Im Spannungsfeld der glücksspielrechtlichen Zuverlässigkeit als besonderer Erlaubnisvoraussetzung für Sportwetten, Online-Poker und virtuelle Automatenspiele

Hambach & Hambach Rechtsanwälte

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Ein Artikel von Dr. Wulf Hambach, Partner, Phillip Beumer, Associate, Yannick Skulski, Senior Associate und Christian Reidel, Rechtsanwalt bei Hambach & Hambach Rechtsanwälte

Am 01. Juli 2021 trat der Staatsvertrag zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag 2021 – GlüStV 2021) in Kraft. Nunmehr wird die Erlaubnis für eine Veranstaltung von Sportwetten, Online-Poker und virtuellen Automatenspielen auf Antrag erteilt. Liegen die speziellen Voraussetzungen vor, dann besteht ein Anspruch auf Genehmigung. Lehnt die zuständige Behörde aber trotzdem die Erlaubniserteilung ab, so entsteht unter bestimmten Voraussetzungen gegenüber dem Antragsteller eine Schadenersatzpflicht.

Eine dieser „besonderen Erlaubnisvoraussetzungen“ nach § 4a GlüStV 2021 ist die sog. „erweiterte Zuverlässigkeit“ nach § 4a Abs. 1 Nr. 1 GlüStV 2021, um die es im Folgenden gehen soll. Besonderes Augenmerk soll hierbei auf die glücksspielrechtliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 4a Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GlüStV 2021 gelegt werden.

I. Die erweiterte Zuverlässigkeit als Teil der besonderen Erlaubnisvoraussetzungen für Sportwetten, Online-Poker und virtuelle Automatenspiele

Die besonderen Erlaubnisvoraussetzungen, insbesondere die erweiterte Zuverlässigkeit, sind zunächst aus dem Blickwinkel der Gefahrenabwehr heraus zu würdigen – und nicht aus dem einer Sanktionierung. Es gilt den Geschäftsverkehr zu schützen. Die Feststellung der erweiterten Zuverlässigkeit untergliedert sich dabei wie folgt:

Als erster Punkt der erweiterten Zuverlässigkeit nach § 4a Abs.1 Nr. 1 lit. a) GlüStV 2021 sind die Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse beim Antragsteller vollständig offenzulegen. Auch ist absolute Transparenz hinsichtlich der jeweiligen Beteiligungsverhältnisse der Antragsteller, sofern diese nicht eine bestimmte Schwelle unterschreiten, zu gewährleisten. Als zweiter Punkt müssen nach Nr. 1 lit. b) der Antragsteller und die von ihm beauftragten verantwortlichen Personen die für die Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele erforderliche Zuverlässigkeit und Sachkunde besitzen und die Gewähr dafür bieten, dass die Veranstaltung ordnungsgemäß und für die Spielteilnehmer sowie die Erlaubnisbehörde nachvollziehbar durchgeführt wird. Bei juristischen Personen und Personengesellschaften müssen alle vertretungsbefugten Personen die Voraussetzungen der Zuverlässigkeit und Sachkunde besitzen. Nach Nr. 1 lit. c) muss drittens zudem die rechtmäßige Herkunft der für die Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele erforderlichen Mittel dargelegt werden und schließlich setzt Nr. 1 lit. d) voraus, dass weder der Antragsteller selbst noch ein mit ihm verbundenes Unternehmen noch eine den Antragsteller beherrschende Person noch eine von der den Antragsteller beherrschenden Person beherrschte Person unerlaubte Glücksspiele veranstalten oder vermitteln.

