VG Hamburg: Gebührenpraxis der Stadt Hamburg für Erteilung von Wetterlaubnissen rechtswidrig

Rechtsanwalt Bernd Hansen

Anwaltskanzlei Hansen
Lüllauer Str. 1
D - 21266 Jesteburg
Mit Beschluss vom 17.08.2022 hat das Verwaltungsgericht Hamburg dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines von der Hamburger Innenbehörde erlassenen Gebührenbescheides für die Erlaubniserteilung zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle ganz überwiegend stattgegeben und die Aussetzung der Vollziehung der von der Behörde in Höhe von 20.000 € festgesetzten Gebühr fast vollständig bis auf einen Betrag von 500 € stattgegeben.

Der Antragsteller wird von Rechtsanwalt Bernd Hansen aus Jesteburg vertreten.

Im Juni 2021 war dem Antragsteller der Betrieb der Wettvermittlungsstelle von der Behörde befristet bis zum 31. Dezember 2022 erlaubt worden. Die Behörde setzte die Gebühr für die Erlaubnis in Höhe von 20.000 € fest. Je aufgestelltem Wettvermittlungsgerät betrage die Gebühr 2.500 €, so dass sich bei acht aufgestellten Geräten daraus der Betrag von 20.000 € ergebe.

Der Antragsteller legte gegen den Gebührenbescheid durch den Unterzeichner Widerspruch ein. Nachdem die Behörde die Gebühren beim Antragsteller angemahnt hatte, beantragte der Antragsteller durch den Unterzeichner beim Verwaltungsgericht Hamburg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO.

Das Verwaltungsgericht Hamburg hat dem Eilantrag stattgegeben, soweit die Behörde eine Gebühr von mehr als 500 € festgesetzt hat. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Der Bescheid sei voraussichtlich ermessensfehlerhaft und rechtswidrig, denn die Gebührenfestsetzung dürfte ermessensfehlerhaft sein, weil die Behörde von einem fehlerhaften Gebührenrahmen ausgegangen sein dürfte und schließlich auch die wirtschaftliche Bedeutung der Erlaubnisse unzureichend – mithin ermessensfehlgebrauchend – berücksichtigt haben dürfte.

Zwar dürfe grundsätzlich eine Rahmengebühr zwischen 500 und 20.000 € für entsprechende Erlaubnisse erhoben werden, allerdings dürfte die Behörde die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens dadurch überschritten haben, dass sie den vorgegebenen Gebührenrahmen, innerhalb dessen das Festsetzungsermessen zu betätigen ist, fehlerhaft nicht zugrunde gelegt habe.

Denn sie habe in ihrer Ermessensentscheidung faktisch lediglich einen verkleinerten Gebührenrahmen zwischen 2.500 € und 20.000 € berücksichtigt, die Gebührenordnung sehe jedoch einen Gebührenrahmen zwischen 500 € und 20.000 € vor.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Behörde den Gebührenrahmen vollständig zugrunde gelegt hat, so dürfte sie ihr Rahmenermessen jedenfalls fehlerhaft im Einzelfall gebraucht haben, indem sie den Gebührenrahmen fehlerhaft angewandt hat. Einerseits dürfte die Behörde die Rahmengebühr wie eine Pauschgebühr angewandt haben. Dies stelle einen Ermessensfehler dar. Die Behörde habe ihre Ermessensentscheidung faktisch so getroffen, als läge dieser kein Gebührenrahmen, sondern eine Pauschgebühr, nämlich in Höhe von 2.500 € pro Wett-Terminal zugrunde. Dies dürfe jedoch dem Willen des Verordnungsgebers widersprechen, der mit Ziffer 5.1 der Anlage zur Hamburgischen Glücksspiel-Gebührenordnung gerade keine Pausch- sondern eine Rahmengebühr vorgesehen habe.

