Landesregierung von Sachsen-Anhalt: „Gemeinsame Leitlinien sind unverbindlich“

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein/Hamburg

In einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Landesregierung von Sachsen-Anhalt jetzt klargestellt, dass der Umlaufbeschluss und die darauf beruhenden Gemeinsamen Leitlinien eine unverbindliche Kooperationsabsprache sind und keine rechtliche Verbindlichkeit für die Glücksspielbehörden der Länder entfalten können. Der Umlaufbeschluss und die Gemeinsamen Leitlinien könnten Glücksspielrecht nicht ändern und seien als solche auch nicht justiziabel. Weil die Gemeinsamen Leitlinien von Sachsen-Anhalt dennoch zur Beurteilung von Erlaubnisbewerbungen herangezogen werden, ist das Erlaubnisverfahren intransparent und rechtswidrig.

Das in Konzessions- und Erlaubnisverfahren stets einzuhaltende unionsrechtliche Transparenzgebot verlangt, dass (Zitat EuGH, Ince) „ein System der vorherigen Genehmigung für das Angebot von Glücksspielen auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruht, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern.“ Kurz: Alle Bedingungen für eine Erlaubnis müssen im Voraus festgelegt und bekannt gemacht worden sein. Die Missachtung des Transparenzgebotes führt dazu, dass Konzessionsbewerber weder rechtmäßig abgelehnt werden können noch darf ihnen das Fehlen einer Konzession oder Erlaubnis vorgehalten werden.

Das Transparenzgebot wird im Konzessionsverfahren für virtuelle Automatenspiele in mehrfacher Hinsicht grob verletzt. Dazu hatten die Rechtsanwälte Hansen und Maschke auf Isa-Law schon berichtet. Ablehnende Entscheidungen können daher genauso wenig wie die Zuerkennung von Konzessionen oder Erlaubnissen für virtuelle Automatenspiel rechtmäßig ergehen.

Die Intransparenz des Verfahrens räumt mittelbar jetzt auch die Landesregierung – das Ministerium für Inneres und Sport – vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg ein. In einem Verfahren nach dem Informationsfreiheitsgesetz bekräftigt die Landesregierung für Sachsen-Anhalt, dass die sogenannten „Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielbehörden der Länder in Bezug auf Angebote von virtuellen Automatenspiel auf Grundlage des Umlaufbeschlusses der Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 8. September 2020“ seitens des beklagten Landes nicht veröffentlicht wurden. Die Landesregierung unterstreicht damit, dass die Gemeinsamen Leitlinien schon deshalb keine Erlaubnisanforderung für virtuelle Automatenspiele geworden sind. Dementsprechend findet sich weder in den Merkblättern, die Sachsen-Anhalt sogar schon vor Inkrafttreten des Vierten Glücksspielstaatsvertrags zum Erlaubnisverfahren veröffentlicht hatte, noch in anderen Unterlagen der Hinweis, dass die „Gemeinsamen Leitlinien“ Bestandteil des Erlaubnisverfahrens sind. Nachdem diese Gemeinsamen Leitlinien auch aus Sicht der Landesregierung von Sachsen-Anhalt nur unverbindliche und informale Absprachen ohne rechtliche Verbindlichkeit sind und auch gar keine gesetzliche Grundlage haben, dürfte das Landesverwaltungsamt die Gemeinsamen Leitlinien nicht im Erlaubnisverfahren anwenden.

Indes ist das Gegenteil der Fall. Unter grober Verletzung des Transparenzgebotes macht das Landesverwaltungsamt die Einhaltung der Gemeinsamen Leitlinien zum Gegenstand des Erlaubnisverfahrens - dies jedenfalls für einige Bewerber. In Anhörungsschreiben werden Konzessionsbewerber z.B. überraschend mit dem Vorwurf konfrontiert, die Konzessionsstelle habe den Verstoß gegen ein Verbot festgestellt, welches sich aus den Gemeinsamen Leitlinien (das Landesverwaltungsamt spricht von „CdSK- Leitlinien“) ergebe. Aus diesem Verstoß gegen die Beschränkungen der Gemeinsamen Leitlinien leitet Sachsen-Anhalt dann sogar ab, dem Anbieter fehle die nach § 4 Buchst. a GlüStV erforderliche Zuverlässigkeit.

Auch damit steht fest, dass das Erlaubnisverfahren wiederholt werden muss und dass Erlaubnisbewerbungen unmöglich rechtmäßig abgelehnt oder erteilt werden können. Die Gemeinsamen Leitlinien sind entgegen dem Transparenzgebot nicht im Voraus als Bedingung für die Erlaubnis festgelegt und bekannt gemacht worden. Sie haben sogar nach Auffassung der Landesregierung von Sachsen-Anhalt keine rechtliche Verbindlichkeit für die Glücksspielbehörden und sind nicht einmal justiziabel. Weil die Gemeinsamen Leitlinien dennoch zum Gegenstand des Erlaubnisverfahrens gemacht werden, ist – einmal mehr – die Intransparenz des Verfahrens belegt.

Aus dem Schriftsatz der Landesregierung an das VG Magdeburg sei zitiert:

Bereits der Umlaufbeschluss und die Leitlinien hätten nach Auffassung des Beklagten keiner Veröffentlichung bedurft. … Bei dem Umlaufbeschluss handelt es sich nicht um ein verbindliches Verwaltungsabkommen, sondern um eine unverbindliche Kooperationsabsprache. Die in Formalität der Absprache, die Bezeichnung als „Umlaufbeschluss“ sowie die Verständigung allein durch die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien sprechen dafür, dass der Umlaufbeschluss selbst noch keine rechtliche Verbindlichkeit für die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder entfalten soll und kann. Auch die Art der Veröffentlichung spricht gegen die Verbindlichkeit des Umlaufbeschlusses, da der Text nicht im Amtsblatt der Länder veröffentlicht wurde, sondern nur über den Internetauftritt einiger Landesministerien abgerufen werden kann. Der Umlaufbeschluss als unverbindliche Kooperationsabsprache kann glücksspielrecht nicht ändern und ist als solcher nicht justiziabel (Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, vom 3. November 2020, Seite 6, Punkt 3).

Auch die gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden vom 30. September 2020 sind als Absprache von Vertretern der Glücksspielaufsichtsbehörden unterschiedlicher Länder als unverbindliche zwischenstaatliche Kooperation einzustufen. Die Glücksspielaufsichtsbehörden unterschiedlicher Länder können sich nicht gegenseitig wirksam zu einem bestimmten Handeln verpflichten; dazu haben sie keine Weisungskompetenz.“

Das Landesverwaltungsamt zieht dennoch eine „unverbindliche zwischenstaatliche Kooperation“, die die Länder nicht zu einem bestimmten Handeln verpflichtet und die auch nicht im Voraus als Bedingung für das Erlaubnisverfahren festgelegt und bekannt gemacht wurde, als Kriterium für die Erlaubniserteilung oder -Ablehnung heran. Das Transparenzgebot wird damit bewusst verletzt.

Kontakt: Rechtsanwalt Rolf Karpenstein
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