II. Die Herkunft und Bedeutung des Begriffs der „Zuverlässigkeit“ bzw. „Unzuverlässigkeit“

Der in § 4a Abs. 1 Nr. 1 lit b) GlüStV 2021 verwendete Begriff der „Zuverlässigkeit“ ist an sich ein Zentralbegriff des Gewerberechts (vgl. hierzu Streinz, NVwZ – Extra 3/2022). Es handelt sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vollständig von einem Gericht überprüfbar ist und der Behörde kein Ermessen einräumt. Aus dem Gewerberecht kommt auch der Begriff der „Unzuverlässigkeit“, der Voraussetzung für eine Gewerbeuntersagung ist. Unzuverlässig ist derjenige nach § 35 Abs. 1 GewO, der nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er das von ihm ausgeübte Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Wegen der schweren Folgen einer Gewerbeuntersagung für den Gewerbetreibenden muss eine besonders verantwortliche Abwägung zwischen den für einen funktionsfähigen Wirtschaftsablauf unerlässlichen gewerbebehördlichen Maßnahmen und den Interessen des Gewerbetreibenden stattfinden. Die zuständige Behörde hat das in der Vergangenheit liegende Verhalten zu beurteilen und letztlich eine Prognoseentscheidung auf Basis nachgewiesener Tatsachen im konkreten Einzelfall zu treffen. Sämtliches Verhalten ist insoweit relevant, soweit sich hieraus Rückschlüsse für die beantragte Tätigkeit ziehen lassen (vgl. hierzu Streinz, NVwZ – Extra 3/2022).

Es ist somit ureigene Aufgabe der Behörde, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln, einzelne Kriterien auszuwerten und auch nach der Art und Schwere bzw. Anzahl der Verstöße zu gewichten sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei ihrer Prognoseentscheidung zu wahren, damit ein behördlicher Eingriff vorhersehbar und bestimmbar sein kann. Die aus § 28 VwVfG resultierende Anhörungspflicht führt dazu, dass die Gelegenheit gegeben werden muss, zu konkreten Beanstandungen Stellung zu nehmen, um nach Klärung der Rechts- und Sachlage bestehende (vermeintliche) Defizite beseitigen zu können bzw. auszuräumen.

Von hoher Bedeutung ist, dass die Beweislast für das Vorhandensein derjenigen Tatsachen, die die Prognose einer Unzuverlässigkeit rechtfertigen, bei der zuständigen Behörde liegt (vgl. hierzu Becker, ZfWG 1/2022). Tatsachen müssen deshalb nachgewiesen werden und Spekulationen verbieten sich.

Aus den Erläuterungen zum GlüStV 2021 ergibt sich, dass die erforderliche (glücksspielrechtliche) Zuverlässigkeit des Antragstellers und der verantwortlichen Personen der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit nachgebildet ist, womit die gewerberechtliche Zuverlässigkeit aufgrund der Besonderheiten des Glücksspielrechts eine glücksspielrechtliche „Modifizierung“ erfährt. Im Wege der Gesetzesauslegung ist deshalb zu klären, welches Verhalten auf dem Gebiet des Glücksspielrechts speziell zur Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit führen soll, wobei die zuvor festgehaltenen Grundsätze auch auf dem Gebiet des Glücksspielrechts gelten.

III. Einzelaspekte zur (modifizierten) glücksspielrechtlichen Zuverlässigkeit

Einen vordefinierten Katalog mit Indikatoren für eine glücksspielrechtliche Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit im Sinne von § 4a Abs. 1 Nr. 1 lit. b) GlüStV 2021 gibt es bislang nicht. Zu beurteilen ist im konkreten Einzelfall jedenfalls, ob der Antragsteller und die verantwortlichen Personen die Gewähr dafür bieten, dass sie das ihnen erlaubte Glücksspielangebot ordnungsgemäß und unter Berücksichtigung aller regulatorischen Vorgaben des GlüStV 2021 sowie der Inhalts- und Nebenbestimmungen der Erlaubnis veranstalten und durchführen. Zuverlässigkeit bedeutet aber nicht Unfehlbarkeit, weshalb die Erlaubnisbehörde eine Gewichtung etwaiger Rechtsverstöße nicht unterlassen darf. Auch darf nicht durch die „Hintertür“ eine „bad actor clause“ („Wohlverhaltensklausel“) zur Anwendung gelangen, denn eine solche wurde zum einen nicht Bestandteil des GlüStV 2021 und wäre zum anderen Ausdruck eines unzulässigen Sanktionierungsgedankens und diente nicht der Gefahrenabwehr.

