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Knatsch um Spielhallen

Die Landesdirektion will einige Spielhallen schließen und begründet das mit dem Abstand zu Schulen. Ist das rechtens?

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© André Braun

Von Sylvia Jentzsch

Hartha. Die Spielhallen an der Pestalozzistraße/Goethestraße und die an der Sonnenstraße sind geschlossen – so die Aussage von Bauamtsleiter Ronald Fischer zur Sitzung des technischen Ausschusses. Widerspruch gab es keinen, weder von Bürgermeister Ronald Kunze (parteilos) noch von den Ausschussmitgliedern. Trotzdem ist die Aussage falsch. Beide Spielotheken sind weiterhin geöffnet. Das hat eine Recherche vor Ort ergeben.

In Hartha gibt es zwei Spielhallen, die beide geöffnet haben. Beide Einrichtungen liegen in der Nähe von Schulen beziehungsweise vom Hort Sonnenschein. Laut Glücksspielstaatsvertrag muss der Abstand mindestens 250 Meter betragen – so sieht es die Landesdi
In Hartha gibt es zwei Spielhallen, die beide geöffnet haben. Beide Einrichtungen liegen in der Nähe von Schulen beziehungsweise vom Hort Sonnenschein. Laut Glücksspielstaatsvertrag muss der Abstand mindestens 250 Meter betragen – so sieht es die Landesdi © André Braun

Bei Abstandsverstoß keine glückspielrechtliche Erlaubnis

Um eine Spielhalle zu betreiben, ist eine glückspielrechtliche Erlaubnis notwendig, deren Grundlage der Glücksspielstaatsvertrag ist. „Nach diesem dürfen Spielhallen seit dem 1. Juli 2012 nicht in einem Umkreis von 250 Metern um Schulen betrieben werden. Die Regelung enthält allerdings eine fünfjährige Übergangsfrist, in der die Abstandsverstöße noch toleriert wurden“, so Dr. Holm Felber, Pressesprecher der Landesdirektion Sachsen (LDS).

Er teilte auf Anfrage des Döbelner Anzeigers mit: „Die Spielhalle an der Sonnenstraße hat im Jahr 2013 eine bis 2028 befristete Erlaubnis bekommen. Sie fiel damit aus der Zulassungsrunde von Altspielhallen heraus. Das zwischenzeitlich aufgetretene Abstandsproblem muss allerdings noch gesondert geprüft werden.“ In der Nähe befindet sich schon seit einigen Jahren der Hort Sonnenschein.

Bei der Spielhalle an der Pestalozzistraße/Goethestraße handle es sich um eine sogenannte Altspielhalle. „Diese konnte bis zum 30. Juni beziehungsweise 30. September 2017 betrieben werden, obwohl ein Abstandsverstoß vorliegt. Der Antrag für eine glückspielrechtliche Erlaubnis wurde jedoch abgelehnt. Die Betreiberin befindet sich im Widerspruchsverfahren. Ein augenblicklich laufender Betrieb wäre dennoch rechtswidrig“, so Felber.

Die Landesdirektion Sachsen verschaffe sich derzeit einen Überblick, wo illegal Spielhallen betrieben werden. Anschließend werde gegen den rechtswidrigen Betrieb der Einrichtungen vorgegangen. Der Bußgeldrahmen reiche bis zu 500 000 Euro. Mit eventuell erforderlichen Schließungsverfügungen können Zwangsgelder von bis 25 000 Euro verbunden sein, so Felber.

Rechtsanwalt Karpenstein wirft Landesdirektion Willkür vor

Rechtsanwalt Rolf Karpenstein, spezialisiert auf das Europarecht sowie den Bereich der Sportwetten und des Glücksspiels sieht die Rechtslage anders als die Landesdirektion. Er wirft der LDS Willkür und die vorsätzliche Missachtung des vorrangigen EU-Rechts vor: „Spielhallen dürfen nach EU-Recht in Sachsen mit der gewerberechtlichen Konzession ohne sogenannte glücksspielrechtliche Konzession betrieben werden. Ein zusätzlicher und an Mindestabstände zu Schulen oder zu anderen Spielhallen geknüpfter Erlaubnisvorbehalt darf von den Behörden und Gerichten in Sachsen nicht angewendet werden. Der Verstoß des Freistaates Sachsen und der LDS gegen die höherrangigen Verbotsnormen könnte auch nicht legitimiert werden.“ Die Beschränkungen durch einen an Mindestabstände gebundenen zusätzlichen Erlaubnisvorbehalt seien weder zwingend erforderlich noch verhältnismäßig. Auch fehle eine systematische und kohärente Glücksspielpolitik. Die Bundesländer selbst werben anreizend und ermunternd für staatliche Glücksspielangebote. Genauso wie zum Beispiel Lotto Hamburg und Lotto Niedersachsen versuche auch der Freistaat Sachsen, seine Einnahmen aus Glücksspiel durch Spielbanken mit Hunderten von Geldspielern sowie durch Lotto-Sachsen zu maximieren, so der Anwalt.

Auch fehle jeglicher belastbarer Nachweis, dass das Gemeinwohl vor angeblichen Gefahren des Glücksspiels zu schützen ist. Der Staatsvertrag ziele im Gegenteil darauf ab, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung weg von unregulierten Glücksspielangeboten „in Hinterhöfen“ hin zu überwachen und mit Sozialkonzepten arbeitenden Spielhallen zu lenken. „Die Schließung von Spielhallen konterkariert also die Ziele des Staatsvertrages“, sagte Rolf Karpenstein.

Eine Rechtfertigung der Schließung von Spielhallen mit dem Vorhalt, es fehle die glücksspielrechtliche Erlaubnis, scheide aus, weil kein transparentes Konzessionsverfahren zur Verfügung stehe. Spielhallenbetreiber seien genauso wie Sportwettanbieter auf der Grundlage des höherrangigen Europarechts – der sogenannten Grundfreiheiten – tätig. Solange Sachsen Teil der Europäischen Union sei, müssten die höherrangigen Vorgaben des Europarechts eingehalten werden.

Ausschussmitglieder lehnen Antrag für neue Spielhalle ab

Zur Sprache kamen die beiden Spielhallen, weil bei der Verwaltung ein Antrag auf Umnutzung eines leerstehenden Geschäftes an der Geschwister-Scholl-Straße zu einer Spielhalle gestellt worden ist. Dieser Antrag wurde von den Ausschussmitgliedern abgelehnt (DA berichtete). Eine endgültige Entscheidung fällt allerdings die Bauordnungsbehörde des Landratsamtes Mittelsachsen.

Zur Falschaussage über die Spielhallen sei Fischer wegen der neulich eingereichten Anträge der Spielhallenbetreiber gekommen. „Sie wollten an den bisherigen Standorten bleiben. Deshalb bin ich davon ausgegangen, dass die Einrichtungen geschlossen sind“, so Ronald Fischer. Er habe dies nicht tiefgründig geprüft. Das hat nun der DA übernommen. Während eine Mitarbeiterin der Spielhalle an der Sonnenstraße die Redaktion des Hauses verwies, teilte der Mitarbeiter des Spielcenters 2000 die Telefonnummer der Betreiberin mit. Diese verwies auf Rechtsanwalt Rolf Karpenstein.