Illegale Glücksspiele
Ein verworrener Spielbankenprozess vor dem Solothurner Obergericht: Wer hat wann was genau getan?

Von Olten aus sollen sechs beschuldigte Männer aus Ex-Jugoslawien und der Türkei Spielsüchtige rücksichtslos ausgenommen haben. Die Verteidiger sprechen von einer «absurden Anklage».

Ornella Miller
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Das Obergericht will sein Urteil am kommenden Dienstag verkünden.

Das Obergericht will sein Urteil am kommenden Dienstag verkünden.

Hanspeter Bärtschi

Über einen sehr aufwändigen Fall illegalen Glücksspiels, dem grössten der Schweiz, wurde am Donnerstag am Obergericht verhandelt. Die Richter mussten dazu 120 Bundesordner durchackern. Es ging um Widerhandlungen gegen das Spielbankengesetz durch sechs beschuldigte Männer, die aus Ex-Jugoslawien oder der Türkei stammen.

Sie sollen von 2009 bis 2014 Spielbanken ohne die dafür notwendige Konzession oder Bewilligung betrieben haben. Dabei hätten die Spielenden über Geräte via Internet-Links auf eine Plattform mit diversen Spielen zugreifen können. Diese rund 220 Automaten standen in über 80 Lokalen wie Restaurants oder Hotels in der ganzen Schweiz.

Einnahmen in der Grössenordnung eines mittelgrossen Casinos

Am 4. März 2020 wurden sie teilweise vom Amtsgericht Olten-Gösgen schuldig gesprochen. Freisprüche erfolgten aber auch, weil sie Spiele angeboten haben sollen, die noch nicht als Glücksspiel qualifiziert gewesen seien. Anklagende Instanz war nicht nur die Solothurner Staatsanwaltschaft – weil in Olten ein Schwerpunkt der Taten erfolgt sein soll – , sondern auch die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK). Diese ist Aufsichtsbehörde über die Spielbanken, ihr obliegt die Verfolgung des illegalen Geldspiels. Alle Beschuldigten hatten Berufung gegen das Urteil erklärt, ebenso die ESBK.

Es geht um grosse Geldsummen. Patrick Uhrmeister, Vertreter der ESBK, sagte, es habe sich um eine gewerbsmässige Organisation gehandelt, die monatlich 3,2 Millionen Franken eingenommen habe, was einem mittelgrossen Casino entspreche. Die drei am meisten involvierten Angeklagten, waren vorinstanzlich zu bedingten Geldstrafen verurteilt worden.

Die ESBK forderte vor Obergericht für vier Beschuldigte Gefängnisstrafen von bis zu rund 5 Jahren, für die beiden andern Angeklagten bedingte Geldstrafen sowie eine Busse. Da auf die eingenommenen Gelder nicht mehr zugegriffen werden konnte, verlangte die ESBK zudem Ersatzmassnahmen, drei Hauptbeschuldigte müssten bis zu 42000 Franken bezahlen, zur Deckung der Verfahrenskosten. Die Männer wollten gänzlich Freisprüche.

Unklar, wer eigentlich wann was getan haben soll

An der Verhandlung wurde zwar viel geredet, doch erfuhr man kaum, was die Angeklagten tatsächlich begangen haben sollen. Eine Anklageschrift gab es nicht, weil es sich um ein verwaltungsgerichtliches Verfahren handelt. Die Beschuldigten äusserten sich alle nicht zu den vorgeworfenen Taten. Die Verteidiger kritisierten die ESBK scharf. Das Anklageprinzip sei verletzt, da nicht klar sei, wer was wann konkret getan haben soll.

Das Obergericht am Amthausplatz in Solothurn.

Das Obergericht am Amthausplatz in Solothurn.

Hanspeter Bärtschi

Auch wurde die Befragung von Angeklagten kritisiert. Ihnen sei nicht bewusst gewesen, dass sie selbst beschuldigt würden. Einer der Verteidiger, Roland Winiger, kritisierte, dass die ESBK aufgrund von anonymer Anzeige Polizisten im Spiellokal verdeckt vorermitteln liess, bevor sie eine Hausdurchsuchung anordnete. Sie habe die anonyme Quelle nicht konkret verifiziert.

Uhrmeister entgegnete, es seien öffentlich zugängliche Räumlichkeiten gewesen. Winiger argumentierte, dass der dabei gefundene USB-Stick mit wichtigen Daten nicht verwendet werden dürfe. Lange argumentierte er schliesslich, dass eines der Spiele, Magic Fruits 4, nicht als Glücksspiel qualifiziert gewesen sei, weil es bis zum entsprechenden Zeitpunkt nicht im Bundesblatt als solches publiziert gewesen sei.

Die ESBK habe auch nur oberflächlich untersucht, ob die Spiele Glücksspiele gewesen seien. Er zog Parallelen zu Betäubungsmitteln: Ein Säcklein mit weissem Pulver werde nicht zu einer verbotenen Droge, nur weil Kokain darauf stehe.

Die ESBK jedoch argumentierte, dass es kein Fachwissen brauche, um zu erkennen, ob ein Spiel ein Glücksspiel sei. Während die Verteidiger von «absurder Anklage» sprachen, kam die ESBK auf die Opfer zu sprechen, auf die Spielsüchtigen, welche durch die «rücksichtslosen» Täter ihrer Sucht ausgeliefert gewesen seien. Das Urteil wird nächsten Dienstag verkündet.