Im jeweils konkreten Einzelfall dürfte eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat nach § 284 StGB deshalb zwingend das Genehmigungsverfahren bzw. eine bereits erteilte Genehmigung negativ tangieren. Aber auch ein Verstoß gegen gesetzliche Voraussetzungen, die hinreichend bestimmt, vorhersehbar und transparent sind, wird die gleiche für den jeweiligen Anbieter negative Folge auslösen. Nicht maßgeblich kann allerdings auf formale Untersagungsverfügungen unter dem „alten“ Staatsvertrag abgestellt werden; vielmehr muss die Behörde den zugrundeliegenden Sachverhalt eigenständig würdigen, denn die Prognoseentscheidung beruht ausschließlich auf Tatsachen. Soweit ausländische Entscheidungen einem Feststellungsverfahren zugrunde gelegt werden sollen, so ist auf Seite der Behörde darauf zu achten, dass die von ausländischen Behörden anzuwenden Verfahrensvorschriften mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts in Einklang gebracht werden können. Der positiven Entscheidung über eine Unzuverlässigkeit muss im Ergebnis eine rechtskräftige und damit verbindliche Entscheidung einer Behörde oder eines Gerichts zugrunde liegen (vgl. hierzu Becker, ZfWG 2002, S. 114 ff.).

Der nachzuweisenden Regulierungswilligkeit eines Antragstellers bzw. Anbieters kommt bei der „Prognoseentscheidung“ durch die Behörde im Hinblick auf die Zuverlässigkeit eine entscheidende Bedeutung zu, weil maßgebliches Ziel des GlüStV 2021 die Lenkung in legale Glücksspielangebote und deren Bereitstellung durch entsprechende Glücksspielanbieter ist. Diese Regulierungswilligkeit muss im Verhalten des Antragstellers zum Ausdruck kommen. Entscheidend ist das Befolgen der – aus rechtlicher Sicht zwar bedenklichen – Vorgaben des in Leitlinien präzisierten GlüStV 2021, das Eingehen auf hinreichend präzisierte Beanstandungen und das zeitnahe Beseitigen tatsächlich vorhandener Defizite – in Kooperation mit der Genehmigungsbehörde (vgl. hierzu Streinz, NVwZ – Extra 3/2022). Um die Regulierungswilligkeit zu verdeutlichen, dürften überobligatorische Anstrengungen wie freiwillige Auditierungen äußerst hilfreich sein, welche die Einhaltung aller relevanter glücksspielrechtlicher Vorgaben auf Herz und Nieren überprüfen und feststellen können.

Wichtig ist auch, dass das Institut der „Selbstreinigung“, welches aus dem Vergaberecht (§ 125 GWB) bekannt ist, analog aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Beachtung finden muss. Hierdurch wird die Möglichkeit eröffnet und so dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen, eine tatsächlich nachgewiesene Unzuverlässigkeit zu widerlegen und die Gewähr für eine ordnungsgemäße Ausübung der Veranstaltertätigkeit wiederherzustellen. Selbstreinigung bedeutet dabei, dass konkrete technische, organisatorische und personelle Maßnahmen ergriffen worden sind, die Aufklärung durch aktive Zusammenarbeit mit der zuständigen Behörde sowie eine effektive Schadenskompensation gegeben sind. Die Beweislast hierfür liegt beim Antragsteller, die Bewertung der Selbstreinigungsbemühungen bei der Behörde. Geht von einem Antragsteller keine nach dem GlüStV 2021 zu unterbindende Gefahr mehr aus, weil der Selbstreinigungsprozess erfolgreich durchlaufen worden ist, so wird diesem schwerlich eine vergangene Unzuverlässigkeit jetzt noch vorzuwerfen sein (vgl. hierzu Becker, ZfWG 2002, S. 114 ff.). Dies entspricht auch dem Rechtsgedanken von § 35 Abs. 6 S. 1 GewO.

