BGH verneint Sittenwidrigkeit von Internet-Casino-Spielverträgen ohne Limitzwang

Rechtsanwalt Dr. Jörg Hofmann

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Die Spielverträge für die Teilnahme an einem staatlich konzessionierten Internet-Glücksspiel sind nicht etwa deshalb sittenwidrig und nichtig, weil dem Spieler nur die Möglichkeit, nicht aber zugleich die Verpflichtung geboten wird, ein zeitlich befristetes Limit für die Höhe seiner Einsätze zu setzen.

Auch der Umstand, dass ein Spieler sich durch Täuschung über seinen wahren Aufenthaltsort die Teilnahme an dem auf das Bundesland Hessen beschränkten Internet-Glücksspielangebot aus einem anderen Bundesland erschlichen hat, führt nicht zum Wegfall der Spielbankerlaubnis oder zur Nichtigkeit der Spielverträge.

In seiner am 3. April 2008 verkündeten Entscheidung (BGH, Az. III ZR 190/07) hat der 3. Senat des Bundesgerichtshofs im Anschluss an die mündliche Verhandlung die Revision eines Spielers aus Rheinland-Pfalz zurückgewiesen, der die Zahlung seiner im Internet-Casino der Spielbank Wiesbaden an einem Tag verlorenen Einsätze verweigert hatte und in zweiter Instanz durch das Landgericht Koblenz zur Zahlung verurteilt wurde. Der Spieler hatte von einem Ort in Rheinland-Pfalz aus die Spielteilnahme an dem in Hessen angebotenen Internetglücksspiel erschlichen, indem er sich für seine persönliche Freischaltung eines Mittelsmannes mit hessischer Telefonvorwahl bedient hatte, der den zur Überprüfung des Aufenthaltortes vorgeschalteten Kontrollanruf der Spielbank entgegen nahm und die darin mitgeteilten Zugangsdaten an den Spieler weiter leitete. Dieser verlor sodann über seine Kreditkarte auf sein Spielerdepot überwiesene Einsätze im Umfang von EUR 4.000,00. Diesen Betrag ließ er später über sein Kreditkartenunternehmen zurückbuchen und verweigerte die Rückzahlung. Das Casino klagte auf Rückzahlung. In erster Instanz wies das Amtsgericht die Klage ab. Die Berufung gegen dieses Urteil zeigte Erfolg. Das Landgericht Koblenz verurteilte den Beklagten in zweiter Instanz im vollen Umfang. Dagegen wehrte sich der Spieler mit seiner Revision vor dem Bundesgerichtshof.

Er vertrat die Ansicht, die Spielverträge seien nichtig, da sie gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen würden. Schließlich sei die Teilnahme am Internet-Glücksspiel von Rheinland-Pfalz aus von der der Klägerin erteilten hessischen Konzession nicht gedeckt und damit illegal. Da somit keine wirksamen Spielverträge zustande gekommen seien, müsse er deshalb auch nicht zahlen.

Außerdem rügte er, dass das Online-Registrierungsverfahren einen Spieler nicht zwingen würde, für seine Spieleinsätze ein persönliches Limit zu setzen. Die Spielbankerlaubnis schreibe aber eine Limitierung vor. Im elektronischen Registrierungsverfahren sei zum Zeitpunkt seiner Spielteilnahme die Auswahl „Ich möchte kein Limit setzen“ voreingestellt gewesen. Das sei ein klarer Verstoß gegen die Konzession und eine Missachtung des Spielerschutzes, der gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße mit der Folge der Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit aller Spielverträge.

Der Kläger hatte nur an einem einzigen Tag beim Internetspiel der Beklagten teilgenommen. Er hat im Prozess nicht vorgetragen, spielsüchtig zu sein.

