Landgericht Hamburg deutet Zweifel an der Glücksspieleigenschaft von Turnierpoker an

Für die zahlreichen Veranstalter von Sachpreis- Pokerturnieren und deren Teilnehmer gab es in jüngster Vergangenheit aus juristischer Sicht wenig Positives zu vermelden. Insbesondere die neueren Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Frankfurt/Main und des Verwaltungsgerichts Münster, die dahin tendieren, jegliche öffentliche Pokerveranstaltung außerhalb von Spielbanken für unzulässig zu erklären, geben wenig Grund zur Freude.

In strafrechtlicher Hinsicht ist die Situation deutlich positiver zu bewerten. Immerhin liegen mit den Urteilen des AG Fürstenfeldbruck und Baden-Baden zwei erstinstanzliche Entscheidungen vor, durch die Turnierveranstalter vom Vorwurf der gewerbsmäßigen Veranstaltung eines Glücksspiels freigesprochen wurden. Diese Urteile sind jedoch noch nicht rechtskräftig.

In einem weiteren derzeit anhängigen Strafverfahren hat die große Strafkammer des Landgerichts Hamburg (Az. 620 Qs 7/08) nun eine durchaus bemerkenswerte Aussage getroffen.
Der Sachverhalt:

Aufgrund eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses war eine Pokerveranstaltung von der Polizei aufgelöst und die Veranstaltungsräume durchsucht worden. Es wurden sämtliche Spielutensilien (Tische, Jetons etc.) beschlagnahmt.

Gegen diese „Razzia“ legte der von der Anwaltskanzlei Mittig Thalmann Stoll vertretene Veranstalter Beschwerde ein. Das Landgericht Hamburg hatte sich somit mit der Frage zu beschäftigen, ob die Durchsuchung und die Beschlagnahme rechtmäßig waren.

Die Beschwerde wurde unter anderem damit begründet, dass es sich bei Turnierpoker nicht um ein Glücks- sondern um ein Geschicklichkeitsspiel handelt, so dass eine Strafbarkeit nach §§ 284, 285 StGB nicht in Betracht kommt.
Die Entscheidung:

Anders als die oben genannten Gerichte gibt sich das Landgericht Hamburg nicht damit zufrieden, einfach ohne jede Begründung vom Vorliegen eines Glücksspiels auszugehen.
Im Gegenteil: Das Gericht lässt diese Frage ausdrücklich offen und stellt klar, dass die Glücksspieleigenschaft jedenfalls nicht so einfach unterstellt werden kann.

Das Gericht führt aus:

„…kann die Rechtsfrage unbeantwortet bleiben, ob die konkret in Frage stehende Pokervariante „Texas Hold´Em“ in turniermäßiger Spielweise ein Glücksspiel i.S.d. § 284 StGB ist.“

Ferner heißt es:

„Dafür, dass zumindest bei turniermäßig organisierter Spielweise der hier relevanten Pokervariante ein Geschicklichkeits- und kein Glücksspiel vorliegt, werden (…) beachtenswerte Argumente vorgebracht.“

Nach Auffassung des Gerichts war diese Frage im Rahmen der Entscheidung über die Beschwerde allerdings nicht zu entscheiden, da die Durchsuchung nach seiner Ansicht auch dann rechtmäßig gewesen sei, wenn von einem Geschicklichkeitsspiel ausgegangen werden müsse. Die Rechtmäßigkeit ergebe sich dann aus §§ 14 GewO i.V.m. § 33d Abs.1 GewO,
Es liege dann nämlich zwar keine Straftat vor. Jedoch bestehe der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit, wodurch die Durchsuchung ebenfalls gerechtfertigt werden könne.
Stellungnahme:

– Allein die Tatsache, dass das Gericht die Glücksspieleigenschaft von Turnierpoker nicht einfach unterstellt, macht die Entscheidung zu einer Besonderheit. Die Äußerung des Gerichts, dass die Glücksspieleigenschaft zumindest von Turnierpoker fraglich sei, verdient durchaus Beachtung und Respekt. Sie gibt Hoffnung für das weitere Verfahren sowie für parallel gelagerte Fälle, die derzeit deutschlandweit bei den Strafgerichten anhängig sind.