Ein Antragsteller, der entsprechende, für die Bewertung der Zuverlässigkeit relevante Glücksspiele bereits zulässigerweise in Schleswig-Holstein angeboten hat, durchgehend die erforderliche Zuverlässigkeit bescheinigt bekommen hat wird dies, soweit insbesondere keine relevanten Beanstandungen vorliegen, bei der Entscheidung über die erforderliche Zuverlässigkeit auch bei einem Antrag auf Erlaubnis von Glücksspielen gemäß dem GlüStV 2021 gebührend geltend machen können (vgl. Streinz, NVwZ – Extra 3/2022). Der formale Verwaltungsakt der Lizenzerteilung ist dabei weniger entscheidend als der Ausdruck der fortdauernden Bereitschaft des Veranstalters, sich der Aufsicht der lizenzerteilenden Behörde und den geltenden Vorschriften zu unterwerfen. In diesem Zusammenhang dürfte von eminenter Bedeutung sein, dass durch das Inkrafttreten des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland zum 01. Juli 2021 eine Zäsur eingetreten ist, die bedingt, dass die zuständigen Behörden ihre „Gefahrenprognose“ auf eine neue Grundlage stützen müssen, da Verstöße gegen die alte Rechtslage eine ungünstige Prognose ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht mehr zu rechtfertigen vermögen. So kann einem Antragsteller nicht mehr entgegengehalten werden, dass er sich unter Geltung des GlüStV 2012 nicht um eine entsprechende Erlaubnis bemüht hat. Denn eine solche war überhaupt nicht erhältlich.

Nach § 4a Abs. 1 lit. d) GlüStV 2021 spricht gegen eine Zuverlässigkeit, dass „unerlaubt Glücksspiele veranstaltet oder vermittelt“ werden. Angesichts der Vielfalt der internationalen Glücksspielordnungen bleibt fraglich, nach welcher Rechtsordnung sich etwa bei einem im Ausland ansässigen Antragsteller die Erlaubtheit oder Unerlaubtheit von Veranstaltung oder Vermittlung überhaupt richten soll (vgl. hierzu Becker, ZfWG 2002, S. 114 ff.). Gemäß § Abs. 4 GlüStV 2021 wird ein Glücksspiel dort veranstaltet oder vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird. Hält sich ein in Deutschland ansässiges Unternehmen als Antragsteller nicht an geltendes deutsches Recht, so ist es regelmäßig als unzuverlässig einzustufen. Gleiches dürfte für ein im Ausland ansässiges Unternehmen gelten, welches Leistungen für den deutschen Markt nicht erbringt, jedoch gegen das Recht des dortigen Marktes unerlaubtes Glücksspiel anbietet. Begründet wird dies damit, dass zumindest alles andere als ausgeschlossen ist, dass derjenige, der sich in der einen (Glücksspiel- ) Rechtsordnung Verstöße zuschulden kommen lässt, sich auf einem anderen Glücksspielmarkt ebenfalls nicht rechtskonform verhalten wird. Und die durch Tatsachen aus der Vergangenheit unterlegte Prognose eines Rechtsverstoßes in der Zukunft begründet gewerberechtliche Unzuverlässigkeit. Für eine Übergangszeit einigten sich die Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder durch Umlaufbeschluss vom 08. September 2020 auf ein gemeinsames Vorgehen für die Beurteilung der Zuverlässigkeit von Anbietern, so dass Unternehmen nach Inkrafttreten des GlüStV 2021 genehmigungsfähige Glücksspiele bereits vor dessen Inkrafttreten anbieten können, ohne dadurch Gefahr zu laufen, nachteilige Folgen für die spätere Beurteilung ihrer Zuverlässigkeit befürchten zu müssen (vgl. hierzu Becker, ZfWG 2002, S. 114 ff.). Den Anbietern sollte ein „Übergang in das Regelungswerk des GlüStV 2021“ eröffnet werden, soweit sie ihre Geschäftspraxis tatsächlich bereits heute an die voraussichtliche künftige Rechtslage anpassen und ihr Angebot entsprechend darauf beschränken (vgl. Ziffer 4 des Umlaufbeschlusses der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08. September 2020). Problematisch wird die Situation dann, wenn der ausländische Antragsteller nach dem Recht seines Staates erlaubtes Glücksspiel anbietet, das aber in Deutschland nicht genehmigungsfähig ist oder noch vor Inkrafttreten des GlüStV 2021 war. Soweit das dort erlaubte Glücksspiel nicht auf den deutschen Markt ausstrahlt, also Spieler von Deutschland aus nicht daran teilnehmen können, so wird eine Unzuverlässigkeit unproblematisch abzulehnen sein. Eine Gefahr, die es „abzuwehren“ gilt, besteht diesbezüglich nicht. Die Situation ändert sich aber dann erheblich, wenn ein im Ausland dort erlaubtes Glückspiel anbietendes Unternehmen auch in Deutschland seine Leistungen dem Zugriff der Spieler zur Verfügung stellt. Sofern es keine Verstöße in der Vergangenheit gegeben hat, wird die Beurteilung der Zuverlässigkeit bzw. Rechtstreue schwierig. Dies insbesondere dann, wenn nach dem Recht des ausländischen Staates der „Spielort“ nicht der Aufenthalt des jeweiligen Spielers ist, sondern der Ort, an dem sich die Rechenleistung des Unternehmens abspielt. Eine Teilnahme deutscher Spieler, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dort nicht genehmigungsfähige Glücksspiele eines ausländischen Anbieters spielen, wird demselben nicht vorwerfbar sein, weil es nicht dazu verpflichtet werden kann, aktive Abwehrmaßnahmen zum Schutze einer oder vieler fremder Rechtsordnungen einzuleiten. Eine Pflicht zur sog. Geolokalisation gibt es bislang nicht. Bietet ein im Ausland ansässiges und mit ausländischer Genehmigung ausgestattetes Unternehmen aber ein gezielt auf Deutschland inhaltlich ausgerichtetes deutschsprachiges Angebot von am Unternehmenssitz legalem, in Deutschland aber nicht genehmigungsfähigen Glücksspiels an und befördert dieses durch gezielte Werbung in Deutschland, so dürfte die zuständige Behörde hieraus Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit ziehen wollen, wenn das Erzielen wirtschaftlicher Vorteile über rechtliche Vorgaben gestellt werden (vgl. hierzu abermals Becker, ZfWG 2002, S. 114 ff.).