Der 3. Senat des Bundesgerichtshofs hat sich in der Verhandlung am 3. April 2008 sehr detailliert mit unterschiedlichsten Facetten der Konzessionierung und Registrierung des Internet-Casinos auseinandergesetzt. Er hat im Ergebnis die bereits in der Entscheidung des Berufungsgerichts bekräftigte Rechtsauffassung der Spielbank bestätigt, dass die Konzession durch den vom Spieler erschlichenen und für die Spielbank nicht erkennbaren Verstoß gegen die räumliche Begrenzung in ihrer Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird. Er bestätigte ebenfalls, dass die damalige Praxis des voreingestellten Verzichts auf ein Limit bei der Registrierung nicht als sittenwidrig anzusehen ist.

In seiner Presseerklärung stellt der BGH führt der BGH aus: „Die Vorgabe, dass jeder Spieler bei seiner Registrierung ein Limit bestimmt, stellt kein Verbotsgesetz dar, sondern lediglich eine mit der Zulassung des Online-Spiels verknüpfte Auflage. Der Verstoß gegen diese Auflage macht die Spielverträge auch nicht wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.“

Zwar diene diese Vorgabe dem Spielerschutz, indem sie den Spieler zur Überlegung anregt, welchen Betrag er maximal einsetzen will. Indes – so der BGH – vermag die Bestimmung eines Limits nicht wirksam vor der jedem Glücksspiel immanenten Gefahr der Sucht zu schützen. Suchtkranke oder gefährdete Spieler können durch einen überwachten Ausschluss vom Glücksspiel geschützt werden. Wirksames Mittel zum Schutz gefährdeter Spieler vor sich selbst sei vielmehr die auf Antrag zu verhängende Spielsperre.

Der Senat differenziert daher deutlich: „Die Spielbank ist daher verpflichtet, das Zustandekommen von Spielverträgen mit dem gesperrten Spieler zu verhindern, um ihn vor den aufgrund seiner Spielsucht zu befürchtenden wirtschaftlichen Schäden zu bewahren. Eine vergleichbare Schutzfunktion kann der Voreinstellung eines Limits nicht zukommen.“

Die Entscheidung betrifft zwar einen Einzelfall, sie ist aber von großer Tragweite. Sie identifiziert wohl balanciert die Spielersperre als notwendiges und effektives Instrument für den Spielerschutz und grenzt davon zusätzliche, eher einer Bewusstmachungs- und Warnfunktion zuzuordnende Verfahren wie die Limitsetzung ab. Damit wird dem Schutz der Vertragsfreiheit des Einzelnen Rechnung getragen, ohne den schutzbedürftigen, weil problembelasteten Spieler zu vernachlässigen.

Hätte der Bundesgerichtshof die Spielverträge für nichtig erklärt, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Betreiber des Internet-Casinos in nicht übersehbarem Ausmaß eine Welle von Klagen zugekommen, welche unter Hinweis auf nichtige Spielverträge die Rückforderung verlorener Einsätze zum Inhalt gehabt hätten. Mit seiner zutreffenden Gewichtung der auch im Internetspiel zur Verfügung stehenden Möglichkeit zur Eigensperre hat Senat die Spielbank vor einem unverhältnismäßigen Prozessausgang bewahrt. Dass bei konsequenter Anwendung des Rechts bei Annahme nichtiger Spielvertrage auch an Spieler ausgezahlte Gewinne von der Spielbank hätten zurückgefordert werden können, wäre in diesem Zusammenhang kein ausgewogenes geschweige denn realisierbares Äquivalent.

Für die Zukunft entfaltet die Entscheidung indes zunächst keine unmittelbare Wirkung, da die Spielbank Wiesbaden ihr Internetangebot aufgrund der generellen Untersagung von Glücksspielangeboten im Internet durch den neuen Staatsvertrag zum Glücksspielwesen mit Wirkung ab 1. Januar 2008 eingestellt hat. Da der staatliche Kanalisierungsauftrag zur Vorhaltung legaler und überwachter Glücksspielangebote aber kaum die Realität des Internets ausblenden dürfte, ist nicht gesagt, dass das so bleiben wird.