Umsatzsteuer bei Spielbanken

Zum Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 14.07.2016, V B 7/16, und zum Urteil des Finanzgerichts Münster vom 16.06.2016, 5 K 998/14 U

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Klaus Walpert

Nach § 6 Abs. 1 der Verordnung über öffentliche Spielbanken (SpielbkV) ist der Spielbankunternehmer von den laufenden Steuern befreit. Dazu gehört auch die Steuer vom Umsatz. Dennoch entrichten diese Unternehmer seit dem Jahr 2006 Umsatzsteuer an den Fiskus. Können sich die Spielbanken nicht auf die Umsatzsteuerbefreiung der SpielbkV, die schließlich im Bundesgesetzblatt steht, berufen? Und können dann nicht die Unternehmer, die Geldspielgeräte aufstellen, geltend machen, sie seien nach dem Neutralitätsprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz ebenso wie die Spielbankunternehmer von der Umsatzsteuer zu befreien?

Wohl nicht. Denn der Gesetzgeber hat zwar die Bezugnahme auf die Umsatzsteuer in § 6 Abs. 1 SpielbkV nicht gestrichen. Er hat aber genug getan, um sicherzustellen, dass § 6 SpielbkV für die Umsatzsteuer keine Wirkung mehr hat.
Die SpielbkV wurde als Rechtsverordnung im Jahr 1938 erlassen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren Entscheidungen mit ihr befasst und erkannt, dass einzelne Regelungen dieser Verordnung als vorkonstitutionelles Recht weiter gelten. Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber § 6 SpielbkV als fortgeltendes Recht zum 01.01.1964 in das Bundesgesetzblatt aufgenommen. Wenige Jahre später wurde das deutsche Umsatzsteuerrecht mit dem EG-Recht harmonisiert. § 4 Nr. 9 b) UStG 1967 befreite Spielbanken ausdrücklich von der Umsatzsteuer. Das vorläufige Ende der Gesetzgebungsgeschichte brachte das Jahr 2006, als der Gesetzgeber im Anschluss an die Urteile des EuGH in den Rechtssachen Linneweber und Akritidis die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der Spielbanken umsatzsteuerpflichtig stellte, indem er die Befreiung in § 4 Nr. 9 b) UStG aufhob.

Es gibt seitdem die Regelung über die Umsatzsteuerbefreiung der Spielbanken in § 6 Abs. 1 SpielbkV, während das geltende UStG keine Befreiung der Spielbanken mehr vorsieht. Was gilt also?

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Beschluss vom 14.07.2016 über die Nichtannahme der Revision entschieden, § 4 Nr. 9 b) S. 1 UStG 1967, der eine Umsatzsteuerbefreiung für Spielbanken vorsah, habe „als junges und spezielles Gesetz“ die ältere Regelung in der SpielbkV verdrängt. Seit 1967 könne demzufolge aus § 6 Abs. 1 SpielbkV keine Umsatzsteuerbefreiung mehr hergeleitet werden. In einem Beitrag auf dieser Plattform vom 23.09.2016 wird dies als „nicht vertretbar“ bezeichnet. Eine inhaltsgleiche Norm könne eine andere Norm nicht verdrängen.

Der BFH stützt sich in seiner sehr knappen Begründung auf die ungeschriebenen Grundsätze der Normenkollision oder Normenkonkurrenz, wenn er § 4 Nr. 9 b) S. 1 UStG 1967 als das jüngere und spezielle Gesetz bezeichnet.
Der Grundsatz des Vorrangs des jüngeren Gesetzes besagt, dass das jüngere Recht das ältere Recht außer Kraft setzt (lex posterior derogat legi priori). Bei einander widersprechenden Gesetzen wird das jüngere Gesetz angewendet. Einen solchen Widerspruch zwischen den Regeln der SpielbkV und dem UStG 1967 gab es allerdings nicht. Die Regelungen waren hinsichtlich der Umsatzsteuerbefreiung inhaltsgleich; sie konkurrierten, kollidierten aber nicht. Dennoch ist es gut vertretbar, einen Vorrang des UStG 1967 zu bejahen. Dafür spricht, dass dieses Gesetz der Umsetzung der 6. EG-Richtlinie in nationales Recht diente und dass der deutsche Gesetzgeber dabei das Wahlrecht ausübte, das ihm Art. 13 Teil B Buchst. f) (jetzt Art. 135 Abs. 1 Buchst. i) Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) einräumte. In dieser Situation spricht eigentlich nichts dafür, eine vorkonstitutionelle Vorschrift wie die SpielbkV für die Umsatzsteuer weiter in Kraft zu lassen.
Zudem sollte die Neuregelung durch das UStG 1967 umfassend sein. Dementsprechend ordnete § 31 Abs. 1 Nr. 7 UStG 1967 an, dass Steuerbefreiungen aufgehoben waren, soweit sie den Regelungen des neuen UStG 1967 „widersprachen“. Es ist nicht zweifelsfrei, ob dies auch die SpielbkV betrifft, die nicht in Widerspruch zu den Regelungen des UStG 1967 steht, sondern das gleiche besagt wie § 4 Nr. 9 b) S. 1 UStG 1967.

Der BFH hat auch argumentiert, § 4 Nr. 9 b) S. 1 UStG 1967 sei vorrangig, weil die Vorschrift das „spezielle“ Gesetz sei (lex specialis derogat legi generali). Der Grundsatz des lex specialis ist aber wohl nur anwendbar auf Vorschriften derselben Rangstufe. Um solche handelt es sich hier nicht, denn die SpielbkV gilt als Rechtsverordnung fort, während das UStG als formelles Gesetz höherrangig ist. Damit greift der Grundsatz ein, dass die Norm auf der höheren Stufe der Norm auf der niedrigeren Stufe vorgeht (lex superior derogat legi inferiori). Nach dem Grundsatz des lex superior hat folglich § 4 Nr. 9 b) S. 1 UStG 1967 als (formelles) Gesetz den § 6 Abs. 1 SpielbkV als Rechtsverordnung bezüglich der Umsatzsteuerbefreiung verdrängt.

Im Ergebnis ist somit die Umsatzsteuerbefreiung des § 6 Abs. 1 SpielbkV seit dem Jahr 1967 nicht mehr anwendbar. So hat auch das FG Münster vor kurzem entschieden (Urteil vom 16.06.2016, 5 K 998/14 U). Es meint, jedenfalls mit der Novelle 2006 sei die Rechtslage klar gewesen, weil die Aufhebung der Befreiung für Spielbanken als höherrangiges Recht und als späteres Recht maßgebend sei. Da Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt ist, wird der BFH nochmals Gelegenheit haben, sich zu der Frage zu äußern (Az. BFH: V B 122/16). Dass er dies anders tut, als in seinem Beschluss vom 14.07.2016, ist nicht wahrscheinlich.

Dr. Klaus Walpert
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