Die Spielerklagen

Rechtsanwalt Dr. Nik Sarafi

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In letzter Zeit häufen sich Spielerklagen an den deutschen Gerichten: Spieler klagen gegen Online-Casinos auf Rückzahlung ihrer verspielten Einzahlungen. Weil das Online-Glücksspielangebot in Deutschland illegales Glücksspiel im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 bzw. des § 284 StGB sei, sei der Spielervertrag nichtig und – so zumeist die Argumentation – die Einzahlung ohne Rechtsgrund erfolgt, weshalb die Einzahlungen zurückzugewähren seien.

Hintergrund der zunehmenden Anzahl an Fällen ist nicht, dass Online-Glücksspiel vermehrt wahrgenommen wurde. Es gibt seit Jahren ein breites Online-Glücksspielangebot in Deutschland, welches sich auch vor der Klagewelle großer Beliebtheit erfreut hat. Auch ist durch das Inkrafttreten des Glücksspielneuregulierungsvertrages 2021 (kurz: GlüStV 2021) keine Rechtsänderung eingetreten, welche etwaige Ansprüche neu begründen würde. Bis vor Kurzem waren Klagen gegen die Online-Glücksspielanbieter auf Rückzahlung der Einsätze selten, da die Gerichte den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch zumeist damit abwiesen, dass der Spieler selbst einen Rechtsverstoß begangen hat und sich deshalb nicht auf den Schutz der Rechtsordnung berufen könne (§ 817 S. 2 BGB).

Dass Spielerklagen die Gerichte zunehmend beschäftigen, liegt in gewisser Weise am Landgericht Gießen: Mit Urteil vom 25. Februar 2021 (Az.: 4 O 84/20) hat dieses einem klagenden Spieler das erste Mal einen Zahlungsanspruch gegen einen Online-Glücksspielanbieter zugesprochen. Infolgedessen haben Juristen und Prozesskostenfinanzierer ein lukratives Geschäftsmodell aufgetan. Da die Rückzahlungsfälle sich in den einzelnen Sachverhalten stark ähneln, ist es möglich, das Bestehen von Rückzahlungsansprüchen teilautomatisiert zu prüfen und entsprechende Schriftsätze unter Einsatz intelligenter Vorlagen unkompliziert zu erstellen. Aus Sicht des Rechtsanwalts ist damit Rechtsberatung in vielerlei Fällen mit nur geringem Arbeitsaufwand möglich. Um eine Vielzahl an Mandanten zu gewinnen, wird häufig mit einer kostenlosen anwaltlichen Ersteinschätzung geworben. Berufsrechtlich ist dies jedoch höchst problematisch und birgt zahlreiche Stolperfallen, welche die Anwälte der Spieler aber aus Profitstreben bewusst übersehen.

Überblick über die Rechtsprechung an deutschen Gerichten

Während die meisten Urteile nach wie vor zugunsten der der Casinos ausgehen (AG Neuss, Urteil vom 30.11.2020 – 86 C 155/20; LG Wuppertal, Urteil vom 29.07.2020 – 3 O 195/19; LG München, Endurteil vom 13.04.2021 – 8 O 16058/20; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.10.2020 – 10 O 8632/19; LG Wuppertal, Urteil vom 30.10.2019 – 3 O 384/18; LG Köln, Beschluss vom 05.10.2020 – 3 O 191/20; AG Euskirchen, Urteil vom 31.05.2021 – 13 C 158/21; LG München II, Urteil vom 19.08.2021 – 9 O 5322/20), mehren sich in jüngster Zeit nun zunehmend auch die Urteile, welche Rückzahlungsansprüche bejahen (LG Gießen, Urteil vom 21.01.2021 – 4 O 84/20; LG Aachen, Urteil vom 22.06.2021 – 8 O 582/20; LG München I – 31 O 16477/20; LG Mainz, Urteil vom 02.07.2021 – 9 O 65/20; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 14.06.2021 – 19 O 6690/20; LG Leipzig, Versäumnisurteil vom 21.05.2021 – 07 O 2704/20).