Andererseits hat die Behörde den Gebührenrahmen auch im Übrigen fehlerhaft im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung angewandt. Für die Bestimmung eines Gebührenrahmens gelte, dass der Mittelwert des Gebührenrahmens den durchschnittlich „wertigen“ und „aufwändigen“ Fall kennzeichnet, sodass die Rechtsfolge einer umso dichteren Begründung bedarf, je stärker sie nach oben oder unten von dem Mittelwert abweicht. Infolgedessen spreche für eine missbräuchliche Umgehung der Ermessenszwecke, die dem von der Verordnung vorgegebenen Rahmen widerspricht, wenn die Behörde ihre Ermessensparameter so ausgestaltet, dass in nahezu jedem Fall die Höchstgebühr zur Anwendung kommt. Letzteres dürfe hier der Fall sein. Die Behörde weiche hier regelmäßig und ohne weitere Begründung von dem Mittelwert des in Ziffer 5.1 der Anlage zur Gebührenordnung vorgesehenen Gebührenrahmens ab, der bei einer Gebühr von ca. 10.000 € liege. So habe sie auch im Falle des Antragstellers für die Erlaubnis der Wettervermittlungsstelle die Höchstgebühren von 20.000 € festgesetzt.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Antragsteller über überdurchschnittlich viele Wett-Terminals in seiner Wettvermittlungsstelle verfügt, so hätte es der Behörde vor diesem Hintergrund jedenfalls im Einzelfall oblegen darzulegen, weshalb sie die Höchstgebühr festsetzt und damit deutlich vom durchschnittlichen Mittelwert abweicht. Die Behörde habe insbesondere nicht substantiiert ausgeführt, weshalb in der Erlaubnisphase ein signifikant erhöhter Prüfungs- sowie nachträglicher Kontrollaufwand anfalle, je mehr Wettvermittlungsgeräte erlaubt werden. Ihre knappe Erläuterung, dass nur auf diese Weise eine Gleichbehandlung aller Anträge möglich gewesen sei, begründe ihr erhebliches Abweichen von dem Mittelwert, der den in der Gebührenordnung zum Ausdruck gekommenen Willen des Verordnungsgebers repräsentiert, hingegen nicht.

Ferner dürfe die Behörde ihr Ermessen fehlgebraucht haben, indem sie den wirtschaftlichen Wert der streitgegenständlichen Erlaubnisse ausschließlich anhand der Anzahl der Vermittlungsgeräte bestimmt und so weitere Faktoren, die für den wirtschaftlichen Wert einer Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle ebenfalls bestimmend waren, nicht berücksichtigt hat. Infolgedessen habe die Behörde entscheidungserhebliche Umstände in ihre Ermessenerwägungen nicht einbezogen.

Die Bestimmung des wirtschaftlichen Wertes ausschließlich anhand der Anzahl der Wett-Terminals stimme nicht mit den gesetzlichen Anforderungen überein. Die Behörde habe verkannt, dass der wirtschaftliche Wert einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle auch durch andere Faktoren als die Anzahl der erlaubten Wett-Terminals wesentlich bestimmt werde. Um den wirtschaftlichen Wert der erteilten Erlaubnis realistischer und differenzierter zu bestimmen, habe die Behörde weitere Kriterien berücksichtigen müssen, wie z.B. die Laufzeit der jeweiligen Erlaubnis und die Attraktivität des Standortes.

Die erforderliche umfassende Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem öffentlichen Vollzugsinteresse gehe zu Gunsten des Antragstellers aus. Im Rahmen der gebotenen Abwägung sei die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, aber auch das Gebot der Gewährung umfassenden und effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG zu beachten. Dabei sei der Rechtsschutzanspruch umso stärker und dürfe umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken.

Für ein maßgebliches Aussetzungsinteresse des Antragstellers dürfte hier sprechen, dass seine Erfolgsaussichten in der Hauptsache sehr hoch sein dürften, weil die Ermessensentscheidung der Behörde allein drei voneinander unabhängige Fehler aufweise und bereits jeder Fehler für sich genommen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Gebührenfestsetzung begründen dürfte. Diese aufgezeigten Ermessensfehler dürfte die Behörde auch nicht durch die bloße Ergänzung weiterer Ermessenserwägungen im Rahmen des laufenden Widerspruchsverfahrens beseitigen können, da sie die Ermessensentscheidung der Behörde in ihrem Ausgangspunkt betreffen. Vor dem Hintergrund, dass der Widerspruch des Antragstellers somit höchstwahrscheinlich erfolgreich sein werde, war seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung insoweit stattzugeben.

Anmerkung des Unterzeichners:
Die Stadt Hamburg hat das Verfahren für die Erlaubniserteilung von Wettvermittlungsstellen offenbar als lukrative Möglichkeit gesehen, ihre u.a. durch Vettern- und Günstlingswirtschaft (vgl. z.B. Steuernachlass für Banken, die an illegalen Cum-Ex-Geschäften beteiligt waren) geleerten Kassen mit völlig überzogenen und missbräuchlichen Gebühren wieder aufzufüllen. Diesem Gebaren hat das Verwaltungsgericht Hamburg mit seinem Beschluss - auch wenn er zunächst nur im Eilverfahren ergangen ist – nun einen Riegel vorgeschoben.

Die Rechtsanwaltskanzlei Bernd Hansen in Jesteburg vertritt zahlreiche Betreiber von Wettvermittlungsstellen, gegen die im vergangenen Jahr von der Hamburger Innenbehörde entsprechende Gebührenbescheide erlassen wurden sowie auch solche Betreiber von Wettvermittlungsstellen, denen die Erlaubnis von der Behörde im vergangenen Jahr versagt wurde.