Vorabentscheidungsverfahren zur Spielhallenproblematik beim EuGH

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein

Der österreichische Verwaltungsgerichtshof hat durch Beschluss vom 27. April 2020 in der Spielhallenproblematik den Gerichtshof der Europäischen Union zu der Auslegung des Artikels 56 AEUV angerufen. Im Vordergrund des von den Rechtsanwälten Patrick Ruth und Rolf Karpenstein geführten Verfahrens steht die auch in Deutschland relevante Frage, ob ein nationales Gericht, das mit einer Sanktion wegen des Betriebs von Geldspielgeräten ohne staatliche Erlaubnis befasst ist, die Vereinbarkeit der Sanktion mit EU-Recht prüfen muss, nachdem dieses oder ein anderes Gericht die Grundverfügung als (angeblich) unionsrechtskonform beurteilt hat. Die Vorlagefrage lautet:

„Hat das nationale Gericht in einem Strafverfahren, das zum Schutze einer Monopolregelung geführt wird, die von ihm anzuwendende Strafsanktionsnorm im Lichte der Dienstleistungsfreiheit zu prüfen, wenn es bereits zuvor die Monopolregelung entsprechend den Vorgaben des EuGH geprüft und diese Prüfung ergeben hat, dass die Monopolregelung gerechtfertigt ist?“

Darüber hinaus werden jeweils vier Fragen für den Fall der Bejahung der ersten Frage und für den Fall der Verneinung der ersten Frage gestellt, die im Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit und Art. 49 Abs. 3 der Charta der Europäischen Union stehen, demnach das Strafmaß zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein darf.

Die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union spricht eindeutig dafür, dass die erste Frage vom EuGH bejaht wird. Denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH müssen staatlichen Stellen bei jedem Eingriff, gleichgültig, ob dieser durch Gesetz, Verwaltungsakt oder durch richterliche Entscheidung erfolgt, die Vereinbarkeit dieses Eingriffs anhand der Vorgaben der als an den Staat gerichteten Verbotsnormen ausgestalteten höherrangigen Dienstleistungsfreiheit prüfen. So hat der Gerichtshof schon 1999 in Ciola den österreichischen Behörden und Gerichten mitgeteilt, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt nicht durch eine Geldbuße vollstreckt werden darf, ohne dass die Vereinbarkeit der Geldbuße sowie die des dem Bußgeldbescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes mit Unionsrecht geprüft werden muss. Der österreichische Bundeskanzler hatte daher mit Schreiben vom 14. Mai 1999 klargestellt, dass (Zitat): „ein gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßendes Verbot, das vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats eingeführt wurde, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Geldstrafe, die nach dem Beitritt wegen der Nichtbeachtung des Verbots verhängt wurde, unangewendet bleiben muss. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht durch eine generell-abstrakte Rechtsvorschrift oder durch eine individuell-konkrete (und bereits rechtskräftige) Verwaltungsentscheidung bewirkt wird. Der Rechtsschutz, der sich für den Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts ergibt, kann nämlich nicht von der Rechtsnatur der entgegenstehenden Bestimmung des innerstaatlichen Rechts abhängen.“

Ganz auf dieser Rechtsprechungslinie hat der EuGH für den Bereich der Spielhallen in der Rechtssache C-464/15 (Admiral Casinos & Entertainment) klargestellt, dass (Zitat des Urteilstenors:) „Art. 56 AEUV dahin auszulegen ist, dass es bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer restriktiven nationalen Regelung im Bereich der Glücksspiele nicht nur auf die Zielsetzung dieser Regelung im Moment ihres Erlasses ankommt, sondern auch auf die nach ihrem Erlass zu bewertenden Auswirkungen.“

Die Vorabentscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs hat besondere Relevanz für die Spielhallenproblematik in Deutschland. In Deutschland gibt es zahlreiche Sanktionen wegen des Fehlens einer deutschen Konzession. Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des EuGH weigern sich die Gerichte aber, die Vereinbarkeit der Sanktion mit dem Unionsrecht und insbesondere zu prüfen, ob die eingreifende Behörde die Rechtfertigung des von ihr ausgehenden Eingriffs nachgewiesen hat. All jene Gerichte sind daher gehalten, den Ausgang des EuGH-Verfahrens und insbesondere abzuwarten, ob sich der EuGH von seiner bisherigen Rechtsprechung distanziert – was nicht ernsthaft angenommen werden kann.

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