Immer im Raum steht der Anspruch auf Rückzahlung der Einsätze aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB – der Anspruch auf Rückzahlung einer Leistung, die nicht geschuldet war. Dass der Anspruch des § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB tatbestandlich vorliegt, ist in der Rechtsprechung unstreitig. Denn der Spielervertrag verstößt aus der Perspektive deutschen Rechts gegen §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV 2012, ist also nichtig nach § 134 BGB, weshalb die Zahlungen, die der Spieler in Erfüllung des Spielervertrages auf sein Spielerkonto einzahlte, ohne Rechtsgrund erfolgten.

Strittig scheint vorranging die Anwendung des § 817 S. 2 BGB zu sein. Nach § 817 S. 2 BGB ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt. Hier problematisieren die Gerichte immer wieder, inwiefern die Spieler willentlich selbst gegen ein gesetzliches Verbot wie bspw. § 285 StGB verstoßen haben. Denn dafür ist mindestens die Kenntnis der Spieler von der Illegalität des Glücksspielangebots erforderlich, was insbesondere in letzter Zeit die Gerichte wiederholt in Frage stellen.

Aber selbst bei der Annahme des § 817 S. 2 BGB gehen die Meinungen über das weitere Vorgehen auseinander. Uneinigkeit herrscht darüber, ob § 817 S. 2 BGB anzuwenden ist oder – um Unbilligkeiten zu vermeiden – teleologisch so zu reduzieren ist, dass er trotz Anwendbarkeit nicht angewendet wird.

Bis zum Urteil des Landgerichts Gießen wurde § 817 S. 2 BGB nicht teleologisch reduziert, da § 817 S. 2 BGB vorsieht, dass dem Leistenden nicht genommen werden darf, „was er dem anderen auch nach den Modalitäten des gesetzeswidrigen Geschäfts nie zuwenden wollte und worauf sich die rechtliche Missbilligung gar nicht beziehen kann“, ein solcher Fall aber zumeist nicht vorlag, da die Spieler „bewusst Geld zum Glücksspiel eingesetzt [haben], um dieses zufallsabhängig zu vermehren oder zu reduzieren“ und auch bei erlaubten Glücksspiel ebenso hohe Verlust hätte machen können (LG München, Endurteil vom 13.04.2021 – 8 O 16058/20). Selbst bei einer Nichtanwendung des § 817 S. 2 BGB wurde ein Anspruch zudem wegen des Verstoßes gegen § 242 BGB verneint, da „die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs eines Spielers, der sehenden Auges und aus eigenem Handlungsantrieb heraus am illegalen Online-Glücksspiel teilgenommen und sodann Verluste eingespielt hat, gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) [verstößt] und […] jedenfalls vor diesem Hintergrund ausgeschlossen sein“ müsse (LG München, Endurteil vom 13.04.2021 – 8 O 16058/20).

Anders das Landgericht Gießen: Dieses wandte § 817 S. 2 BGB hingegen trotz seiner tatbestandlichen Anwendbarkeit aufgrund einer teleologischen Reduktion nicht an, da der „Ausschluss der Rückforderung nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar [sei], wenn die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen“ (LG Gießen, Urteil vom 21.01.2021 – 4 O 84/20). Die §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV 2012 seien dazu bestimmt, den Spieler vor suchtfördernden, ruinösen oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels zu schützen und illegales Glücksspiel zum Schutz der Spieler zu unterbinden (LG Gießen, Urteil vom 21.01.2021 – 4 O 84/20; den Individualschutzrechtscharakter bejahend auch LG Aachen, Urteil vom 22.06.2021 – 8 O 582/20 und LG Mainz, Urteil vom 02.07.2021 – 9 O 65/20). Um diese Intention des Verbotsgesetzes nicht zu unterlaufen, dürften die Einsätze eines Spielers nicht als kondiktionsfest behandelt werden, da sie ansonsten dem Anbieter des illegalen Glücksspiels dauerhaft verblieben (LG Gießen, Urteil vom 21.01.2021 – 4 O 84/20; ähnlich auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 14.06.2021 – 19 O 6690/20).

