Spielerklage erneut erfolglos: Landgericht Dresden erteilt dem Geschäftsmodell des „Spielens ohne Risiko“ weitere Absage

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein/Hamburg

Wieder einmal hat in einem hier geführten Verfahren ein Landgericht dem Geschäftsmodell des „Spielens ohne Risiko“ einen Riegel vorgeschoben. Zum Hintergrund:

Im EU-Ausland lizenzierte und dort behördlich überwachte Anbieter von online-Glücksspielen sind „erlaubt“, sie sind reguliert, behördlich überwacht und bieten ein geordnetes auf den Spielerschutz ausgerichtetes Angebot an. Die Gefahr unlauterer Machenschaften besteht nicht und der Spielerschutz ist durch strenge Vorgaben, insbesondere im maltesischen Glücksspielregime, absolut gewährleistet. Behördlich lizenzierte und behördlich überwachte Anbieter aus Malta dürfen daher keineswegs unter dem Aspekt der Gefahr, dass die Spieler unlauter behandelt werden könnten, in ihrer Dienstleistungsfreiheit beschränkt werden. Auch sind Anbieter aus Malta keineswegs „illegal“ in Deutschland tätig, nur weil ihnen eine deutsche Konzession fehlt. Denn ihnen wird eine deutsche Konzession/Erlaubnis seit Jahren unionsrechtswidrig vorenthalten.

Dennoch hat sich in Deutschland seit zwei Jahren das dubiose Geschäftsmodell des „Spielens ohne Risiko“ etabliert. Angeregt durch massive Werbung einiger Anwälte werden die bei in Malta lizenzierten Anbietern erzielten Gewinne schweigend eingestrichen, Verluste aber werden zurückgeklagt. Zwar gibt es, wie berichtet, zahlreiche Gerichte, bei denen dieses Geschäftsmodell des „Spielens ohne Risiko“ keine Chance auf Erfolg hat. Vor deutschen Zivilgerichten offenbaren sich aber auch immer wieder dramatische Unkenntnisse im Unionsrecht. Selbstredend darf einem im EU-Ausland lizenzierten Anbieter, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit beruft, das Fehlen einer deutschen Erlaubnis oder Konzession nicht entgegengehalten werden, wenn und weil die Anbieter seit Jahren unionsrechtswidrig von einer deutschen Erlaubnis ausgeschlossen sind. Zwar könnte ein Erlaubnisvorbehalt dem Grunde nach gerechtfertigt werden. Der im früheren Staatsvertrag geregelte generelle Ausschluss von einer Erlaubnis kann aber nicht mehr gerechtfertigt werden, weil die Tatsache, dass die Bundesländer zum 1.7.2021 ein bereits 2019 dem Grunde nach vereinbartes Erlaubnisverfahren eingeführt haben, unwiderlegbar beweist, dass die Bundesländer selbst für ein Totalverbot keine Geeignetheit und keine zwingende Notwendigkeit sehen. Soweit die im EU-Ausland erlaubten Anbieter bis heute keine deutsche Konzession/Erlaubnis innehaben, liegt dies daran, dass das bestehende Erlaubnisverfahren nicht den unionsrechtlichen Anforderungen entspricht. Weder die Gesetzeslage noch die von Sachsen-Anhalt und dem verfassungswidrigen Glücksspielkollegium durchgeführte Behördenpraxis entspricht den Anforderungen an die unionsrechtliche Gleichbehandlung und Transparenz. Interessant ist dabei auch, dass die Bundesländer mit dem Vierten Staatsvertrag den früheren § 4 Buchst. b Abs. 1 herausnahmen. Darin war festgelegt, dass ein Konzessionsverfahren transparent und diskriminierungsfrei und unter Einhaltung der Publizitätspflicht durchgeführt werden muss.

Weil die im EU-Ausland lizenzierten und behördlich überwachten und damit „erlaubten“ Anbieter unionsrechtswidrig von einer deutschen Konzession ausgeschlossen werden, dürfte keine einzige Spielerklage Erfolg haben. Die floskelhaften und unzusammenhängenden Erwägungen vieler Zivilgerichte, ein Internetvertriebsverbot sei mit Unionsrecht vereinbar, gehen an den Anforderungen des Unionsrechts und der umfangreichen Rechtsprechung des EuGH für die Rechtfertigung von Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit völlig vorbei. Es ist ohnehin nicht Aufgabe der Gerichte, Rechtfertigungsgründe für Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit zu behaupten, die die Klagepartei weder vorgetragen noch bewiesen hat. Die Gerichte müssen vielmehr berücksichtigen, dass das seit über einem Jahr anhängige Erlaubnisverfahren alle unionsrechtlichen Vorgaben ignoriert und sogar konterkariert. Obwohl die Verletzungen des Unionsrechts in dem Verfahren offen auf der Hand liegen und mehrfach gerügt wurden, sind mittlerweile sieben Erlaubnisse vergeben worden, davon zwei an unbedeutende Anbieter und fünf an Unternehmen der Gauselmann- und Novomatic-Gruppe, welche auch staatlich konzessionierte Spielbanken betreiben.

