Abstand zu Kinder- und Jugendeinrichtungen auch auf Bestandsspielhallen anzuwenden

Ein Artikel von Rechtsanwalt Tim Hilbert

Wie in verschiedenen anderen Landesglücksspielgesetzen ist auch in Baden-Württemberg ein Mindestabstand von 500 Metern Luftlinie zwischen Kinder- und Jugendeinrichtungen und Spielhallen vorgesehen (§ 42 Abs. 3 LGlüG). Dieser Mindestabstand sollte jedoch nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für solche Spielhallen Anwendung finden, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesglücksspielgesetztes am 01.07.2012 eine Erlaubnis nach § 33 i der Gewerbeordnung noch nicht erteilt worden war (§ 51 Abs. 5 Satz 5 LGlüG).

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat in einem Urteil vom 01.03.2018 (Az. 2 K 12108/17 – noch nicht rechtskräftig) die Auffassung vertreten, dass aufgrund des Bekenntnisses zum Jugendschutz eine isolierte Betrachtung dieser Regelung sich verbiete und entgegen dem eindeutigen Wortlaut diese Ausnahmeregelung alleine im Falle eines Härtefalles zur Anwendung kommen könne.

In der Praxis bedeutet dies, dass zwar die nunmehr für sog. Bestandsspielhallen vor Ablauf des 30.06.2017 erteilten Erlaubnisse auch bei Unterschreitung von Kinder- und Jugendeinrichtung wirksam erteilt werden können. Nach Ablauf der aufgenommenen Befristungen sind jedoch bestehende Kinder- und Jugendeinrichtungen zu berücksichtigen.

Nach den Anwendungshinweisen aus dem Wirtschaftsministerium vom 11.12.2015 handelt es sich um eine Kinder- und Jugendeinrichtung nach dem LGlüG, wenn diese dem Aufenthalt sowohl von Kindern als auch von Jugendlichen dient. Zu Einrichtungen in diesem Sinne zählen insbesondere:

  • Schulen oder Jugendheime,
  • Jugendherbergen,
  • Jugendmusikschulen,
  • Wohngruppen von Jugendlichen, die unter der Betreuung des Jugendamts stehen,
  • Einrichtungen für den Schulsport.

Nicht hierzu zählen:

  • Grundschulen,
  • Kindertagesstätten,
  • Kinderkrippen oder Kinderspielplätze,

Die Ausnahme dieser Einrichtungen von dem Abstandsgebot begründet das Ministerium mit dem Umstand, dass Kinder, die diese Einrichtungen nutzen, auf Grund ihres Entwicklungsstandes noch nicht in der Lage seien, die Gefahren des Glücksspiels zu realisieren und daher insoweit nicht schutzbedürftig seien.

Bereits in der Vergangenheit hatten Gerichte in Baden-Württemberg die Auffassung des Wirtschaftsministeriums bestätigt, dass im Falle einer Härtefallerlaubnis zwischen den verbleibenden Spielhallenbetreibern keine Auswahlentscheidung mehr zu treffen sei (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. April 2018, 6 S 2250/17, juris). Damit hängt das Schicksal vieler Spielhallenbetreiber (oder deren Spielhallen) alleine von der Frage ab, ob einer konkurrierenden Spielhalle der Weiterbetrieb im Wege eines Härtefalls gestattet wurde. Kriterien wie Zuverlässigkeit, Bestand oder Qualität der Spielhalle bleiben bei einer solchen Härtefallerlaubnis außer Betracht.

Das nunmehr das Verwaltungsgericht Karlsruhe unter Außerachtlassung des Wortlauts des Gesetztes den Anwendungsbereich von Kinder- und Jugendeinrichtungen auch auf sog. „Bestandsspielhallen“ anwendet, hat zur Folge, dass nach Ablauf der regelmäßig nur bis zum 30.06.2021 erteilten Härtefallerlaubnisse viele Spielhallen aufgrund dieser Unterschreitung nicht mehr genehmigungsfähig wären.

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Verwaltungsgerichte teilweise unabhängig vom tatsächlichen Willen des Gesetzgebers die Landesglücksspielgesetzte weitestmöglich zum Nachteil der Spielhallenbetreiber auslegen. Tatsächlich war es niemals Ziel des Gesetzgebers in Baden- Württemberg, das Abstandsgebot zu Kinder- und Jugendeinrichtungen auf sog. „Bestandsspielhallen“ anzuwenden. In der Gesetztesbegründung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nur für „neue Spielhallen“ ein Mindestabstand zu bestehenden Kinder- und Jugendeinrichtungen
vorgesehen ist (Drucksache 15 / 2431, S. 51).

Sollte die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe Bestand haben, hätte dies für die Spielhallenbetreiber in Baden-Württemberg schwerwiegende Folgen. Glücksspielrechtliche Erlaubnisse im Wege des Härtefalls fänden aufgrund der Weisung des Wirtschaftsministeriums BW (11.12.2015) ihre äußerste zeitliche Grenze in der Geltungsdauer des GlüStV, mithin dem 30.06.2021. Unter Anwendung eines Mindestabstandes von 500 Metern Luftlinie zu Kinder- und Jugendeinrichtungen erwiesen sich nahezu sämtliche Spielhallen in Innenstädten als nicht mehr genehmigungsfähig.

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