Die Perspektiven des italienischen Glückspielmarktes zwei Jahre nach seiner Liberalisierung

Ein Artikel von Herrn Rechtsanwalt Quirino Mancini, Kanzlei Sinisi, Ceschini, Mancini Italien und Kooperationsanwalt der Kanzlei Hambach & Hambach

Die folgenden Absätze sind ein Versuch, die wichtigsten gesetzlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen zusammenzufassen, die den italienischen Glücksspielmarkt über die letzten zwei Jahre hinweg dramatisch verändert haben.

Das Jahr 2006 war der Beginn einer neuen Ära für die italienische Glücksspielbranche. In einem Kraftakt zur Beendigung der überaus erfolgreichen Geschäfte zahlreicher ausländischer Glückspielportale, die italienische Spieler schon seit langem aggressiv umwarben und gewinnbringend bedienten, ohne eine italienische Lizenz zu haben, brachte der italienische Gesetzgeber Anfang Februar jene berüchtigten und hochkontroversen Maßnahmen auf den Weg, mit deren Hilfe eine großen Anzahl von „com.“-Seiten, die auf eine schwarze Liste gesetzt worden waren, für einheimische User unzugänglich gemacht werden sollten. Schon kurz darauf (August) öffnete das von Prodi geführte Kabinett hingegen plötzlich den inländischen Markt, indem es Ferngeschicklichkeitsspiele legalisierte und eine Lizenzausschreibung durchführte, die zur Gewährung von 14.000 oder noch mehr neuen ortsgebundenen und 33 reinen Fernspiel-Lizenzen führte.

Die von den italienischen Behörden vorangetriebenen Liberalisierung war offenkundig mehr von der Haushaltsplanung geleitet als von dem wirklichen Wunsch zur Befreiung des inländischen Glücksspielmarktes, der zuvor jahrzehntelang von einem unangefochtenen Oligopol dreier italienischen Schwesterunternehmen (SNAI, Lottomatica und SISAL) beherrscht gewesen war. Ungeachtet der Motive der Regierung für ihren Vorstoß, führte dieser gesetzliche Durchbruch zu einer Welle neuer Glücksspielbetreiber, die den Italienern ihre Dienste nun langfristig völlig recht- und gesetzmäßig anbieten konnten.

Das Jahr 2007 war vor allem ein Jahr des Übergangs, in dem die Lizenznehmer hart daran arbeiteten, ihre italienischen Spielplattformen aufzubauen und die Inbetriebnahme ihres Netzwerks ortsgebundener Wettannahmen (Shops und Annahmestellen) zur organisieren, wovon es, wenn überhaupt, nur wenige schafften, ihre Arbeit im ersten Halbjahr aufzunehmen. Unterdessen führte die Spielaufsichtsbehörde (AAMS) die gesetzlichen Regelungen für Online-Bingo und Geschicklichkeitsspiele ein und legalisierte im Besonderen Online-Pokerturniere, indem sie diesen die Möglichkeit gab, sich als Geschicklichkeitsspiel einstufen zu lassen. Im Dezember gab Italien der Europäischen Kommission dann seine beabsichtigten neuen Regelungen zu Ferngeschicklichkeitsspielen und relevanten, weniger strengen Lizenzierungsanforderungen bekannt, die EU-freundlicher erscheinen als die zur Zeit gültigen. Ausgelöst wurde dieser Schritt der italienischen Behörden durch die Kombinationswirkung aus sowohl einer früher im selben Jahr getroffenen historischen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Placanica-Verfahren, in dem die luxemburgischen Richter die in Italien zur Zeit gültigen Reglementierungen schwer kritisierten als auch der Notwendigkeit, den enormen politischen Druck zu lösen, den Brüssel über mehrer Monate hinweg auf Rom durch die Eröffnung von bis zu sieben verschiedenen Dossiers ausgeübt hatte, in denen Italien mangelnde EU-Konformität in seinen Glückspielgesetzen und -regelungen zur Last gelegt wurden.

