NJW aktuell 2009, S. XII – XIII, Deutschland und seine Verbote – darf jemand mein Haus gewinnen?

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Der Bedarf ist zweifellos da: Insbesondere Eigentumshäuser in ländlichen Gegenden scheinen zurzeit in Deutschland kaum verkäuflich, so dass selbst Zwangversteigerungen oft scheitern. Nun könnte sich in Deutschland ein Robin Hood gefunden haben, der es sich zum Ziel gesetzt hat, das scheinbar undurchdringliche juristische und behördliche Dickicht des Glücksspielrechts zu durchdringen und den Weg nicht nur für sich, sondern auch für unzählige Leidgenossen mit Ladenhüter-Immobilien zu ebnen. Sein Name ist mittlerweile pressebekannt: Volker Stiny. Sein Vorhaben: Mit seiner – unjuristisch gesehen – pfiffigen (neuen) Idee, sein Haus „ausquizzen“ zu lassen, hat er wieder die Presse in den Bann gezogen. Der Spiegel berichtete in seiner Online-Ausgabe über Stinys Vorhaben:

Volker Stiny findet in der Wirtschaftsflaute keinen Käufer für seine Immobilie, deshalb will er sie per Gewinnspiel loswerden. Doch die Behörden sind dagegen. Jetzt hat der Münchner eine neue Idee: ein Wissensquiz um die Doppelhaushälfte. Die Fragen sind gar nicht so schwer. (…) „Nichts darf bei dem Quiz dem Zufall überlassen bleiben“, sagt der 53-Jährige mit bayerischem Akzent. „Das Quiz“, das ist Stinys Gewinnspiel im Internet. Der Jackpot: Eine Doppelhaushälfte im beschaulichen Baldham am Stadtrand von München, 156 Quadratmeter, weiß verputzt, plus Garten und Garage. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,632623,00.html)

Sollte dieser Plan wirtschaftlich und juristisch aufgehen, würden wohl tausende armer Hausbesitzer ihrem tapferen Robin Hood durch den Wald aus glücksspielrechtlichen Regelungen folgen. Die Kernfrage aber lautet: Wie sind virtuelle Haus-Quiz-Shows bzw. Internet-Geschicklichkeitsspiele juristisch einzuordnen?

Nach § 4 Abs. 1 GlüStV ist das Veranstalten und Vermitteln von öffentlichem Glücksspiel ohne Erlaubnis verboten; für das Internet gilt dieses Verbot uneingeschränkt (§ 4 Abs. 4 GlüStV). Wer öffentliches Glücksspiel entgegen dieser Verbote veranstaltet, macht sich nach §§ 284 ff. StGB strafbar. Dabei ist aus systematischen und historischen Gründen von einem einheitlichen Glücksspielbegriff auszugehen, wie jüngst von Verwaltungsgerichten (u.a. OVG Münster, GewArch 2008, 406 f.) bestätigt wurde.

Unabhängig von der Frage der Europarechtskonformität des GlüStV (diesbezüglich sind Vorlageverfahren vor dem EuGH anhängig) ist die Hausverlosung typischerweise ein Glücksspiel. Soll das Haus nur unter denjenigen verlost werden, die zuvor erfolgreich ein Quiz absolviert haben, so kommt es entscheidend auf die Schwere der Aufgaben an. Restriktiver sah dies im Fall Stiny das VG München, das jede Kombination von Geschicklichkeitsspiel und Verlosung entgegen der h.M. als Glücksspiel betrachtet. Sollte es Herr Stiny tatsächlich schaffen, den überwiegenden Geschicklichkeitscharakter seines Spiels beweisen zu können, indem er z. B. möglichst alle Verlosungselemente durch nicht zu anspruchslose Wissensfragen à la Günter Jauch ersetzt, die zuvor von einer neutralen Jury bewertet wurden, könnte ihm ein Verstoß gegen die o.g. gesetzlichen Vorschriften nicht mehr vorgehalten werden.

Eine andere Frage ist die nach der Aufsicht über solche Online-Geschicklichkeitsspiele. Werden sie offline betrieben, so regeln vor allem die §§ 33 d ff. GewO die Einzelheiten. Regelungen zu Geschicklichkeitsspielen mit Geldeinsatz und Gewinnmöglichkeit im Internet sucht man hier wie auch andernorts vergebens. Führt dies zu einer Genehmigungsfreiheit von Angeboten wie z.B. king.com?

