rolle spielen soll. Positiv ist erwähnen, dass sich die relevanten Stakeholder bereits intensiv über Verbesserungspotenziale austauschen. So wurden beispielsweise schon Gespräche zwischen Anbietern, der Gemeinsamen Glücksspielbehörde (GGL) als Aufsichtsbehörde, die zum 1. Januar 2023 endlich die zentrale Stelle für die Glücksspielregulierung in Deutschland wird, und dem Bundesbeauftragten für Sucht- und Drogenfragen geführt.

Kontakt:
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Rechtsanwältin Michelle Hembury
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Rechtsanwalt Dr. Holger Jakob
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