VG Braunschweig: Glücksspielstaatsvertrag verfassungs- und europarechtswidrig

Inzwischen hat auch das erste niedersächsische Verwaltungsgericht sich mit der neuen Rechtslage befasst. Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat mit einem Beschluss vom 10.04.2008, AZ: 5 B 4/08 dem Eilantrag eines Wettannahmestellenbetreibers der Happybet Sportwetten GmbH stattgegeben, weil die angefochtene Ordnungsverfügung „aller Voraussicht nach“ rechtswidrig sei. Da es sich um einen Dauerverwaltungsakt handele, sei auf die neue Rechtslage abzustellen. Diese beurteilt das Gericht als ebenso verfassungs- wie europarechtswidrig.

Rechtsanwalt<br />Dr. Ronald ReichertIn verfassungsrechtlicher Hinsicht stellt die Kammer darauf ab, dass den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an ein Sportwettmonopol nicht entsprochen sei. Die Vermarktung von Sportwetten über die Lottoannahmestellen in Kiosken trage den Beanstandungen des Bundesverfassungsgerichts in dessen Urteil (Rn. 34, 136, 138) nicht hinreichend Rechnung. Nach Auffassung des Gerichts ist entweder eine strukturelle Änderung dieses Vertriebssystems oder jedenfalls eine deutliche Reduzierung der Annahmestellen nach den Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts geboten. Staatsvertrag oder Ausführungsgesetz gewährleisteten dies nicht. Auch fehle eine gesetzlich klare Regelung über die Frage des Bedarfs an Annahmestellen. Diese Frage könne nicht der Exekutive überlassen werden.

In gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht lässt die Kammer offen, ob nach der Rechtsprechung des EuGH und des EFTA-Gerichtshofs eine Betrachtung der gesamten nationalen Glücksspielpolitik geboten sei. Vielmehr seit Gemeinschaftsrecht schon deshalb verletzt, weil die Differenzierung zwischen den Glücksspielbereichen in Deutschland durch sachliche Kriterien nicht belegt sei, so dass der Gesetzgeber in Kollision mit dem gemeinschaftsrechtlichen Willkürverbot bzw. dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens gerate. Selbst nach den vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen und Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zugrunde zu legenden Maßstäben ist die Rechtslage danach nicht gemeinschaftsrechtskonform. Zum einen sei die Regulierung des Sportwettbereichs mit einem Markt privater Buchmacher mit DDR-Erlaubnissen, der privaten Lotto Rheinland-Pfalz GmbH, privaten Pferdesportwettvermittlern und staatlich beherrschten Veranstaltern inkonsistent. Gleiches gelte für das Verbot der Internetwerbung im Verhältnis zu den DDR-Erlaubnisinhabern und den Pferdebuchmachern, die das Internet weiter benutzen dürften.

Zum anderen leitet die Kammer einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens daraus her, dass die Monopolisierung des Wettwesens für einen Teilbereich, der sich jedenfalls nicht als gefährlicher erwiesen habe als andere Bereiche, die nicht monopolisiert seien, nicht widerspruchsfrei erklärt werden könne. Zu Recht weist die Kammer dabei für Niedersachsen darauf hin, dass dort sogar für das Casino-Spiel private Betreiber zugelassen werden können.

Auch eine Rechtfertigung mit unterschiedlichen Gesetzgebungszuständigkeiten komme daher nicht in Betracht.

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