Ende April 2008 ließ die Europäische Kommission der italienischen Regierung einen Brief mit Bemerkungen und Beobachtungen zukommen, in dem sie auch einige Gesetzesänderungen vorschlug, die darauf abzielten, die beabsichtigten neuen Regelungen mit den Empfehlungen der Europäischen Kommission und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes völlig in Einklang zu bringen. Seither hat es weitere Kontakte und Treffen zwischen den Behörden aus Rom und Brüssel gegeben, um Einzelheiten in den Entwürfe der neuen Regelungen abzustimmen, von denen man annimmt, dass sie nun sehr bald in Kraft gesetzt werden.

Auch wenn diese Regelungen noch nicht in Kraft sind, ist es interessant, ihre wichtigsten Aspekte hier kurz vorzustellen:

  • Jeder Spieleanbieter mit Lizenz und Hauptsitz unter einer anderen EU- Rechtsprechung kann eine AAMS-Lizenz beantragen, sofern er einen globalen Spielumsatz von nicht weniger als 1,5 Millionen Euro über die letzten zwei Jahre nachweist.
  • Sogar ein noch nicht aktiver Spielebetreiber wird eine AAMS Fernspiellizenz beantragen können, sofern er: (i) die verlangte logistische, technische und organisatorische Infrastruktur nachweist, (ii) eine Bankbürgschaft in Höhe von 1,5 Millionen zugunsten der AAMS beibringt, (iii) eine Gesellschaft unter einer EU- Rechtsprechung gründet und dort die Hardware- und Softwareinfrastruktur einrichtet, mit der die von der AAMS lizenzierten Spiele betrieben werden.

Unter den oben beschriebenen neuen Lizenzanforderungen ist besonders die Server-Ortsregel beachtenswert. Durch sie wird es möglich sein, dass ein AAMS-Lizenznehmer mit Hauptsitz im Ausland seine Spiele-Server im Ausland lassen darf, sofern (i) diese sich auf dem Gebiet der Europäischen Union befinden, und (ii) 24 Std. täglich eine Fernverbindung zum Zentralsystem der AAMS für die Prüfung der Wetten, die Überwachung der Gesetzeseinhaltung und zu steuerlichen Zwecken garantiert ist. Das Jahr 2008 war auch jenes, in dem die meisten (wenn nicht sogar alle) der Lizenznehmer der Ausschreibung aus dem Jahr 2006 schließlich ihre Online-Pokerturniere live schalteten, die ab September von einigen italienischen Betreibern (Gioco Digitale und Microgaming) online geschickt wurden. Zudem haben seither einige weitere große, durch die AAMS lizenzierte Betreiber wie Bwin und Lottomatica ihr Online-Poker-Produkt online geschickt und in der zweiten Jahreshälfte wurden in Italien zwei der weltweit größten Poker Rooms (PokerStars und PartyGaming) lizenziert und bereiten derzeit die Eröffnung ihrer eigenen Turniere vor.

Die ersten veröffentlichten Zahlen zum Erfolg von Poker(-turnieren) auf dem italienischen Glücksspielmarkt sind recht beeindruckend, wenn man bedenkt, dass der monatliche Umsatz in diesem frühen Stadium bei nur wenigen Plattformen bereits etwa 65 Mio. Euro beträgt, obwohl die AAMS bisher lediglich auf einheimische Teilnehmer beschränkte Turniere akzeptiert (nationale Pool-Liquidität im Ggs. zur internationalen Pool-Liquidität). Angesichts einer so großen Nachfrage bei gegebener Beschränkung auf den einheimischen Markt lässt sich mit ziemlicher Sicherheit voraussagen, dass der Umsatz von Pokerturnieren in 2009 die rosigsten Erwartungen der italienischen Behörden, deren anfängliche Prognose für den Gesamtumsatz in der Region im nächsten Jahr bei 400 Mio. Euro lag, bei weitem übertreffen wird.

