OLG Frankfurt a. M.: Online-Casino muss Spieler gesamte Verluste erstatten – „Der Spiegel“ berichtet

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Patrick Redell

In einem weiteren von unserer Kanzlei geführten Verfahren hat sich bundesweit nun erstmals ein Oberlandesgericht (OLG) intensiv mit Verlusten beim illegalen Online-Glücksspiel in Deutschland beschäftigt und Rückforderungsansprüche von Spielern gegen Online-Casino-Anbieter ausdrücklich bejaht. Die Entscheidung ist wegweisend und dürfte vielen Verbraucher helfen, Verluste mit Online-Glücksspielen zurückzufordern.

Hierüber berichtet aktuell "Der Spiegel" online und in seiner aktuellen Printausgabe 17/2022.

Im Jahre 2017 hatte der Kläger bei einem Online-Casino-Anbieter aus Malta im Online-Casino insgesamt 11.758,50 € bei Online-Casino-Spielen ("Live-Roulette") verloren. Über eine deutsche Konzession verfügte der Online-Glücksspiel-Anbieter in diesem Zeitraum nicht.

Nachdem der Online-Casino-Anbieter eine außergerichtliche Rückforderung abgelehnt hatte, verurteilte das Landgericht (LG) Gießen den Online-Casino-Anbieter auf die Klage des Spielers hin antragsgemäß. Es war seinerzeit das erste Urteil dieser Art bundesweit und schlug medial im Anschluss großen Wellen.

Auf die anschließende Berufung des Online-Casino-Anbieters erließ das OLG Frankfurt am Main nun einen umfassenden Hinweisbeschluss und teilte mit, dass es beabsichtige, die Berufung gegen das Urteil des LG Gießen zurückzuweisen. Das Besondere daran ist, dass es sich bundesweit um die erste Entscheidung eines OLG dieser Art handelt.

Zunächst erklärte sich das OLG für international zuständig und deutsches Recht für anwendbar. Des Weiteren erkannte das Gericht dem geschädigten Spieler einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch zu, da das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen im Internet nach dem seinerzeit gültigen Glücksspielstaatsvertrag verboten gewesen sei. Der beklagte Anbieter verfügte über keine deutsche Erlaubnis für das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele. Eine Malta-Lizenz sei ohne Belang. Das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns von Glücksspielen im Internet verstoße auch nicht gegen Europarecht. Das Online-Casino könne sich auch nicht auf eine Art verwaltungsrechtliche "Duldung" ihres Glücksspielangebots berufen. Dem Rückforderungsanspruch könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sich der Spieler selbst ggfls. gesetzeswidrig verhalten hätte. Denn es sei bereits nicht erwiesen, dass der Spieler Kenntnis von der Illegalität der von ihm getätigten Online-Glücksspiele hatte. Dies habe das Online-Casino zu beweisen.

In diesem Kontext führte das OLG zum Thema Kenntnis u. a. Folgendes aus:

"Soweit ein Gesetzesverstoß des Leistenden in Rede steht, kann die Existenz der verschiedenartigsten Verbotsgesetze nicht ohne weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden. Vielmehr ist die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes festzustellen, soweit dieses nicht als allgemein bekannt angesehen werden darf.“"

Weiter führt das OLG im vorgenannten Beschluss wie folgt aus:

„Richtig ist zwar, dass der Kläger sich in einem Strafprozess nicht auf die Unkenntnis des § 285 StGB berufen könnte. § 285 StGB setzte aber unter Verweis auf § 284 StGB die Beteiligung an einem derart unerlaubten Glücksspiel voraus. Ob das Glücksspiel vorliegend „unerlaubt“ war, folgte aber aus § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2021, dessen Inhalt nicht ohne weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden kann. Auch wenn die Werbung für Online-Glücksspiele einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis darauf zu enthalten pflegt, dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richte, lässt sich daraus keine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland herleiten. Hinzu kommt, dass die in einem zur EU zählenden Staat ansässige Beklagte über eine örtliche Lizenz verfügte und sich mit ihrem deutschsprachigen Angebot an die potentiellen Kunden wandte, so dass sich auch deswegen das Fehlen einer notwendigen Lizenz in Deutschland nicht per se aufdrängen musste.“

Abschließend konnte sich das OLG folgenden Seitenhieb gegen das Online-Casino nicht verkneifen:

„Außerdem hat die Beklagte selbst über viele Druckseiten zur Rechtswidrigkeit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen bzw. zu deren Legalität vorgetragen und die besondere Schwierigkeit der Rechtslage betont, gleichzeitig aber dem Kläger vorgeworfen, eine klare und einfach zu recherchierende Rechtslage leichtfertig nicht zur Kenntnis genommen zu haben. (…)

Es ist auch in der rechtlichen Konsequenz des widersprüchlichen Tatsachenvortrags bemerkenswert, dass die Beklagte, die hochrangige Rechtsexperten mit der Klärung der Rechtsfrage beschäftigt hat, für sich als geschäftliche Anbieterin einer Leistung einen vermeidbaren Verbotsirrtum reklamieren will und es sogar als unzumutbar begreift, jede Spielteilnahme von registrierten Speilern weltweit auf eine Übereinstimmung mit den nationalen Besonderheiten der Glücksspielregulierung zu überprüfen, gleichzeitig bei dem nicht rechtlich beratenen privaten Kunden die Kenntnis der Rechtslage voraussetzt bzw. deren Nichtkenntnis für leichtfertig erachtet.“

Diese Entscheidung ist sehr zu begrüssen.

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