Amtsgericht Zwickau (26 Ds 360 Js 25484/05) : § 284 StGB ist aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen nicht anwendbar

Rechtsanwalt Guido Bongers

Rechtsanwaltskanzlei Bongers
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Mit Beschluss vom 28.11.2006 hat das Amtsgericht Zwickau eine Anklage gegen zwei Sportwettvermittler nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, dass die Vermittlung von Oddset-Wetten nicht unter den Anwendungsbereich von § 284 StGB falle.

Das Gericht stellte zunächst fest, dass die Strafvorschrift bereits zu unbestimmt sei und der Bürger auf Grund mangelnder inhaltlicher Klarheit des § 284 StGB nicht erkennen könne, ob die Vermittlung von Sportwetten an ein innerhalb der EU konzessioniertes Unternehmen nach dieser Vorschrift strafbar sei.

Auch könne die Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten nicht vom Verhalten eines Dritten, namentlich von der Frage, ob seitens der staatlichen Lotterieanbieter den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Aufrechterhaltung eines staatlichen Wettmonopols nachgekommen werde, abhängen. Das Gericht habe darüber hinaus nicht zu erforschen, mit welcher Intensität die Oddset-Wette durch die staatlichen Lotterieveranstalter beworben werde. Das gleiche müsse dann für den Bürger gelten, dem ebenfalls eine „Marktanalyse nicht abverlangt werden kann“ um die Möglichkeit der Strafbarkeit der Vermittlung von Sportwetten zu überprüfen.

Insofern setzt sich das Amtsgericht kritisch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.03.2006 auseinander und führt dazu aus:

„Entscheidend (sei) auch, und damit lässt das Bundesverfassungsgericht den Bürger allein, dass man ihn der Willkür staatlichen Handelns aussetzt, wenn man die Strafbarkeit faktisch in das Belieben der politischen Verantwortlichen stellt.“

Weiter stellte das Gericht die Unanwendbarkeit von § 284 StGB wegen Verstoßes gegen europäisches Gemeinschaftsrecht fest. Im Hinblick darauf, dass der EG-Vertrag und das Grundgesetz die gleichen Maßstäbe an die Rechtmäßigkeit eines staatlichen Wettmonopols setzen, könne „als gesichert gelten, dass ein staatliches Monopol auf dem Gebiet der Sportwetten mit der Dienstleistungsfreiheit nicht in Einklang zu bringen ist.“

Dass Ordnungsbehörden die Vermittlung von Sportwetten zu weiten Teilen für strafbar halten und dies gegenüber Wettvermittlern auch zum Ausdruck brächten, sei für die Beurteilung der Strafbarkeit nicht von Relevanz, denn „die Rechtsprechung ist nicht Aufgabe der Ordnungsbehörde sondern der Gerichte im Allgemeinen.“

Das Gericht wies abschließen darauf hin, dass sich die Angeklagten angesichts der höchst unterschiedlichen, gerade im Bereich des Strafrechts aber häufig zu Gunsten von Wettvermittlern ergangenen Rechtsprechung, auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen können und „das Gericht von den Angeschuldigten keine größere Weisheit abverlangt als es selbst im Stande ist walten zu lassen…“