Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg erlässt im Verfahren zur „Zäsurrechtsprechung“ der Kanzlei Benesch & Partner einstweilige Anordnung und ermöglicht Weiterbetrieb einer Spielhalle.

Rechtsanwalt Marcus Röll
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Benesch & Partner Rechtsanwälte
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Mit Pressemitteilung vom 16. März 2022 veröffentlichte der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg (VerfGH BW) in einem von den Rechtsanwälten Marcus Röll und Dr. Roland Hoffmann LL.M der Kanzlei BENESCH & PARTNER geführten Verfahren eine Entscheidung die einem Spielhallenbetreiber den vorläufigen Weiterbetrieb seiner Spielhalle ermöglicht.

Der Verfassungsgerichtshof des Landes mit Sitz in Stuttgart ermöglicht dem Betreiber nun die Öffnung seiner Spielhalle. Der unanfechtbare Beschluss des Gerichts stellt hierbei klar, dass die in der Hauptsache erhobene Verfassungsbeschwerde des Betreibers, auch in Bezug auf die bisherige „Zäsurrechtsprechung“ weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist. Damit hatte der Verfassungsgerichtshof eine Folgenabwägung durchzuführen und wichtige Parameter für die Gewährung effektiven Rechtschutzes in Spielhallensachen herausgehoben. Die Entscheidung trug hierbei dem Umstand Rechnung, dass der Betreiber wegen der fehlenden Einnahmen und dennoch gegenüberstehenden Ausgaben in der Existenz gefährdet wird.

Zum Hintergrund:

Hintergrund des geführten Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist die in Baden-Württemberg durch Erlasse des Baden-Württembergischen Wirtschaftsministeriums ausgelöste Frage nach Duldung von Spielhallenunternehmen in laufenden Auswahl-/ und Rechtsschutzverfahren und ebenfalls ob die sog. „Zäsurrechtsprechung“ des 6. Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg aus dem Jahr 2021 verfassungsgemäß ist.

Viele Behörden im Land hatten, anstatt ordnungsgemäße Auswahlverfahren zwischen Bestandsspielhallen mit Abstandskonflikten zu führen, im Jahr 2017 sog. befristete Härtefallerlaubnisse bis zum 30.06.2021 erteilt. Trotz Erhebung von Rechtmitteln und entsprechender Antragstellung der Betreiber, blieben etliche Behörden in der Zeit von 2017 bis 2021 nahezu untätig. Eine Lösung der Abstandproblematik wurde vielerorts nicht angegangen. Damit stellte sich die Frage zur Auswahl zwischen Betreibern die in einem Abstand von 500m zueinander stehen im Juni 2021 neu. Trotz entsprechend rechtzeitig gestellter Anträge reagierten häufig Behörden nicht und gingen Auswahlverfahren nicht zeitig genug an. Eine Rechtzeitige und ordnungsgemäße Bescheidung der Anträge war und ist bis heute damit oft nicht erfolgt.

Die desaströse Situation für diese Bestandsspielhallen wurde zudem befeuert von Hinweisen und Erlassen des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums. Dieses teilte über die Regierungspräsidien im Land mit, dass sich Spielhallenbetreiber ohne entsprechende Erlaubnis strafbar machen würden und Duldungen aus dem gleichen Grund nicht erteilt werden können. Auch regte das Ministerium an die Unterbehörden an, sämtliche Betreiber (auch die geduldeten) ohne eine Erlaubnis den zuständigen Staatsanwaltschaften zur Anzeige zu bringen. Was folgte war über die Jahre 2020 und 2021 eine Vielzahl von Strafermittlungsverfahren, die zumeist in Einstellung der Verfahren wegen fehlendem hinreichenden Tatverdacht endeten. Aber auch die Unterbehörden waren nachhaltig verunsichert und hatten nahezu flächendeckend keine Duldung der Betriebe mehr erteilt.

Aufgrund dieses Verwaltungshandelns waren viele Betreiber gezwungen im Wege von einstweiligen Rechtschutzverfahren vor den Verwaltungsgerichten des Landes entsprechende Duldungen zu erlangen. Mitte des Jahres 2021 erreichten daher Gerichte erster Instanz eine „Flut“ an Eilverfahren von Spielhallenbetreibern. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, als Gericht zweiter Instanz, festigte in dieser Phase seine sog. „Zäsurrechtsprechung“, nachdem es nicht nur „keinen missbilligten Weiterbetrieb“ einer Spielhalle oder des Wechsels der erlaubnisinnehabende Person bedürfe, sondern überdies eine „nahtlose Fortschreibung (keine Zäsur)“ der Erlaubnishistorie benötige um als Bestandspielhalle noch in den Genuss der Übergangsregelungen im Bezug auf den Abstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen zu kommen.

Zur Erläuterung: Um den Grundrechten von (Alt- bzw.) Bestandsbetreibern gerecht zu werden, sieht der Gesetzgeber Übergangsregelungen für Bestandsspielhallen vor. Dies insbesondere um die im Jahr 2012 im Spielhallenrecht in Kraft getretenen Regelungen zu Abständen von Spielhallen untereinander und zu Kinder- und Jugendeinrichtungen verfassungsrechtlich abzumildern. Nach dieser Übergangsregelungen mussten Spielhallen für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesglücksspielgesetzes Baden-Württemberg im November 2012 bereits eine Erlaubnis erteilt worden war, den Abstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen von 500 Luftlinie nicht einhalten.

Mit der von der Kanzlei BENESCH & PARTNER erhobenen Verfassungsbeschwerde wird gerade die Rechtmäßigkeit dieser „Zäsurrechtsprechung“ zur Prüfung gestellt. Die von der der Kanzlei dabei vorgebrachten Argumente sind nach der vorliegenden Eilentscheidung jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet. Nun wird im Rahmen des Hauptverfahrens im Laufe dieses Jahres eine Endentscheidung mit Spannung erwartet.

Zur Pressemitteilung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg:

https://verfgh.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-verfgh/dateien/1VB156-21_eA_pm.pdf

Zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs des Landes Baden-Württemberg:

https://verfgh.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-verfgh/dateien/1VB156-21_Beschluss_eA.pdf