OVG Lüneburg bestätigt Rechtmäßigkeit von Ordnungsverfügung – Äußerungen der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren sind nicht relevant

Rechtsanwalt Dr. Ulf Hellmann-Sieg

Rechtsanwälte Klemm & Partner
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Das OVG Lüneburg hat mit Beschluss vom 02.Mai 2007 (Az: 11 ME 106/07) die Rechtmäßigkeit einer Ordnungsverfügung erneut bestätigt. Von Bedeutung ist diese Entscheidung gerade deshalb, weil vonseiten der privaten Sportwettanbieter in diversen anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine zuvor ergangene Aufklärungsverfügung des OVG Lüneburg, die sich u.a. auf die Stellungnahmen der Kommission aus März 2007 bezog, als „Trendwende“ gefeiert worden ist. Offenbar hat man sich zu früh gefreut. Das OVG Lüneburg geht von der Europarechtskonformität der vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Übergangsfrist bis zum 31.Dezember 2007 – und dies gerade in Ansehung der Stellungnahmen der Kommission. Wörtlich:

„Allerdings wird diese Rechtsauffassung von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in ihrer aktuellen Stellungnahme (ebenfalls) vom März 2007 zu dem Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2003/4350 nicht geteilt. Die Kommission vertritt vielmehr die Ansicht, „dass die deutschen Behörden keine konsistente und systematische Politik zur Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht betreiben.

Dieser Wertung vermag sich der Senat zumindest nach der in diesem Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anzuschließen.

Die Kommission zeigt in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen die Entwicklung auf dem Glücksspielsektor in Deutschland in dem Zeitraum von 1999 bis etwa Februar 2006 auf (vgl. Stellungnahme Rdnr. 35, 36, 38). Auf diesen Zeitabschnitt, der von einer expansiven Tätigkeit auf dem Glücksspielsektor geprägt war und in den u. a. auch die erstmalige Konzession der Lotterie Quicky (zum 12.7.2004, eine Lotterie, bei der alle drei Minuten neue Gewinnzahlen gezogen werden) und die Änderung der Spielverordnung zum 1. Januar 2006 (BGBl. I S. 280) fielen, ist nach Auffassung des Senats jedoch nicht (mehr) – zumindest nicht entscheidend – abzustellen. Entscheidend ist vielmehr die Zeit nach Klärung der bis dahin als unklar zu bewertenden Rechtslage durch das o. a. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006; seitdem hat das Land Niedersachsen damit begonnen, das staatliche Glücksspielmonopol an den Vorgaben der Begrenzung der Spielleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht auszurichten. Maßgeblich ist daher auf die oben dargestellte Entwicklung seit März 2006 abzustellen.“

Eine Abfuhr erteilt das OVG Lüneburg auch der Auffassung, der gesamte Glücksspielmarkt müsse neu geregelt werden:

„Zumindest im Rahmen dieses Eilverfahrens kann offen bleiben, ob es bei der vorzunehmenden Bewertung der getroffenen Maßnahmen auf den Glücksspielsektor in seiner Gesamtheit ankommt (so wohl die Stellungnahme der EU) oder ob nur der Wettsektor zu betrachten ist (so wohl OVG Hamburg, Beschl. v. 9.3.2007 – 1 BS 378/06 -). Nach der Rechtsprechung des EuGH (u. a. Urt. v. 6.3.2007, a.a.O., Placanica) liegt es im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaats, festzulegen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung auf dem Glücksspielsektor ergeben. Die Einschätzung, Sportwetten böten besondere Spielanreize, weil die Spieler glaubten, mit Wissen und Können den Spielverlauf beeinflussen zu können, ist jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft und rechtfertigt es, dass Maßnahmen in Niedersachsen zunächst im Wesentlichen auf dem Sportwettensektor ergriffen worden sind.“