Sächsisches Oberverwaltungsgericht hält an Rechtsprechung zu DDR-Erlaubnissen fest (OVG Bautzen v. 10.06.2009 – 3 BS 179/07 – zu Wettbüro mit EU-Vermittlung)

Rechtsanwalt Dr. Ronald Reichert
Fachanwalt für Verwaltungsrecht
Sozietät Redeker Sellner Dahs
Willy-Brandt-Allee 11
D - 53113 Bonn
Mit Beschluss vom 10.06.2009 – 3 BS 179/07 – hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht einer Beschwerde des Freistaates Sachsen in einem Eilverfahren stattgegeben und einen Eilantrag eines Sportwettbüros gegen eine Untersagungsverfügung abgelehnt. Die Gründe hat die Pressestelle des Oberverwaltungsgerichts in einer bei ISA-LAW hinterlegten Pressemitteilung erläutert. Sie lesen sich so, als sei das Monopol mit dem Beschluss rechtlich völlig bestätigt worden.

Tatsächlich lohnt der Beschluss die genauere Lektüre. Diese ergibt nicht nur ein differenzierteres Bild, sondern vor allem drei ganz wesentliche Erkenntnisse:

– Zum einen formuliert der Senat erheblich vorsichtiger als der Pressereferent das Oberverwaltungsgerichts, so dass das Ergebnis im Hauptsacheverfahren durchaus anders ausfallen könnte. Nicht nur stützt sich der Beschluss gerade nicht auf eine offensichtliche Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung, sondern darauf, dass „Überwiegendes“ für ihre Rechtmäßigkeit spreche und die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfalle (BA S.2). Vielmehr wird auch die „im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur mögliche summarische Prüfung“ (BA S.9) verschiedentlich hervorgehoben. Auch wird zum tatsächlichen Werbe- und Vertriebsverhalten des Landes warnend angemerkt, dieses gebe „(noch) keinen Anlass, die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen, das Ziel der Bekämpfung der Spielsucht zu verfolgen, in Zweifel zu ziehen“ (BA S.10). Gegen die auf Umsatzsteigerung abzielende Vertriebsstrategie werden offen Bedenken geäußert. Der Senat überlässt indessen die „genauere Prüfung der weiteren Entwicklung und der Bereitschaft des Antragsgegners, Defiziten in tatsächlicher Hinsicht weiterhin entgegenzuwirken, dem Hauptsacheverfahren.“ (BA S.10 f). Der Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Monopols bleibt damit völlig offen. Nur so erklärt sich auch die mehrfache Berufung auf den Beschluss des BVerfG vom 20.3.2009, der zur Verfassungsbeschwerde in Hauptsacheverfahren geradezu einlädt (s. die früheren Beiträge von Prof. Schelter und dem Unterzeichner bei SA-LAW). Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat offenbar den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 20.3.2009 (1 BvR 2410/08) zum Anlass genommen, die Prüfungsdichte zurückzunehmen.

– Zum anderen wird eine verborgene Botschaft des Beschlusses ansonsten völlig überlesen, die für die Gesamtlandschaft des Sportwettmarktes im Grunde wichtiger ist als der ganze übrige Beschluss. Der Fortbestand der DDR-Erlaubnisse wird in Anknüpfung an die früheren Beschlüsse auch unter der Geltung des neuen Rechts bestätigt (BA S.4,9,14). Der Beschluss spricht offen von dem „staatlichen Monopol für die Veranstaltung von Sportwetten, das – von der Ausnahme der fortgeltenden DDR-Genehmigungen abgesehen – grundsätzlich durch die …. Vorschriften des Staatsvertrags und des Sächsischen Ausführungsgesetzes errichtet wird.“ (BA S. 4). Er hebt diese DDR-Erlaubnisse auch im weiteren Verlauf des Beschlusses als Ausnahmefälle hervor (BA S. 9,14).

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht tritt mit diesen Ausführungen von interessierter Seite gern gestreuten Behauptungen entgegen, GlüStV und Internetverbot hätten an der Rechtslage bei den DDR-Gewerbeerlaubnissen etwas ändern sollen. Schon mit der Entstehungsgeschichte des GlüStV, in deren Verlauf Verpflichtungen der neuen Bundesländer, die Alterlaubnisinhaber den staatsvertraglichen Beschränkungen zu unterwerfen, gerade gestrichen wurden, sind diese leicht zu widerlegen. Speziell in Sachsen hat der zuständige Ausschuss überdies einige Mühe darauf verwendet, sich von allen geladenen Sachverständigen einschließlich der Monopolvertreter bestätigen zu lassen, dass die Ratifikation des GlüStV den Betrieb der Alterlaubnisinhaber unberührt lasse.

– Schließlich bestätigt der Beschluss eine Erlaubnispflicht der Vermittlungstätigkeit für sämtliche Lotto-Annahmestellen. Vieles spricht dafür, dass derzeit keiner der Annahmestellenbetreiber eine solche Erlaubnis wird vorweisen können. Das aber heißt nicht weniger, als dass das staatliche Monopolangebot in Sachsen derzeit flächendeckend illegal vertrieben wird. Es handelt sich – in der Terminologie des GlüStV – um „unerlaubtes Glücksspiel“ (§ 4 Abs. 1 S. 2).

Grundlegende Bedenken wirft der Beschluss vor allem in seiner gemeinschaftsrechtlichen Begründung auf:

So lehnt das Sächsische Oberverwaltungsgericht das Erfordernis einer sog. Gesamtkohärenz zwar mit nachvollziehbaren – wenngleich vom Unterzeichner nicht geteilten – Gründen ab, setzt sich aber mit der Frage einer Kohärenz im Sportwettsektor nicht auseinander. Insoweit verweist er stattdessen pauschal darauf, die Einwände des Antragstellers seien nicht geeignet, die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit darzutun.
Das OVG reduziert das Lindman-Urteil des EuGH auf den Nachweis der Bedrohlichkeit der Glückspielrisiken, obwohl es dem EuGH ersichtlich um den Nachweis der Erhöhung der Gefahren durch eine grenzüberschreitende Vermittlung geht, weil nur diese das Erfordernis des Ausschlusses ausländischer Anbieter belegt (Lindman, Urteil vom 13.11.2003, Slg. 2003 I-3519, Rn. 25+26). Dazu fehlt es bis heute an jedweden Untersuchungen.

Vor diesem Hintergrund kann den Hauptsacheentscheidungen in Sachsen mit besonderer Spannung entgegengesehen werden.