Spielhallen: Bundesverwaltungsgericht verhandelt zu Beschränkungen des GlüÄndStV und der Ausführungsgesetze von Berlin und Rheinland–Pfalz

Von Rechtsanwalt Rolf Karpenstein

Die gestern und morgen stattfindenden Verhandlungen beim 8. Senat des BVerwG werden mit Interesse beobachtet, nicht zuletzt vom Gerichtshof der Europäischen Union. Der EuGH, nur der EuGH, hat nämlich bezüglich der Anwendbarkeit der materiell-rechtlichen Beschränkungen der Spielhallen das letzte und das entscheidende Wort.

Erwartet wird von Experten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht zur Reichweite der Kompetenz der Länder positioniert, um dann, sollte es nicht selbst die unionsrechtswidrigen und unverhältnismäßigen Beschränkungen im GlüÄndStV und in den Ausführungsgesetzen verwerfen, den EuGH zur richtigen Auslegung und zur richtigen Anwendung des Unionsrechts, insbesondere des freien Dienstleistungsverkehrs und der Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit anzurufen. Jede andere Vorgehensweise ist dem Bundesverwaltungsgericht durch Art. 267 Abs. 3 AEUV verboten. Das Bundesverwaltungsgericht ist bezüglich der zahlreichen sich stellenden Fragen zur richtigen Anwendung und richtigen Auslegung des Unionsrechts vorlagepflichtig. Experten nehmen außerdem an, dass der achte Senat beim Bundesverwaltungsgericht seine unbedingte Vorlagepflicht kennt.

Dem Bundesverwaltungsgericht dürfte auch bewusst sein, dass seine Vorlagepflicht als letzte Instanz selbstverständlich die Auslegungsfrage erfasst, ob und inwieweit das Unionsrecht – insbesondere der freie Dienstleistungsverkehr, aber auch die den EU-Verträgen immanenten Grundsätze der Gleichbehandlung, der Transparenz usw. – ausnahmsweise nicht auf die ihm vorliegenden Sachverhalte anwendbar sein könnte. Die Frage der Anwendbarkeit des Unionsrechts ist nämlich wiederum zunächst mal eine Frage nach der richtigen Auslegung und der richtigen Anwendung des Unionsrechts, die die letzte Instanz nicht selbst zu Lasten des Unionsrechts entscheiden darf.

Die Annahme einer Ausnahme von der Anwendbarkeit des Unionsrechts ist indes in Fällen der streitgegenständlichen Art bemerkenswert fernliegend. Die unmittelbar anwendbare Verbotsnorm des Art. 56 AEUV verbietet den Behörden, der Legislative und den Gerichten der Mitgliedstaaten Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. Artikel 56 AEUV setzt schon vom Wortlaut her nicht voraus, dass die von der Beschränkung betroffene Dienstleistung in dem konkreten und vor Gericht anhängigen Sachverhalt aktuell die Grenzen im Binnenmarkt überschreitet. Vielmehr ist vom Wortlaut, Sinn und Zweck sowie auch aus Sicht des Gerichtshofs in seinen jüngeren Urteilen das Unionsrecht selbstredend auch in denjenigen Fällen anwendbar, die (angeblich) überhaupt keinen aktuellen oder potentiellen grenzüberschreitenden Bezug haben sollen (derartige Fälle kommen indes in der realen Wirtschaft faktisch nicht vor). Denn eine höherrangige an den deutschen Staat gerichtete Verbotsvorschrift muss jedes nationale Gericht von Amts wegen berücksichtigen, um im Sinne der Effektivität zu verhindern, dass der freie und von den nationalen Gerichten zu schützende potentielle Dienstleistungsverkehr beeinträchtigt wird.

Eine klagabweisende Entscheidung wie zuvor von den oberen Verwaltungsgerichten aus Berlin und Koblenz kann und darf es also dieser Tage aus Leipzig nicht geben. Jedenfalls wäre eine solche Entscheidung nicht frei von Willkür. Sollte der achte Senat beim Bundesverwaltungsgericht wieder aller Erwartungen ernsthaft über eine Bestätigung der Berufungsurteile nachdenken, müsste er zwingend zunächst den Gerichtshof der Europäischen Union zu den zahlreichen sich stellenden unionsrechtlichen Fragen anrufen und dessen Entscheidung abwarten.

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