Auch die Kritik der Kommission, die deutschen Behörden betrieben keine konsistente und systematische Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele, sondern im Bereich der Casino-Spiele und der Spielautomaten eine expansive Politik, ändert an der Ansicht des OVG Hamburg nichts, weil die Glücksspielsektoren – wie dargelegt – gesondert zu betrachten sind.
Anders als die Kommission sieht das OVG Hamburg ferner ein potentielles Risiko der Spielsucht als hinreichend belegt an. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht auf die verschiedenen hierzu vorliegenden Gutachten und stellt fest, dass die Behörden nicht abwarten müssen, „bis die durch Sportwetten, deren Anteil am Gesamtspielumsatz in Deutschland nach dem Schreiben der Kommission lediglich 5 % ausmachen soll, verursachte Spielsucht mit der Ausweitung des Spielangebots ein quantitativ auch im Vergleich mit anderem Suchtverhalten großes Ausmaß angenommen hat“.
Eine entsprechende Sicht attestiert das OVG Hamburg dem EFTA-Gerichtshof. Dieser habe in der Entscheidung vom 30.05.2007 (E-3/06) zwar verlangt, dass die Spielpolitik als Ganzes „auf eine Verminderung der Spielmöglichkeiten ausgerichtet sein müsse. Zugleich differenziert der EFTA-Gerichtshof (Rn. 52 ff., 57) aber zwischen den einzelnen Glücksspielarten bzw. Glücksspielmärkten und scheint er dem Lottospiel – was plausibel erscheint – eine geringere Suchtgefahr beizumessen“.
Die Bedenken der Kommission an einzelnen Inhalten des im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Glücksspiel-Staatsvertrages bewertet das OVG Hamburg nicht, sondern stellt fest: „Auch wenn der Entwurf des Glücksspiel-Staatsvertrages möglicherweise einer umfangreichen Überarbeitung bedarf, ist damit nicht – [….] – ausgeschlossen, dass die Bundesländer einen neuen Glücksspiel-Staatsvertrag bis zum Ablauf der von dem Bundesverfassungsgericht bis Ende 2007 gesetzten Übergangsfrist verabschieden.“
Mit aller Deutlichkeit erteilt das OVG schließlich der Argumentation eine Absage, der Anwendungsvorrang des europäischen Rechts gebiete eine Aussetzung des Glücksspielmonopols in allen Bundesländern, weil einzelne andere Bundesländer den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an das Verhalten in der Übergangsfrist nicht gerecht würden. Auf das Verhalten anderer Bundesländer kommt es hingegen für die Beurteilung im Bundesland Hamburg nicht an, weil die einzelnen Bundesländer „nur für den Bereich ihres Landes für die Einhaltung der Werbebeschränkungen verantwortlich“ sind.
Dr. Manfred Hecker