Verwaltungsgericht Regensburg bezweifelt Vereinbarkeit des Glücksspielstaatsvertrags mit Europarecht

Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG

Arendts Rechtsanwälte
Perlacher Str. 68
D - 82031 Grünwald (bei München)
Nach dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht und den Verwaltungsgerichten Frankfurt am Main und Stuttgart hat nunmehr auch das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg Zweifel an der Vereinbarkeit des Glücksspielstaatsvertrags mit dem höherrangigen Europarecht geäußert und mehrere Klageverfahren gegen Untersagungsverfügungen bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ausgesetzt (Beschlüsse vom 18. Februar 2008, Az. RO 4 K 07.1334 u.a.).

Das Verwaltungsgericht Regensburg bezweifelt, dass mit dem Staatsvertrag das Glücksspielwesen tatsächlich entsprechend den zu beachtenden Anforderungen des EuGH (Gambelli-Urteil) kohärent und systematisch geregelt worden sei. So seien die mit einem besonderen Suchtpotential belasteten Geldspielautomaten von dem Staatsvertrag nicht erfasst. Dies sei rechtlich nur dann akzeptabel, wenn – so etwa eine These des OVG Hamburg – der Glücksspielmarkt in verschiedene Sektoren aufgeteilt sei. Nur dann könnte für Teile des Glücksspielmarktes ein staatliches Monopol mit der Begründung einer Eindämmung der Spielsucht errichtet werden, während andere suchtträchtige Bereiche nicht entsprechend reglementiert würden.

In der bisherigen Rechtsprechung des EuGH sei jedoch vom „Glücksspielsektor“ die Rede bzw. von der Betätigung privater Unternehmen auf dem Glücksspielsektor (Placanica-Urteil des EuGH). Auch in dem Gambelli-Urteil beschreibe der EuGH das widersprüchliche Verhalten des Staates damit, „die Verbraucher dazu anzureizen und ermuntern, an Lotterie, Glücksspielen und Wetten teilzunehmen“.

Kommentar:

Die Aussetzungsbeschlüsse des VG Regensburg beziehen sich auf einen Vorlagebeschluss des VG Gießen. Der EuGH hat die sechs ihm von den Verwaltungsgerichten Gießen und Stuttgart vorgelegten Verfahren inzwischen verbunden (Beschluss des Präsidenten des EuGH vom 15. Oktober 2007, Az. C-316/07 u.a.).

Wie in Sportwettenrecht aktuell Nr. 93 und 94 berichtet, hat kürzlich auch das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht durchgreifende Zweifel an der deutschen Rechtslage geäußert und einen Streit über das staatliche Sportwettenmonopol dem EuGH vorgelegt (Beschluss vom 30. Januar 2008, Az. 12 A 102/06). Wie das VG Schleswig hält auch das VG Regensburg die Frage für maßgeblich, ob das gesamte Glücksspielrecht das Ziel einer systematischen und kohärenten Spielbegrenzung verfolgen muss, damit ein staatliches Monopol gerechtfertigt sein kann. Es folgt damit nicht der These der Monopolbefürworter, die argumentieren, dass unterschiedliche Glücksspielssektoren (wie immer man diese in der Praxis abgrenzen will) auch ganz unterschiedlich geregelt werden könnten (einerseits Liberalisierung, andererseits Verschärfung des Monopols).

Wie umfassend die Kohärenzanforderung zu verstehen sei, meint das Verwaltungsgericht der bisherigen EuGH-Rechtsprechung nicht klar entnehmen zu können (obwohl der EuGH bislang von einer einheitlichen rechtlichen Beurteilung von Wetten und Glücksspielen ausgegangen ist). Folgt der EuGH dem EFTA-Gerichtshof, der diese Frage bereits in seinem Ladbrokes-Urteil vom 30. Mai 2007 (Rs. E-3/06) geklärt hat, kann der Mitgliedstaat autonom das von ihm verfolgte Schutzniveau bestimmen, muss dieses dann aber konsequent über sämtliche Glücksspielformen verfolgen. Ein Monopol ist dann rechtlich nicht mehr haltbar, wenn bestimmte Formen (wie etwa in Deutschland Sportwetten) monopolisiert werden, während andere Formen mit gleicher Suchtgefahr (Pferdewetten) oder sogar noch höherer Gefahr (Spielautomaten) nicht in gleicher Weise reglementiert werden.