– Die bedenkliche Tendenz in der Rechtsprechung, Poker ohne jeglichen wissenschaftlichen Nachweis und ohne jede Differenzierung der verschiedenen Spielformen pauschal als Glücksspiel zu klassifizieren, wird vom LG Hamburg nicht kritiklos übernommen. Stattdessen hat sich das Gericht offensichtlich mit den Spielregeln des „Texas Hold´Em“ sowie den Sachargumenten auseinandergesetzt und hat nicht nur einen oberflächlichen Blick auf den Sachverhalt geworfen. Bleibt zu hoffen, dass auch andere Gerichte ein entsprechendes Problembewusstsein entwickeln und sich endlich inhaltlich mit der „Frage aller Fragen“ beschäftigen.

– Sollte sich die Meinung durchsetzen, nach der Turnierpoker kein Glücksspiel ist, wäre zumindest die strafrechtliche Problematik der Sachpreisturniere gelöst. Eine Entkriminalisierung der Veranstalter und Turnierteilnehmer wäre die erfreuliche Konsequenz.

Vor den Verwaltungsgerichten werden die Streitigkeiten hingegen in jedem Fall weiter andauern.

– Die Aussage des Gerichts, die Durchsuchung und die Beschlagnahme wären auch gemäß den zitierten gewerberechtlichen Vorschriften rechtmäßig gewesen, ist hingegen äußerst zweifelhaft.

– Zwar kann grundsätzlich auch der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit eine Durchsuchung rechtfertigen. Mehr als ohnehin schon bestehen dann allerdings erhebliche Einwände im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme. Denn immerhin geht es bei der Durchsuchung und Beschlagnahme um intensive Eingriffe in die Grundrechte des Betroffenen. Solche schweren Eingriffe mit dem Verdacht einer „bloßen“ Ordnungswidrigkeit zu rechtfertigen, begegnet vorliegend durchgreifenden Bedenken.

Zudem sind die gewerberechtlichen Ausführungen des Gerichts auch lückenhaft. Ein entscheidender Punkt wird nämlich gar nicht behandelt:

Der Gesetzgeber hat in § 33g GewO zugelassen, Spiele durch Rechtsverordnung von der Erlaubnispflicht zu befreien. Von dieser Möglichkeit wurde mit der Spielverordnung (SpielVO) Gebrauch gemacht. Danach ist eine behördliche Genehmigung nicht erforderlich, wenn

– der Gewinn aus Waren besteht und
– die Anforderungen der Anlage zu § 5a SpielVO erfüllt sind.

Das Geschicklichkeitsspiel „Turnierpoker“ kann also (mit der Folge, dass eine Ordnungswidrigkeit nicht vorliegt) gem. § 5a SpielVO sowie Ziff. 1 a) und Ziff. 2 der Anlage zu § 5a SpielVO ohne behördliche Erlaubnis betrieben werden, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

– Das Entgelt für die Teilnahme beträgt höchstens 15 € (Ziff. 2).

– Das Turnier findet in einer Schank- oder Speisewirtschaft, einem Beherbergungsbetrieb, auf einem Volksfest, einem Schützenfest oder einer ähnlichen Veranstaltung, auf einem Jahrmarkt oder Spezialmarkt statt (Ziff. 1 a).
– Es werden ausschließlich Warengewinne ausgespielt, die vom Veranstalter auch nicht zurückgekauft werden dürfen.

Vorgenannte Voraussetzungen prüft das Gericht leider überhaupt nicht und kommt so zu dem zweifelhaften Ergebnis, die Durchsuchung sei rechtmäßig gewesen.

Über die weitere Entwicklung werden wir berichten.

RA Axel Mittig

Mittig, Thalmann & Stoll
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