Der GlüStV 2021 hat aber auch Auswirkungen auf konzernrechtlich begründete Zurechnungsverhältnisse. Kann eine fremde Unzuverlässigkeit die Zuverlässigkeitsbeurteilung des Antragstellers beeinflussen? Dies gilt in jedem Fall dann, wenn das fremde Verhalten Rückschlüsse auf die eigene Persönlichkeit zulässt und zwischen beiden eine rechtliche oder wirtschaftliche Beziehung besteht. Sofern ein Gewerbetreibender als Verantwortlicher unter einem die Interessen der Allgemeinheit gefährdenden Einfluss eines Dritten steht, so kann er durch diesen Einfluss des unzuverlässigen Dritten nunmehr auch selbst unzuverlässig werden, wenn er es nicht vermag, einen derartigen Einfluss auszuschalten oder einen solchen sogar einräumt. Bedeutung hat dies insbesondere für die Fälle von sog. Strohmannverhältnissen, bei denen sowohl die Stroh- als auch die Hintermänner beurteilt werden. Bei einem unzuverlässigen Hintermann ergibt sich die Unzuverlässigkeit des Strohmanns allein schon daraus, dass er einem solchen die gewerbliche Tätigkeit ermöglicht. Bei juristischen Personen ist letztlich die Unzuverlässigkeit auf das Verhalten von natürlichen Personen zurückzuführen, mithin das Verhalten der gesetzlichen Vertreter derselben. § 4a Abs. 1 Nr. 1 lit. d) GlüStV 2021 stellt – im Unterschied zur vorher beschriebenen Zurechnung der Unzuverlässigkeit Dritter im Gewerberecht – nicht auf eine konkrete Einflussnahme des Unzuverlässigen auf den Antragsteller ab: Es werden vielmehr für drei Arten von Verhältnissen zwischen Antragsteller und dem Dritten solche Möglichkeiten zur Einflussnahme durch den Dritten aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen oder sonstigen vertraglichen Bindung schlicht unterstellt. Die Zurechnung im glücksspielrechtlichen Kontext dürfte zu verhindern suchen, dass durch die Aufspaltung einer unternehmerischen Tätigkeit bei isolierter Betrachtung „Zuverlässigkeit“ anzunehmen wäre, obwohl doch der Konzern insgesamt nicht rechtstreu ist und seine (an sich völlige legale) gesellschaftsrechtliche Zersplitterung auszunutzen versucht, um sich von aktuellen oder zurückliegenden Handlungen zu isolieren. § 4a Abs. 1 Nr. 1 lit. d) legt für das Glücksspielrecht bestimmte gesellschaftsrechtliche Unternehmensverbindungen fest und typisierte Einfluss- und Beherrschungspfade, weshalb die zuständige Behörde nur eine rein formale Prüfung der Beteiligungsverhältnisse vornimmt. Gerade wegen der Vielfalt der gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Konstruktionen (weltweit), muss es dem Antragsteller zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit möglich sein nachzuweisen, dass trotz einer in § 4a Abs. 1 Nr. 1 lit. d) GlüStV 2021 typisierten Verbindung zu einem dritten Unternehmen durch personelle, organisatorische und vertragliche Arrangements sichergestellt ist, dass die etwaige Unzuverlässigkeit des verbundenen Unternehmens keine Auswirkung auf seine heutige und künftige Rechtsreue hat. Ein Antragsteller sollte somit nicht für den Normungehorsam eines Dritten sanktioniert werden, ohne dass hierdurch etwas für die Integrität des Glücksspielmarktes gewonnen wäre (vgl. hierzu abermals Becker, ZfWG 1/22).