Fehlerhafte Begründungen der Gerichte

Im Gegensatz dazu, was das Urteil des Landgericht Gießens und der weiteren kürzlich ergangenen Urteile suggerieren mögen, besteht seitens der Spieler kein Rückzahlungsanspruch. Eine nähere Betrachtung der Entscheidungsgründe der zusprechenden Urteile offenbart häufig eklatante Begründungsmängel.

Zum Beispiel: Hätte das LG Gießen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB sauber geprüft, hätte es zunächst feststellen müssen, dass dem Spieler „gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt“ – während der Glücksspielanbieter gegen § 284 Abs. 1 GlüStV verstößt, verstößt der Spieler gegen § 285 StGB. Anschließend hätte es begründen müssen, warum der Spieler, der sich ebenso fehl verhält wie der Anbieter, dennoch durch die Nichtanwendung des § 817 S. 2 BGB privilegiert werden soll. Zwar ist im Rahmen von § 817 S. 2 BGB regelmäßig nicht auf die Erfüllung von Straftatbeständen abzustellen. Allerdings stellt die Erfüllung des Tatbestandes in Frage, ob der Spieler, der sich selbst strafbar macht, zu einem derart hohen Grade schützenswert ist, dass ihm das risikolose Spiel zu gestatten wäre. Zudem setzt das LG Gießen, ohne dies näher zu begründen, voraus, dass §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV dem Individualrechtsschutz dienen. Angesichts dessen, dass selbst beim Schwarzarbeitergesetz der Individualrechtsschutz verneint wird und der Schutzzweck der Wahrung öffentlicher Belange im Vordergrund steht (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13), wäre hier eine weitere Begründung erforderlich gewesen, zumal dies der neuralgische Punkt ist, der aus Sicht des Gerichts gegen die Anwendung von § 817 S. 2 BGB spricht (den Individualrechtsschutzcharakter ablehnend LG München, Urteil vom 19.08.2021 – 9 O 5322/20).

Auch das LG München prüft die Nicht-Anwendung des § 817 S. 2 BGB nur unzureichend. Der Kern der Argumentation, die angeführte dogmatische Regel umreißt nämlich nur eine Fallgruppe, in der § 817 S. 2 BGB nicht anzuwenden ist, stellt aber lediglich eine partielle Definition der Nichtanwendung dar, welche den Rückschluss auf die gebotene Anwendung, wie ihn das Gericht nicht vornimmt, gar nicht zulässt. Kurz gesagt: Das Gericht macht hier einen logischen Fehler, denn wenn „wenn A, dann B“ gilt, kann aus „Nicht-A“ eben nicht „Nicht-B“ gefolgt werden. Dass das Gericht sich seiner Argumentation auch nicht sicher war, zeigt sich daran, dass es darüber hinaus auf § 242 BGB abstellt (LG München, Endurteil vom 13.04.2021 – 8 O 16058/20).

