Hamburger Spielhallengesetz auch unionsrechtswidrig

Ein Artikel von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein

Wie Ra. Bernd Hansen berichtet, werden in Hamburg – ebenso wie in anderen Bundesländern – die möglichen Standorte für Spielhallen zum 1.7.2017 künstlich durch Mindestabstände verknappt. Das verlangt nicht nur eine unionsrechtlich belastbare Legitimation durch zwingende Erfordernisse, sondern auch ein dem freien Dienstleistungsverkehr entsprechendes transparentes Zulassungs- und Vergabeverfahren. Die Verteilung der künstlich verknappten Standorte muss daher nicht nur der Verfassung, sondern auch der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit und dem daraus folgenden Transparenzgebot entsprechen.

Das hat der Hamburger Landesgesetzgeber übersehen. Das Hamburger Spielhallengesetz ist nicht nur verfassungswidrig, sondern auch unionsrechtswidrig.

Durch § 9 Abs. 4 HmbSpielH erhält die „länger bestehende Spielhalle“ bei der Neuaufteilung des Marktes durch glücksspielrechtliche Konzessionen/Erlaubnisse den Vorrang. D.h., der eine bleibt der andere geht. Und ein Neu-Bewerber hat bis zum Ende der Laufzeit der glücksspielrechtlichen Konzessionen keine Chance auf Marktzutritt. Ein neu in den Markt eintretender Wirtschaftsteilnehmer ist mit dem unüberwindbaren Ausschließlichkeitsrecht konfrontiert, das ein bestehender Betreiber für den Umkreis von 500 Metern hat. Mangels Publizität weiß er nicht einmal von der Vergabe der Ausschließlichkeitsrechte an andere.

Dieser Protektionismus bei der Verteilung künstlich verknappter Standorte kann unionsrechtlich nicht durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls legitimiert werden. Der Hamburger Gesetzgeber hatte – Ra. B. Hansen berichtete – der länger bestehenden Spielhalle das Ausschließlichkeitsrecht im Radius von 500 Metern mit der Erwägung eingeräumt, die als Einzelkaufmann geführten Familienbetriebe hätten sonst einen Nachteil; aufgrund der personenbezogenen Erlaubnisse nach der Gewerbeordnung hätte sonst bei jedem Generationenwechsel eine neue Erlaubnis eingeholt werden müssen, was bei juristischen Personen nicht der Fall ist.

Diese Erwägung kann den Protektionismus und das Ausschließlichkeitsrecht der „länger bestehenden Spielhalle“ nicht legitimieren. Schon vergebene oder demnächst zu vergebende glücksspielrechtliche Konzessionen/Genehmigungen sind deshalb unionsrechtswidrig. Sie müssen widerrufen und können angefochten werden. Genauso sind ablehnende Entscheidungen gegenüber Bewerbungen/Anträgen von Alt-Betreibern oder Neu-Interessenten in Hamburg nicht unionsrechtskonform.

Das Kriterium „die länger bestehende Spielhalle“ ist nämlich kein zwingendes Erfordernis des Gemeinwohls. Vom EuGH anerkannte zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls, die das vom Hamburger Spielhallengesetz gewährte Ausschließlichkeitsrecht theoretisch legitimieren könnten, könnten zwar der Verbraucherschutz sein, wenn kein milderes Mittel in Betracht kommt und die Beschränkung sowohl auf der regulatorischen als auch in ihrer praktischen Anwendung Ausdruck einer systematischen und kohärenten Vorgehensweise ist. Der Schutz von als Einzelkaufmann geführten Familienbetrieben gegenüber juristischen Personen kann jedoch ein Ausschließlichkeitsrecht im Umkreis von 500 Metern nicht rechtfertigen.

Das Hamburger Spielhallengesetz ist sogar diskriminierend. Denn die „länger bestehende Spielhalle“ dürfte – nachdem der Binnenmarkt erst 1993 vollendet wurde – in aller Regel in den Händen eines inländischen Unternehmers sein und benachteiligt damit nicht nur Unternehmer aus anderen Stadtgebieten oder aus anderen Bundesländern, sondern in aller Regel solche aus dem EU-Ausland.

Da den Hamburger Behörden keine unionsrechtskonforme Gesetzeslage zur Verfügung steht, um die vom GlüÄndStV aufgestellten Herausforderungen zu bewältigen, droht nicht nur das aus dem Bereich der Sportwetten bekannte „Vergabe-Chaos“. Vielmehr schwebt über ihnen auch die Staatshaftung, wenn der GlüÄndStV und das Hamburger Spielhallengesetz angewendet werden sollten. Das wird nicht im Sinne der FHH sein. Denn die Länder wollen mit dem GlüÄndStV nur ihre Einnahmen aus Lotterien, Sportwetten und Glücksspielen dadurch absichern, dass sie Spielhallenbetreibern die öffentliche Aufgabe übertragen, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in streng regulierte legale Bahnen zu kanalisieren und die Suchtgefahr durch Glücksspiel zu bekämpfen.

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