Glücksspielstaatsvertrag und eine Vollstreckung des Internet-Glücksspielverbotes im WWW – nichts ist (un-)möglich…

Rechtsanwalt Dr. Wulf Hambach

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Der Glücksspielstaatsvertrag und das Internet-Glücksspielverbot verfolgt zumindest auf dem Papier in erster Linie das Ziel, den Spieltrieb der deutschen Bevölkerung auch im Internet in geordnete Bahnen zu lenken! Daher stehen Glücksspielaufsichtsbehörden, Access Provider und Banken vor der Frage, ob mit dem Glücksspielstaatsvertrag die rechtliche Grundlage für die “Kappung der Nabelschnur” zu den (auch EU-lizenzierten) Internet-Glücksspielseiten durch Sperrenverfügungen (sog. ISP-Blocking) sowie durch Untersagungsverfügungen (sog. Financial Blocking) geschaffen wurde.

Denn eine solche gesetzliche Regelung wäre notwendig, um ein gerichtsfestes staatliches Monopol zu schaffen, wie auch bereits der Chefanwalt des Deutschen Lotto- und Toto Blocks, Dr. Manfred Hecker, während einer Anhörung im Landtag von NRW zum Thema Glücksspielstaatsvertrag zur Vollstreckung des Internetglücksspielverbotes ausführte:

„Wenden wir uns zunächst einmal einem gesetzlich sauber begründeten Monopol zu. Ein solches Monopol ist im Gegensatz zur heutigen Situation gerichtsfest. (…) (…) das Glücksspiel über Internet – diese Frage wird immer wieder aufgeworfen – lässt sich insbesondere bei ausländischen Anbietern auch außerhalb Europas durch die Kappung der kommunikativen und wirtschaftlichen Nabelschnur verhindern. Denn die im Ausland ansässigen Unternehmen müssen kommunikativ über Internet, über Provider und über Internetdienste-Anbieter mit den Spielern kommunizieren.“ (Zitat aus dem offiziellen Protokoll der Anhörung, 15.3.2007)

Scheinbar sieht der Glücksspielstaatsvertrag in § 9 Abs. 1 S. 2, 3 Nr. 4 und 5 die Befugnis der Glücksspielaufsichtsbehörde vor, Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten die Mitwirkung an Zahlungen sowie Diensteanbietern die Mitwirkung am Zugang zu unerlaubten Glücksspielangeboten zu untersagen.

Kann man daher sagen: Glücksspielstaatsvertrag und eine Vollstreckung des Internet-Glücksspielverbotes im WWW – alles ist möglich?

Können die Finanztransaktionen und Internetseiten so einfach gefiltert werden? Wer haftet bei Fehlentscheidungen? Dürfen unbeteiligte Dritte als Hilfssheriffs zur Überwachung des rechtlich umstrittenen, staatlichen Monopols herangezogen werden? Grund genug, dass hier Experten zu raten gezogen werden.

So fand unter der Schirmherrschaft des Verbands der deutschen Internetwirtschaft e.V. (eco) in Zusammenarbeit mit der Kanzlei Hambach & Hambach am 26.3.2009 eine Expertenrunde in Berlin statt, um die Forderungen aus der Politik nach Sperrverfügungen unter anderem auch zur Umsetzung des staatlichen Glücksspielmonopols aus rechtlicher und technischer Sicht zu behandeln.

Der eco-Vorstandsvorsitzende Prof. Michael Rotert nahm Bezug auf ein Schreiben der Bundesregierung an die Europäische Kommission, und erklärte, dass die Formulierung, dass „ISP und Banken dieses von sich aus als berechtigt akzeptieren werden und die deutschen Länder bei der Umsetzung ihrer Politik unterstützen werden“ große Verärgerung hervorrufe. Das staatliche Glücksspielmonopol sei für ihn fragwürdig. Private Anbieter werden aus Gründen der Suchtprävention ausgeschlossen, während die Monopolisten zu bester Sendezeit am Samstagabend die hohen Jackpotsummen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen bewerben.

Wie von Prof. Rotert angekündigt, konnten die vortragenden Experten erläutern, weshalb weder Sperrverfügungen gegen ISP noch Untersagungsverfügungen gegen Banken durch die Glücksspielaufsichtsbehörden als Mittel zur Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrages eingesetzt werden können:

  • Es fehlt eine gesetzliche Grundlage für Sperrverfügungen gegen ISP. Die einschlägige Norm im Glücksspielstaatsvertrag ist keine gesetzliche Ermächtigung.
  • Aus technischer Sicht sind Sperrungen von Internetseiten schlicht unmöglich. Ein erlaubtes und attraktives Online-Gambling-Angebot sei der beste Schutz.
  • Sperrungen von Online-Glücksspielangeboten gehen mit hohen Haftungsrisiken einher, da Abgrenzungen zu erlaubten Online-Glücksspielen, Geschicklichkeitsspielen und Unterhaltungsspielen schwierig sind und zudem das Staatsmonopol höchstwahrscheinlich verfassungs- und europarechtswidrig ist.
  • Auch Untersagungsverfügungen gegen Banken auf Basis des Glücksspielstaatsvertrags verstoßen gegen Verfassungs- und Europarecht.