Die scheinbare Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung und das prima facie komplexe bereicherungsrechtliche Problem lässt sich somit auf die einfache zentrale Anwendungsfrage reduzieren, ob die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion vorliegen. Eine teleologische Reduktion ist begründbar, sofern dargelegt werden kann, dass eine Norm semantisch Fälle umfasst, welche ausgehend vom Normzweck von dieser nicht umfasst sein sollen. Argumentieren müssten die Gerichte, welche § 817 S. 2 BGB nicht anwenden wollen, also, warum der Rückzahlungsanspruchs eines Spielers gegen ein illegales Online-Casino nicht vom Normzweck umfasst sein soll. Einen wirklichen Argumentationsspielraum gibt es dabei aber nicht. Es mag zwar unfair erscheinen, dass die Online-Casinos ihr Geschäftsmodell aus Sicht des Zivilrechts weiter betreiben dürfen und keine Rückzahlung befürchten müssen, weil die getätigten Einsätze kondiktionsfest sind. Wer allerdings die Online-Glücksspielanbieter wegen ihres illegalen Angebots auf dem Zivilrechtsweg sanktionieren zu können glaubt, interpretiert den Zweck des Zivilrechts fehl: Das Zivilrecht soll fehlerhafte Vermögensverschiebungen unter Privatpersonen ausgleichen. Gesetzesverstöße wie illegales Glücksspiel zu unterbinden, ist hingegen Aufgabe der Exekutive und Regelungsgegenstand des öffentlichen Rechts. Sanktionen gegen Online-Casinos durch die Nichtanwendung des § 817 S. 2 BGB durchzusetzen mag deshalb vom Billigkeitsgefühl her richtig sein, ist dogmatisch aber nicht haltbar, da die teleologische Reduktion am Gesetzeszweck festhalten muss. Der Zweck des § 817 S. 2 BGB ist, demjenigen keinen Rechtsschutz zu gewähren, der sich bei seiner Leistung selbst nicht rechtstreu verhält. Dementsprechend kann § 817 S. 2 BGB nur dann teleologisch reduziert werden, wenn das gesetzliche Verbot, gegen das verstoßen wird, gerade dem Schutz des Leistenden dient. Rechtsschutzbedürftig wäre der Spieler somit nur dann, wenn die §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV 2012 dem Individualrechtsschutz dienen. Daran aber bestehen begründete Zweifel, weshalb die zusprechenden Gerichte bislang den Individualrechtsschutz der §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV 2012 auch nie überzeugend haben begründen können. Ob er die Einsätze freiwillig getätigt hat und er diese auch bei rechtmäßigem Glücksspiel verloren hätte, mag dabei gegen den Individualrechtsschutz des § 4 Abs. 4 GlüStV, nicht aber gegen eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB sprechen.

Wird der Individualrechtsschutz der §§ 1 S. 1, 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verneint, scheitert daran auch der Rückzahlungsanspruch aus § 823 BGB, der ebenfalls von manchen Gerichten angenommen bzw. andiskutiert wird.

Kein Zahlungsanspruch bei ähnlichen Fallgruppen

Dass gegen Online-Glücksspielanbieter kein Rückzahlungsanspruch besteht, ergibt sich auch aus einem Vergleich mit anderen Fallgruppen, beispielsweise den sog. „Schwarzarbeiter“-Fällen.

Beispielsweise haben nach ständiger Rechtsprechung auch Schwarzarbeiter aufgrund des Verstoßes gegen § 817 S. 2 BGB keinen Werklohnanspruch, wobei eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB zu Recht abgelehnt wird. Einem Werklohnanspruch aus Werkvertrag, § 631 Abs. 1 BGB stehe entgegen, dass der Vertrag beiderseitig gegen § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 SchwArbG verstoße und deshalb nach § 134 BGB nichtig sei. Auch ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag bestehe nicht, weil die Aufwendungen im Hinblick auf den mit der Ausführung des Geschäfts verbundenen Verstoß gegen das Verbotsgesetz des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG nicht für erforderlich gehalten werden können. Schließlich bestehe auch kein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Wertersatz: Zwar seien die Voraussetzungen des Anspruchs auf Wertersatz gem. §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB (condictio indebiti) erfüllt, da die Werkleistung im Hinblick auf einen nichtigen Vertrag erbracht und damit rechtsgrundlos erfolgt seien und die Werkleistung auch nicht herausgabefähig sei. Der Bereicherungsanspruch sei aber nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. Nach § 817 S. 2 BGB sei die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein Gesetzesverstoß zur Last falle. Die vereinbarungsgemäß erbrachte Werkleistung sei zwar wertneutral, sofern aber bereits bei Vertragsschluss ein bewusster Verstoß gegen § 1 Abs. 2 SchwarzArbG vereinbart wird, stelle die Leistungserbringung einen Gesetzesverstoß dar (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13).