Solche Schlüsselfaktoren wie (i) ein relativ günstiger Gesetzesrahmen und (ii) eine sehr hohe Inlandsnachfrage in Verbindung mit einem sehr viel weniger online-anbieter-freundlichen Umfeld in den meisten anderen wichtigen kontinentaleuropäischen Rechtsgebieten wie z. B. Frankreich und insbesondere Deutschland geben Grund zu der Annahme, dass Italien 2009 auf dem Online-Glücksspielmarkt in der EU ein weiteres Mal die Nase vorn haben wird. Tatsächlich wird das „Zuckerbrot-und-Peitsche“-Regelungsmodell der AAMS (strikte Beschränkung von unlizenzierten ausländischen Portalen mittels „Schwarzer Liste“ und volles Recht zum Angebot von Online-Spielen an einheimische Kunden ausschließlich für Anbieter mit italienischer Lizenz) derzeit eingehend von anderen EU-Überwachungsbehörden im Hinblick darauf geprüft, ob es sich nicht gewinnbringend über die Alpen exportieren ließe. So sprachen in den letzten Monaten zahlreiche Delegationen von Überwachungsbehörden aus Frankreich und auch aus nordeuropäischen Ländern wiederholt bei der AAMS vor, um das italienische Modell besser zu verstehen.

Italiens Chancen auf eine europäische Vorreiterrolle mit einem pragmatischen und profitablen Gesetzesmodell, das irgendwo zwischen der französisch-deutschen monopolorientierten Denkweise und dem marktorientierten, deregulierten britischen Modell liegt, dürften sogar noch steigen, wenn die AAMS nach Inkrafttreten der Fernspielregelungen zu gegebener Zeit darüber hinaus eine „Politik der Weißen Liste“ ähnlich derer, die von der britischen Glücksspielkommission schon seit geraumer Zeit praktiziert wird, verfolgen sollte. Im Hinblick hierauf ist zu vernehmen, dass früher in diesem Jahr bereits bilaterale Gespräche und Treffen zwischen den entsprechenden Behörden aus Rom, Alderney und der Isle of Man stattgefunden haben und die „Politik der Weißen Liste“ auf der Agenda der AAMS für 2009 steht.

Alles in allem stehen die Aussichten für ein weiteres gutes Geschäftsjahr der italienischen Spieleanbieter in 2009 nicht schlecht, wobei begünstigend hinzukommt, dass die Italiener traditionell dazu neigen, in wirtschaftlich düstereren Zeiten wie den jetzigen noch mehr Geld für Wetten und Glücksspiele auszugeben. Weitere wichtige wachstumssteigernde Faktoren werden sein:

  • Das Inkrafttreten der neuen Fernspiel- und entsprechenden Lizenzierungsregelungen.
  • Die Möglichkeit für jeden Lizenznehmer der AAMS, ab dem 01.12.2008 seiner eigenen Aufsichtsbehörde neue Sport und Nicht-Sportveranstaltungen vorzuschlagen, auf die er Wetten mit fester Quote annehmen möchte (die AAMS veröffentlicht wöchentlich die vollständige Liste aller „buchbaren“ Veranstaltungen und bisher war es Buchmachern nicht erlaubt, Wetten auf nicht gelistete Veranstaltungen anzunehmen).
  • Das wahrscheinliche Hinzukommen weiterer erfolgreicher Online-Poker-Rooms, die in Italien bisher nicht lizenziert sind.
  • Die wahrscheinliche Einführung der internationalen Pool-Liquiditäts-Regel durch die AAMS.
  • Die mögliche Legalisierung von Online-Poker und anderen Bargeldspielen und deren entsprechende Regulierung durch die AAMS innerhalb eines realistischen Zeitrahmens von 1 bis 3 Jahren.

Im besonderen Hinblick auf letzteren Aspekt sollte ebenfalls erwähnt werden, dass die Legalisierung und Regulierung von Online-Poker und anderen Bargeldspielen als Maßnahme der italienischen Behörden unausweichlich scheint, wenn diese wirklich darauf zielen, die „.it“-Portale gegenüber den „.com“-Portalen wirtschaftlich wettbewerbsfähig zu machen. Insofern stellt sich nicht etwa die Frage, ob Poker und andere Bargeldspiele in Italien eingeführt werden, sondern wann dies geschehen wird. Die derzeit einzig vernünftige Antwort auf diese Frage muss lauten: Man wird sehen. Aus: TIME LAW NEWS 1/2009 (www.timelaw.de) der Kanzlei Hambach & Hambach Rechtsanwälte