Große Strafkammer des Landgerichts Berlin: Vermittlung von Sportwetten ins Ausland auch in der Übergangszeit bis zum 31.12.2007 nicht strafbar

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
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Im Rahmen eines durch die Kanzlei Bongers geführten Strafverfahrens gegen einen Sportwettvermittler, der in Berlin in den Jahren 2006 und 2007 Sportwetten an einen in Malta konzessionierten Wettveranstalter vermittelt hatte, hat das Landgericht Berlin – wie zuvor das Amtsgericht Tiergarten (Berlin) – entschieden, dass die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt wird. Dabei haben sowohl das Amtsgericht Berlin Tiergarten als auch das Landgericht Berlin zum Ausdruck gebracht, dass nach dortiger Einschätzung – jedenfalls für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrages am 31.12. 2007 – eine Strafbarkeit bei der Vermittlung von Sportwetten ausscheidet.

Die 26. Große Strafkammer des Landgerichts Berlin – Wirtschaftsstrafkammer – stellt dabei in ihrem Beschluss vom 15.09.2008 – 526 Qs 8/08 – zutreffend fest, dass der Straftatbestand des § 284 StGB selbst zwar nicht verfassungswidrig ist, die Anwendbarkeit als Grundlage für die Verhängung strafrechtlicher Sanktionen gegen einen Sportwettvermittler aber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist, mindestens so lange, wie es an einer den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 28.03.2006 entsprechenden Rechtsgrundlage für das staatliche Wettmonopol fehle.

Der strafbewehrte Ausschluss gewerblicher Wettangebote sein ein unverhältnismäßiger und unzumutbarer Eingriff in die Berufswahl des Betroffenen, solange das bestehende Wettmonopol in seiner konkreten rechtlichen sowie in der Praxis realisierten Ausgestaltung nicht primär der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischem Spielverhalten diene. Bereits aus der verwaltungsakzessorischen Natur des § 284 StGB werde deutlich, dass eine Strafbarkeit der Veranstaltung von Sportwetten nicht losgelöst von der verfassungsrechtlichen Beurteilung der landesrechtlichen Gesamtregelung des Sportwettenrechts zu beantworten sei (vgl. BGH, Urteil vom 16.08.2007). Denn das durch § 284 StGB begründete strafrechtliche Verbot der Veranstaltung unerlaubten Glücksspiels sei Teil einer Gesamtregelung, die durch das staatliche Wettmonopol zu einem mit Artikel 12 GG unvereinbaren Eingriff in die Berufsfreiheit führe. Folglich komme ohne eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage, die erforderlich sei, um den Eingriff in das Grundrecht des Artikel 12 Abs. 1 GG zu rechtfertigen, eine Bestrafung nach § 284 StGB auch nicht in Betracht.

Das Strafrecht könne nicht zur Durchsetzung eines staatlichen Wettmonopols herangezogen werden, das seinerseits gegen Verfassungsrecht verstoße. Der Staat würde sich willkürlich verhalten, wenn einerseits die Erteilung eine Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten unter Berufung auf ein mit der Verfassung unvereinbares Gesetz versage, andererseits aber gleichzeitig denjenigen bestrafe, der ohne diese behördliche Erlaubnis einen grundrechtlich geschützten Beruf ausübe.

Die Verhängung einer strafrechtlichen Sanktion bleibe so lange verfassungsrechtlich ausgeschlossen, bis der Gesetzgeber ein verfassungsgemäßes Gesetz erlassen habe.

Das Landgericht lässt dabei offen, ob die Deutsche Klassenlotterie in Berlin mit der Umsetzung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßnahmen in ausreichendem Maße – während der damaligen Übergangszeit – begonnen habe. Da es jedenfalls an einer verfassungskonformen gesetzlichen Grundlage angesichts der vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Verfassungswidrigkeit des staatlichen Wettmonopols fehle, könne auch eine strafrechtliche Ahndung auf Basis von § 284 StGB nicht in Betracht kommen.

Das Landgericht Berlin weist in seiner Entscheidung im Übrigen auf mittlerweile ergangene Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Bamberg, des Landgerichts Frankfurt oder des Oberlandesgerichts Hamburg, die ebenfalls in den letzten Monaten in zutreffender Form entschieden haben, dass auch im Zeitraum der sog. „Übergangsregelung“ von einem strafbaren Verhalten bei der Vermittlung von Sportwetten nicht ausgegangen werden könne.

Damit besteht mittlerweile eine nahezu einheitliche Rechtsprechung deutscher Strafgerichte dahingehend, dass auch für den Zeitraum vom 28.03.2006 bis zum 31.12.2007 von einem strafbaren Verhalten bei der Vermittlung von Sportwetten nicht auszugehen ist.

Anmerkung: Auch aufgrund dieser, durch zahlreiche Strafgerichte getroffenen Feststellungen werden sich deutsche Behörden in zahlreichen Verfahren erheblichen Schadenersatzansprüchen ausgesetzt sehen, zumal nach diesseitiger Einschätzung auch ordnungsbehördliche Maßnahmen in diesem Zeitraum mangels verfassungs- und insbesondere mangels europarechtskonformer Gesetzesgrundlage unzulässig gewesen sind. Diese Einschätzung wurde in der Vergangenheit – also während der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts – auch durch zahlreiche Verwaltungsgerichte geteilt.