§ 817 S. 2 BGB sei weder einschränkend auszulegen noch mit Blick auf die Grundsätze von Treu und Glauben nicht anzuwenden. Bei der Anwendung des § 817 S. 2 BGB sei der Zweck des Verbotsgesetzes in den Blick zu nehmen und § 817 S. 2 BGB trotz tatbestandlicher Anwendbarkeit nicht anzuwenden, „wenn Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes die Gewährung eines solchen Anspruchs zwingend erfordern“, beispielsweise, wenn das Verbotsgesetz vor allem zum Schutz des Leistenden erlassen worden sei. Das Schwarzarbeitergesetz diene aber in erster Linie der Wahrung öffentlicher Belange. Nicht ein fiskalischer Zweck werde verfolgt, sondern vielmehr solle auch die mit der Schwarzarbeit einhergehende Wettbewerbsverzerrung verhindert oder zumindest eingeschränkt werden, um so den Schutz gesetzestreuer Unternehmer und Arbeitnehmer zu erreichen. Schließlich sei § 817 S. 2 BGB auch nicht aufgrund der Grundsätze von Treu und Glauben einzuschränken. Während der BGH früher der Auffassung war, der aus Billigkeitserwägungen dürfe der wirtschaftlich meist stärkere Besteller keinesfalls günstiger behandelt werden als der wirtschaftlich schwächere Schwarzarbeiter, verneint der BGH nunmehr eine Korrektur aufgrund der Grundsätze von Treu und Glauben, da die Anwendung des § 817 S. 2 BGB nicht dazu führe, dass der Besteller bevorzugt werde, da diesem weder Mängelansprüche noch vertragliche Mangelfolgeansprüche zustünden, die im Einzelfall den nicht vereinbarten Werklohn um ein Mehrfaches übersteigen könnten (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – VII ZR 241/13).

Berufsrechtliche Stolperfallen für Anwälte

Trotz der uneinheitlichen Rechtsprechung ist die Rechtslage somit eigentlich klar, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich eine höchstrichterlich bestätigte einheitliche Rechtsanwendung des § 817 S. 2 BGB zur Ablehnung von Rückzahlungsansprüchen etabliert hat. Bis dahin stellt es zumindest noch keine Falschberatung dar, wenn Anwälte, selbst wenn diese sich über die zuvor dargestellte Rechtslage im Klaren sind, mit ihren Mandanten gerichtlich gegen Online-Glücksspielanbieter vorgehen. Anwälte müssen jedoch aufpassen, nicht über die berufsrechtliche Fallstricke zu stolpern, welche nach § 114 Abs. 1 BRAO unter anderem ein Vertretungsverbot oder den Ausschluss von der Rechtsanwaltschaft zur Folge haben können.

Damit ist nicht die Werbung mit einer kostenlosen Erstberatung gemeint – das Angebot einer kostenlosen Erstberatung verstößt nicht gegen das Berufsrecht. Nach § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO ist es untersagt, geringere Gebühren oder Auslagen zu fordern, als das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorsieht, gemäß § 2 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 RVG ist deshalb eine kostenlose gerichtliche Vertretung verboten. Allerdings ist von dem Gebührenunterschreitungsverbot nach § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO nicht die außergerichtliche Erstberatung umfasst, da für die außergerichtliche Vertretung seit dem 01.07.2006 keine gesetzlich festgeschriebene Gebühr mehr verlangt werden muss, sondern eine Vergütung nach § 34 RVG frei vereinbart werden kann. Eine kostenlose Erstberatung ist somit insoweit zulässig, als dass eine Gebührenvereinbarung getroffen wird, die den Verzicht auf Gebühren umfasst (LG Essen, Urteil vom 10.10.2013 – 4 O 226/13).