IV. Schadenersatzpflicht bei zu Unrecht abgelehnten Anträgen trotz glücksspielrechtlicher Zuverlässigkeit

Anhand der vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass die zuständige Behörde im konkreten Einzelfall eine besonders hohe Anzahl an Faktoren bei ihrer Entscheidung hinsichtlich der glücksspielrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung berücksichtigen muss. Kommt die Behörde zu der Entscheidung, dass die gesetzmäßigen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind, so muss sie die beantragte Genehmigung auch erteilen, weil dann ein direkter Anspruch hierauf besteht.

Ein besonderes Konfliktfeld kann hierbei aber dann entstehen, wenn das sogenannte Glücksspielkollegium der Länder, welches über die jeweiligen Anträge befindet und entscheidet, bei Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen dennoch Anträge ablehnt bzw. es zu keiner Entscheidung kommt. Das Glücksspielkollegium als Koordinierungsgremium der Bundesländer in der Glücksspielregulierung ist, unabhängig davon, dass seine rechtliche Legitimierung mehr als bedenklich ist, an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gebunden. Willkürlichen Entscheidungen wird damit der Boden entzogen. Äußerst problematisch und letztlich Ausgangspunkt für potentielle Schadenersatzansprüche bzw. Amtshaftungsansprüche sind in diesem Kontext deshalb rechtswidrige Beschlüsse des Glücksspielkollegiums, wenn trotz Vorliegens der glücksspielrechtlichen Zuverlässigkeit und der sonstigen Voraussetzungen die Mehrheit des Glücksspielkollegiums gegen einen Antrag votiert oder es – wie bereits geschrieben – zu keiner Entscheidung kommt und einem Antrag somit nicht stattgegeben wird. Denn bei Vorliegen der Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Genehmigung, dem das Glücksspielkollegium nach rechtstaatlichen Grundsätzen zustimmen muss. Es gibt hierbei keinen Spielraum für ein „Ermessen“.

Ein zusätzliches Konfliktpotential entsteht auch dadurch, dass gemäß § 27p Abs. 9 S. 9 GlüStV 2021 die zuständigen Behörden an die Entscheidungen des Glücksspielkollegiums gebunden sein sollen. Aufgrund der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung stellt sich die Frage, wie „gebundene“ Behörden damit umzugehen haben, wenn das Glücksspielkollegium zu keiner Entscheidung über einen Antrag kommt oder einen Antrag zu Unrecht ablehnt. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Gerichte zukünftig mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.

V. Schlussbemerkungen

Aufgrund dessen, dass es einen vordefinierten Katalog mit Indikatoren für eine glücksspielrechtliche Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit nicht gibt, muss die zuständige Behörde immer eine Gefahrenprognose im konkreten Einzelfall vornehmen. Unfehlbarkeit kann jedoch nicht verlangt werden. Eine Gewichtung etwaiger Rechtsverstöße ist vorzunehmen, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eminente Bedeutung zukommt. Die Zäsurwirkung, die dem Inkrafttreten des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland zum 01. Juli 2021 zukommt, dürfte zur Folge haben, dass die Erlaubnisbehörde ihre alten Gefahrenprognosen auf neue Grundlagen stützen muss, da Verstöße gegen die alte Rechtslage eine ungünstige Prognose ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht mehr zu rechtfertigen vermögen.