Herr Schaeffer (Chief Security Analyst, TÜV Rheinland Secure iT GmbH) erklärte bildhaft die Struktur des Internet und zog das Fazit, es gebe unendlich viele Möglichkeiten, Blockaden und Zensur zu umgehen, da das Internet gerade dazu geschaffen wurde, Blockaden selbstständig zu umgehen. Die Sperren werden nur zur besseren Verschleierung der Netze beitragen. Online-Glücksspiel sollte nicht verboten, sondern gesteuert werden. Wer gute Angebote schafft, die auf der Höhe der Zeit sind und stets weiterentwickelt werden, wird die Benutzer auffangen und ihre Abwanderung zu illegalen Angeboten vermeiden.

Herr Rechtsanwalt Dr. Hambach (Founding Partner, Hambach & Hambach Rechtsanwälte) stellte dar, weshalb aus glücksspielrechtlicher Sicht hohe Haftungsrisiken mit den Sperrungen einhergehen. Neben den laufenden Vertragsverletzungs- und Vorabentscheidungsverfahren gegen das deutsche Glücksspielmonopol vor dem Europäischen Gerichtshof, weshalb lizensierte EU-Anbieter lieber nicht gesperrt werden sollten, seien weitere Abgrenzungsfragen problematisch. Daher dürften Pferdewetten, Geschicklichkeitsspiele oder Spiele mit geringwertigen Einsätzen im Internet ebenso wenig gesperrt werden, wie reine Unterhaltungsspiele. Das in sich widersprüchliche Glücksspielrecht sollte auf Bundesebene harmonisiert werden und eine Glücksspielaufsichtsbehörde sollte eingerichtet werden, die die Angebote Privater im Internet überwacht.

Herr Prof. Dr. Ohler (Universität Jena, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht und Internationales Wirtschaftsrecht) sprach zu dem Thema „Kappung der Finanzströme – Überwachung im Auftrag der Glücksspielaufsicht“ und brachte erhebliche verfassungs- und europarechtliche Zweifel zum Ausdruck. Die Bank als Unbeteiligte könne nur im so genannten „polizeilichen Notstand“ zur Unterstützung herangezogen werden. Aus seiner Sicht könne die Bekämpfung unerlaubten Glücksspiels nicht zur Begründung des polizeilichen Notstands ausreichen. Ebenfalls fehlende Suchkriterien für eine automatisierte Filterung sowie fehlende Regelungen im Glücksspielstaatsvertrag im Vergleich zum Geldwäschegesetz und europarechtliche Bedenken würden deutlich machen, dass die gesetzliche Regelung unzureichend sei.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags mit heißer Nadel gestrickt wurden und allein der politische Wille maßgeblich war. Die Evaluierung und Neuregelung des „großen Bruders“ des GlüStV in den USA, des „Uniform Internet Gambling Enforcement Act (UIGEA)“, zeigen deutlich die Schwachstellen derartiger gesetzlicher Regelungen auf. Anstelle Zahlungsströme effizient und automatisch zu filtern, kann bei der notwendigen Differenzierung zwischen landbased und online, erlaubten und illegalen Glücksspielen nicht mehr als ein „know your customer“ Fragebogen von der ursprünglichen gesetzlichen Forderung bleiben.

Werden die Erkenntnisse der Experten aufgegriffen? Können Banken und Access Provider darauf vertrauen, dass den rechtlichen und technischen Bedenken Rechnung getragen wird?

Der bayerische Glücksspielreferent und Vater des Glücksspielstaatsvertrages Dr. Thomas Gößl nahm auf der Munich Gaming am 1.4.2009 zum Thema „Spielarten im Netz: Gewinnspiel, Glücksspiel, Online-Spiel – Herausforderung für den Jugendschutz“ Stellung. Herr Dr. Gößl äußerte den Wunsch, man möge den Glücksspielstaatsvertrag einfach mal hinnehmen und die Stoppschilder im Internet beachten, damit endlich Ruhe auf dem deutschen Glücksspielmarkt einkehre. Aus seiner Sicht gebe es weder verfassungs- oder europarechtlich berechtigte Zweifel. Andere Teilnehmer dieser Podiumsdiskussion, wie z.B Frau Sabine Frank (FSM), wiesen darauf hin, dass eine Entscheidung des EuGH zum deutschen Sportwettenmonopol erst noch erwartet wird. Herr Prof. Schneider (ZAK-Beauftragter für Programm und Werbung, Düsseldorf) prägte im Anschluss den für die Frage von Sperrverfügungen insgesamt bedeutsamen Satz, dass ein Verbot, welches nicht durchgesetzt werden kann, unglaubwürdig macht.

Ergo: Weder können deutsche Stoppschilder im Internet aufgestellt werden, noch werden (unzulässige) Sperrverfügungen gegen einzelne Anbieter deutsche Verbraucher daran hindern, im Internet an Glücksspielen teilzunehmen. Aus Sicht des Verbraucher- und Jugendschutzes ist dem Gesetzgeber vielmehr vorzuhalten, dass er kein kontrolliertes Angebot geschaffen hat. Eine Reformierung des Glücksspielrechts durch Schaffung eines Bundesglücksspielgesetzes und einer entsprechenden Bundesglücksspielaufsichtsbehörde ist unvermeidbar, um den Spieltrieb der deutschen Bevölkerung auch im Internet in geordnete und überwachte (!) Bahnen zu lenken!

Dr. Wulf Hambach, Founding Partner und Susanna Münstermann, Senior Associate