Folgt man Prof. Gerald Spindler, so verbieten verfassungsrechtliche Gründe eine Ausweitung des Geltungsbereiches der in der GewO auf den virtuellen Raum (Gerald Spindler: „Kurzgutachten vom 6.10. 2007 zur Frage der Anwendbarkeit der §§ 33 c, 33 d auf straffreie Online-Geschicklichkeitsspiele […]). Es fehlt hier nämlich an einer an dem Bestimmtheitsgebot orientierten klaren gesetzlichen Regelung (Stichwort: strafbewehrte Sanktionen bei Verstoß gegen §§ 33 d ff. GewO). Die Nichtanwendbarkeit spielrechtlicher Regelung lässt Online-Geschicklichkeitsspiele selbstverständlich nicht in einen rechtsfreien Raum fallen, sondern es greifen die üblichen Internethandelsregeln (Verbraucher- und Jugendschutz etc.).

Falls die üblichen e-Commerce Regeln den deutschen Behörden für ein Haus-Quiz im Internet nicht ausreichen sollten, bleiben zwei Möglichkeiten. Ein gesetzgeberisches Tätigwerden durch ein rechtssystematisch schwieriges „Aufbohren der Gewerbeordnung“ oder der Erlass klarer behördlicher Richtlinien zu Hauswettbewerben im Internet (in Großbritannien: sog. „House-Competitions“). Für letzteres hilft ein Blick über den Ärmelkanal. Dort wacht die Gambling Commission über das Glücksspielangebot. Diese hat als Reaktion auf den vor ca. zwei Jahren ausgelösten „House-Competition-Boom“ einen behördlichen Leitfaden veröffentlicht – und damit eine Abgrenzungshilfe zwischen zulässigen und unzulässigen Angeboten gegeben. House-Competitions in Form von Geschicklichkeitsspielen sind danach zulässig. Allerdings sollte im Vorfeld Rechtsrat eingeholt werden, da im Falle einer fehlerhaften Qualifizierung ein Verstoß gegen den UK Gambling Act 2005 vorliegt: (Auszug aus gamblingcommission.gov.uk)

In principle an individual disposing of a property through a house competition can use a genuine prize competition to do so. Genuine prize competitions are free of statutory control under the Act provided they require sufficient skill, judgment or knowledge to either deter a significant proportion of potential entrants from participating or eliminate a significant proportion who do enter. House competitions that do not meet the test of skill, judgment or knowledge set out in section 14 of [UK Gambling Act 2005] are classed as lotteries.

Anders als in Großbritannien fehlt in Deutschland – wohl auch mangels einer zentral zuständigen Stelle – leider ein vergleichbarer behördlicher Hinweis auf die Möglichkeit eines legalen Angebots jenseits des GlüStV. Als Folge führen pauschale Verbote zur Entstehung eines schwer kontrollierbaren Schwarzmarktes von Hausverlosungen im Internet, auf dem unzulässige und zulässige Angebote kaum voneinander zu unterscheiden sind. Dieser Markt ist leider schon entstanden, da der Bedarf mit pfiffigen Ideen Ladenhüter-Immobilien an den Mann zu bekommen groß ist. Ein Lenken dieser Online-Hauswettbewerbs in geordnete, transparente Bahnen durch klare behördliche Vorgaben könnte einen Wildwuchs unzulässiger Hausveräußerer eindämmen und verzweifelten Immobilieneigentümern zugleich eine Alternative zu herkömmlichen Online-Portalen zur Hausveräußerung bieten.

Während es sich bei Robin Hood wohl nur um einen Mythos handelt, ist das Bedürfnis nach Möglichkeiten zur Veranstaltung von Hauswettbewerben angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage somit real. Potentielle Veranstalter sollten im Vorfeld aber unbedingt qualifizierten Rechtsrat einholen, da eine Qualifizierung der Zulässigkeit auch leider mangels behördlicher Vorgaben schwierig ist und Fehleinschätzungen sogar zu strafrechtlicher Verfolgung führen können.

Aus: TIME LAW NEWS 4/2009 (www.timelaw.de) der Kanzlei Hambach & Hambach Rechtsanwälte / Neue juristische Wochenschrift