Nochmals: Die Schlussanträge des Generalanwalts Bot in Sachen Liga Portuguesa (Rechtssache C-42/07)

Rechtsanwalt Ralf Bender
Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht
Bender & Menken Rechtsanwälte
Mülheimer Str. 206
D - 47057 Duisburg
Nach der ausführlichen Stellungnahme von Hecker (isa-casinos v. 13.11.2008) scheint es erforderlich, jedenfalls einen entscheidenden, nachfolgend wiedergegebenen Aspekt der Schlussanträge nochmals aufzuarbeiten:

„Da die Festlegung des Schutzniveaus in Bezug auf die Gefahren der Glücks- und Geldspiele im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt, darf ein Mitgliedstaat für unterschiedliche Spiele unterschiedliche Betriebsweisen vorsehen. Die staatliche Lotterie, die Pferdewetten, die Casinospiele und die Geldspielautomaten können aufgrund des Ortes, an dem sie zugänglich sind, aufgrund ihrer Funktionsweise und aufgrund der Öffentlichkeit, an die sie sich wenden, jeweils unterschiedliche Spiele darstellen, und zwar je nach der Kultur des einzelnen Landes.“ (Rn. 305).

“ Ein Mitgliedstaat darf daher für jede dieser Arten von Spiele unterschiedliche und mehr oder weniger einschränkende Organisationsformen vorsehen.“ (Rn. 306).

Aus diesen Ausführungen zieht Hecker nachfolgenden Schluss:

„Folgt der Gerichtshof den Ausführungen des Generalanwalts, so ist damit klargestellt, dass… – eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Glücksspielarten kein Verstoß gegen das Gebot einer kohärenten und systematischen Glücksspielpolitik darstellt.“

Dies ist jedoch zweifelhaft.

Die Ausführungen des Generalanwalts zu diesem Punkt sind nicht neu, sondern Teil ständiger Rechtssprechung des EUGH, soweit sie die Festlegung des Schutzniveaus betreffen ( Schindler C-275/92, Rn. 61, Zenatti C-67/98, Rn. 33, Läärä C-124/97, Rn. 36, Gambelli C-243/01, Rn. 63).

Allerdings ist der zitierten Rechtsprechung zu entnehmen, dass diese Niveaubestimmung im Ermessen, nicht etwa im Belieben der Mitgliedstaaten liegt. So hat der EUGH in Sachen Zanetti (Rn 33)ausgeführt, dass es den staatlichen Stellen obliege „zu beurteilen, ob es im Rahmen des verfolgten Zieles notwendig ist, Tätigkeiten dieser Art zu verbieten oder zu beschränken.“ Weiter wird ausgeführt (Rn. 34), dass die Notwendigkeit der Schutzregelungen “ allein auf die von den nationalen Stellen des betroffenen Mitgliedsstaats verfolgten Ziele…zu beurteilen sind.“

Erklärtes Ziel des seit dem 01.01.2008 geltenden Glückspielstaatsvertrages ist es nach dessen § 1Nr. 1, das Entstehen von Glückspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen.

Die staatlichen Stellen haben hiernach also bei Ausübung des Ermessens dieses Ziel zu berücksichtigen, insbesondere im Hinblick auf die Vermeidung von Ermessensfehlern als Ausfluss der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Beachtung dieses Grundsatzes stellt der Generalanwalt selbst durch Verweis auf das Urteil des EUGH C-262/02 Kommission gegen Frankreich heraus (Rn. 306).

Hieraus ergibt sich auch das Erfordernis der Einhaltung der Denkgesetze, der Logik und Erfahrung.

Es darf wohl als unstreitig angesehen werden, dass insbesondere Automatenspiele erheblich suchgefährdender sind als diejenigen Glückspiele, welche den Regelungen des Glückspielstaatsvertrages unterworfen sind. Insoweit kann man derzeit von einer wissenschaftlich gesicherten Erfahrung ausgehen. Dennoch wurden erstere aus dem Regelungsbereich des Glückspielstaatsvertrages nicht nur ausgeklammert, sondern im Gegenteil noch liberalisiert (Vgl. Änderung der Spieleverordnung in den §§ 3 und 13, BGBl. I, 2006, S. 280), wie bereits das VG Stuttgart in seinem Vorlagebeschluss vom 24.07.2007 feststellte.

Es kann also festgehalten werden, dass ein Teil der Glückspiele monopolisiert, an anderer, ersichtlich suchtgefährdenderer hingegen liberalisiert wurde.

Weshalb dies so ist, weshalb also in Ansehung des für die Ermessensentscheidung maßgeblichen Zieles der Suchtbekämpfung suchtgefährdendere Glückspielbereiche liberalisiert werden, mithin eine Darstellung der sachlichen (und damit ermessensfehlerfreien ) und für die offensichtlich unterschiedliche Bestimmung des Schutzniveaus maßgeblichen Gründe ist bislang von keiner Stelle gegeben worden.

Diese Problematik war bereits vor Inkrafttreten des Glückspielstaatsvertrages auch dem Gesetzgeber bekannt. Schon der wissenschaftliche Dienst des Schleswig-Holsteinischen Landtages (Umdruck 16/2460) stellte mit Gutachten vom 12.10.2007 fest:

„Die Frage (ob ein kohärentes und systematisches Regelungssystem vorliege) kann jedoch vorliegend dahinstehen, da jedenfalls eine sektorale Regelungsstrategie, die zentrale suchtrelevante Bereiche mit nachweislich erheblichem Gefährdungspotential ausklammert, letztlich als willkürlich anzusehen ist und die Vorgaben des EUGH missachtet.“

Weiter heißt es dort:

“Dadurch setzt der Gesetzgeber sich in Widerspruch zu seinem Regelungsziel und gerät in Kollision mit dem auch im Gemeinschaftsrecht geltenden Willkürverbot“.

Damit dürfte der oben zitierten Schlussfolgerung Heckers allenfalls unter folgender Modifizierung zu folgen sein:

„Folgt der Gerichtshof den Ausführungen des Generalanwalts, so ist damit klargestellt, dass… – eine unterschiedliche ermessensgerechte Behandlung der verschiedenen Glücksspielarten kein Verstoß gegen das Gebot einer kohärenten und systematischen Glücksspielpolitik darstellt.“

Ob dem tatsächlich unter Berücksichtigung der genannten Aspekte so ist, darf bezweifelt werden.