Diese Erkenntnisse, die dazu führen, dass aus dem Fehlen einer Konzession/Erlaubnis kein Nachteil für einen Dienstleister im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit erfolgen darf - und daher auch kein Rückforderungsanspruch wegen angeblicher Nichtigkeit von Spielverträgen besteht - hatte das Landgericht Dresden seiner Entscheidung zwar noch nicht zugrunde gelegt. Dennoch hat das Landgericht Dresden in richtiger Anwendung der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB und wegen der Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben in einem hier geführten Spielerverfahren die Klageansprüche abgelehnt. Das LG Dresden führt aus:

„Der Anspruch des Klägers ist aber nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, da der Kläger wusste bzw. hätte wissen können, dass das Glücksspiel bei der Beklagten nicht legal ist. Es kommt auch keine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB in Betracht. … Sofern der Kläger behauptet, er habe von dem Verbot des online-Glücksspiels nichts gewusst, ist dies nicht überzeugend. Es ist anzunehmen, dass der Kläger sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass das Angebot der Beklagten nicht legal sein könnte. … Hinzu kommt, dass die Beklagte in ihren AGB zumindest klarstellt, dass die Möglichkeit der Illegalität besteht und der Spieler sich dessen vergewissern solle.“

Zum OLG Frankfurt führt das LG Dresden aus, dass § 817 S. 2 BGB „gerade nicht den direkten Vorsatz erfordert, sondern das leichtfertige Verschließen ausreichen lässt.” Aber auch diese These ist noch überzogen. In § 817 S. 2 BGB ist nämlich – wie auch das Landgericht Wuppertal richtig ausgeführt hatte – von einem zumindest leichtfertigen Verstoß gegen eine Verbotsnorm nicht die Rede. Es leuchtet auch nicht ein, weshalb die Kondiktionssperre nur greifen soll, wenn der Rückfordernde vorsätzlich bzw. leichtfertig gegen eine Verbotsnorm verstoßen hat. Würde man beim Leistenden den Vorsatz fordern, müsste man auch beim Leistungsempfänger den Nachweis fordern, dass dieser vorsätzlich gegen eine Verbotsnorm verstoßen hat. Ein Glücksspiel-Anbieter, der sich auf die Dienstleistungsfreiheit gegenüber dem deutschen Erlaubnisvorbehalt beruft, handelt aber niemals vorsätzlich „illegal“.

Der von einigen Gerichten willkürlich praktizierten Nichtanwendung der Kondiktionssperre erteilt das LG Dresden ebenfalls eine Absage und führt aus:

„Wie die Beklagte richtigerweise anführt, handelt es sich bei § 4 Abs. 4 GlüStV um eine Regelung mit ordnungsrechtlichem Charakter. Zum anderen ist schon fraglich, inwiefern Regelungen aus Staatsverträgen überhaupt eine Schutzwirkung entfalten können, dass dadurch zivilrechtliche Ansprüche betroffen wären. … Der Glücksspielstaatsvertrag hat, auch wenn er sich im einzelnen differenzierte Ziele setzt, dem Grunde nach die Aufgabe, das Glücksspielmonopol des Staates zu schützen, da er Instrument der Glücksspielaufsichtsbehörde ist. Dass das Verbot aus § 4 Abs. 4 GlüStV zusätzlich auch dem Spielerschutz dienen kann und soll, spricht nicht gegen diese Annahme.“

Durch die Kondiktionssperre werde auch keineswegs illegalem Glücksspiel Vorzug geleistet. Denn es sei gegenteilig der Fall, dass bei einer steten Annahme der teleologischen Reduktion – also der willkürlichen Nichtanwendung von § 817 S. 2 BGB – die Spieler von online-Anbietern ihre Verluste zurückfordern könnten und so selbst der „bemühte Casinobetreiber“ – und erst recht der im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit agierende Betreiber – Opfer von Rückforderungsansprüchen wird. Eine solch uferlose Inanspruchnahme der Leistungsempfänger lasse sich nicht dem Schutzbereich eines Verbotsgesetzes entnehmen und könne erst recht nicht im Rahmen des § 4 Abs. 4 GlüStV erkannt werden.

Im Übrigen, so das Landgericht Dresden, besteht keine Schutzwürdigkeit des Klägers. „Denn die Schutzwirkung kann nicht einerseits dem Leistenden zugutekommen, während er selbst andererseits genau gegen dieses Schutzgesetz verstößt.“

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