Nicht mehr mit dem Berufsrecht vereinbar ist das Verhalten der Rechtsanwälte jedoch dort, wo der Rechtsanwalt bei der Beratung neben den Interessen des Mandanten eigene monetäre Interessen verfolgt, weil ihm für den Fall des Obsiegens der Klage eine Provision von einem Prozessfinanzierer versprochen wurde. Bereits Erfolgshoronare sind nach § 49b Abs. 2 S. 1 BRAO verboten. Hinzu kommt, dass ein Anwalt, der einen Mandanten mit dem Hintergedanken eines Provisionsinteresses berät, nicht unabhängig im Sinne des § 43a Abs. 1 BRAO agieren würde, was ebenfalls berufsrechtswidrig wäre.

Am schwerwiegendsten ist jedoch der berufsrechtliche Verstoß gegen die allgemeine Berufspflicht zur gewissenhaften Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts nach § 43 S. 1 BRAO, der mit der Aufforderung des Mandanten an den Spieler einhergeht, im Rahmen des Prozesses zu versichern, aus Deutschland heraus an illegalem Glücksspiel teilgenommen zu haben. Dies ist aus zivilrechtlicher Perspektive erforderlich, um das Bestehen des Rückforderungsanspruchs zu begründen. Aus strafrechtlicher Perspektive bedeutet dies jedoch, dass der Spieler auf Betreiben seines Rechtsanwalts einräumt, den objektiven Tatbestand des § 285 StGB – der Beteiligung an illegalem Glücksspiel – erfüllt zu haben.

Für die Staatsanwaltschaft wird es bei Einräumen der Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 285 StGB dann ein Leichtes sein, eine Verurteilung wegen des Verstoßes gegen § 285 StGB zu erreichen. Denn da die meisten Glücksspielanbieter in ihren AGB darauf hinweisen, dass die Teilnahme aus Deutschland verboten ist, und die Spieler die AGB bei ihrer Anmeldung beim Online-Glücksspielanbieter akzeptieren, können diese danach schwerlich behaupten, sie hätten von der Illegalität des Angebots nichts gewusst, da sie sich dann jedenfalls leichtfertig der Gesetzeswidrigkeit ihres Handels verschlossen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 22.04.1997 – XI ZR 191/96; BGH, Urteil vom 23.03.2005 – VIII ZR 129/04). Zudem kann jeder Spieler, der an Online-Glücksspiel teilnimmt, die deutsche Rechtslage zur Teilnahme an Online-Glücksspielen durch Erkundigen bei zuständigen Stellen oder eine Internetrecherchen unschwer recherchieren. Unterlässt ein Spieler dies, nimmt er zumindest billigend in Kauf, dass er durch die Beteiligung an dem Online-Glücksspiel gegen § 285 StGB verstößt (vgl. LG Duisburg, Urteil vom 19.10.2016 – 3 O 373/14).

Ein Rechtsanwalt darf deshalb nicht aus Profitstreben darauf hinwirken, einen Spieler zu einer Spielerklage zu bewegen, ohne ihn darauf hinzuweisen, dass er dadurch die Begehung eines Straftatbestandes einräumt. Dieser berufsrechtlich unverzichtbare Hinweis unterbleibt jedoch zumeist. Denn die meisten Spieler würden angesichts § 285 StGB wohl von einer Spielerklage Abstand nehmen, das lukrative Geschäftsmodell wäre dahin. Dessen Tage sind aber ohnehin gezählt – sobald die Rechtsanwaltskammern auf die derzeitige Praxis aufmerksam werden, werden sich die Anwaltsgerichte mit den Berufsrechtsverstößen auseinandersetzen müssen.