Landgericht München I gewährt Strafrechtsentschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen während der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangszeit (29.12.2006 bis 31.12.2007)

Rechtsanwalt Dieter Pawlik
Rechtsanwalt Dieter Pawlik

Die 5. Kammer des Landgerichts München hat mit Beschluss vom 09.02.2009 (5 Qs 3/09) entschieden, dass der in diesem Verfahren Beschuldigte für die Durchsuchung seiner Geschäftsräume in der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangszeit dem Grunde nach zu entschädigen ist. Das Landgericht München hat somit die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen einen gleichlautenden Beschluss des Amtsgerichts München vom 19.01.2009 als unbegründet verworfen. Die Staatsanwaltschaft München hat den gleichlautenden Beschluss des Amtsgerichts München mit der absurden Begründung angegriffen, dass, obwohl nunmehr rechtsverbindlich durch das OLG München feststeht, dass die streitgegenständliche Sportwettenvermittlung an einen innerhalb der EU staatlich konzessionierten Buchmacher in der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Übergangszeit nicht strafbar war, der Beschuldigte deshalb die Strafverfolgungsmaßnahmen grob fahrlässig hervorgerufen habe, weil er in dieser Zeit eine andere (falsche) Rechtsauffassung hätte vertreten müssen. Dieser völlig absurden Meinung ist das Landgericht München I nunmehr entgegengetreten und führt dazu aus:

„Anders als die Staatsanwaltschaft meint, kann den Beschuldigten nicht vorgeworfen werden, sie hätten die gegen sie ergriffenen Strafverfolgungsmaßnahmen grob fahrlässig verursacht (§ 5 Abs. II. S. 1 StrEG). Die Kammer schließt sich zudem inkriminierten Betrieb eines Wettbüros an, dass den Beschuldigten, die sich mit dem inkriminierten betrieb eines Wettbüros eben gerade nicht strafbar gemacht haben, das Risiko nicht überbürdet werden kann, mit Strafverfolgungsmaßnahmen überzogen zu werden.
Auch der staatsanwaltschaftliche Vortrag, das Verhalten der Beschuldigten sei nach verwaltungsrechtlicher Rechtssprechung nicht genehmigungsfähig und daher grob fahrlässig, vermag keine andere Betrachtungsweise zu rechtfertigen: Das Strafrecht als „schärfstes Schwert“ des Staates darf nur auf sicherer rechtlicher Grundlage eingesetzt werden. An dieser fehlte es seinerzeit: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 28.03.2006 (1 BvR 1054/01) (also mehrere Monate vor der verfahrensgegenständlichen Durchsuchung!) das Bayerische Staatslotteriegesetz vom 29.04.1999 für verfassungswidrig erklärt und ausdrücklich offen gelassen, ob auf der Grundlage der befristet angeordneten Fortgeltung eine Strafverfolgung statthaft ist.

Im Übrigen hat auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10.07.2006 (22 BV 05.457) (also ebenfalls deutlich vor der Durchsuchung bei den Beschuldigten) angemerkt, es erscheine „fraglich, ob ein Verstoß gegen eine verfassungsrechtlich zu beanstandende, aber übergangsweise hinzunehmende Freiheitsbeschränkung als kriminelles Unrecht geahndet werden darf“ (VGH Rn 45).

Die demnach seinerzeit unklare Rechtslage, über die mittlerweile wie bekannt entschieden ist, kann nicht den Beschuldigten zum Vorwurf gemacht werden. Umgekehrt sind vielmehr die Strafverfolgungsbehörden das Risiko eingegangen, auf unsicherer rechtlicher Grundlage Strafverfahren zu führen und in Grundrechte einzugreifen. Eine Rechtspflicht der Bürger, sich so zu verhalten, dass letztlich unrechtmäßige Strafverfolgungsmaßnahmen vermieden werden, kann in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht bestehen.

Der Beschwerde war der Erfolg daher zu versagen.“

Der Beschluss ist auf der Homepage www.vewu.de im Volltext ab heute veröffentlicht. Das Verfahren wurde von Rechtsanwalt Dieter Pawlik geführt.

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